OGH 2Ob241/48

OGH2Ob241/4822.6.1949

SZ 22/96

Normen

Mietengesetz §19 Abs1
Mietengesetz §19 Abs2
Mietengesetz §19 Abs2 Z5
Mietengesetz §19 Abs2 Z6
Mietengesetz §19 Abs6
Mietengesetz §19 Abs1
Mietengesetz §19 Abs2
Mietengesetz §19 Abs2 Z5
Mietengesetz §19 Abs2 Z6
Mietengesetz §19 Abs6

 

Spruch:

Eine Vereinbarung mit dem Mieter, daß nach seinem Tod der Mietvertrag aufgelöst werde, ist nach § 19 Abs. 6 MietG. ungültig.

Ein dringender Eigenbedarf kann von einem Verein nur dann geltend gemacht werden, wenn er das Bestandobjekt für sich selbst benötigt; er kann sich aber nicht auf den Bedarf eines Vereinsmitgliedes erstrecken.

Entscheidung vom 22. Juni 1949, 2 Ob 241/48.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Ein humanitären Bestrebungen dienender Verein kundigte ein in seinem Haus befindliches Geschäftslokal nach dem Tod der bisherigen Mieterin der Verlassenschaft unter Bezugnahme auf § 19 Abs. 6 MietG. mit der Begründung auf, daß nach einer zwischen ihm und der Mieterin getroffenen Vereinbarung der Mietvertrag mit ihrem Ableben aufgelöst sei und daß er das Lokal für ein Vereinsmitglied benötige.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf.

Das Berufungsgericht erkannte die Aufkündigung für rechtswirksam.

Der Oberste Gerichtshof stellte das erstgerichtliche Urteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zunächst kann die Rechtsansicht der Vorinstanzen nicht geteilt werden, daß die klagende Partei mit der Behauptung, das vermietete Geschäftslokal für einen Vereinsangehörigen zu benötigen, einen dringenden Eigenbedarf geltend gemacht hat. Ein Eigenbedarf der klagenden Partei könnte nur dann in Betracht kommen, wenn sie den gekundigten Raum für die eigene Vereinsbetätigung benötigen würde, so zum Beispiel für Vereinsveranstaltungen oder für die Unterbringung eines Vereinsangestellten, falls dies im Interesse der Aufrechterhaltung der Vereinstätigkeit erforderlich wäre. Der Bedarf eines Angehörigen des klägerischen Vereines nach einem Geschäftslokal kann aber nicht dem Eigenbedarf der klagenden Partei gleichgestellt werden.

Die klagende Partei kann die Aufkündigung auch nicht auf den Kündigungsgrund des § 19 Abs. 6 MietG. stützen. Die von der klagenden Partei behauptete, zwischen ihr und der Mieterin getroffene Vereinbarung stellt sich nicht als eine Vereinbarung im Sinn des § 19 Abs. 6 MietG. dar, derzufolge der Vermieter ohne die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 und 2 des Mietengesetzes zur Aufkündigung des Mietvertrages berechtigt wäre, denn sie sagt nicht, daß der Vermieter beim Eintritt eines bestimmten Falles seines Eigenbedarfes, sondern nur, daß er den Mietvertrag beim Eintritt eines bestimmten Ereignisses auf Seite des Mieters, nämlich im Falle des Ablebens der Mieterin aufkundigen könne. Diese Vereinbarung ist aber, wie sich aus § 19 Abs. 6 erster Satz des Mietengesetzes ergibt, ungültig (SZ. XIX/221).

Da somit der im § 19 Abs. 6 MietG. angeführte Grund zur Aufkündigung des Mietvertrages nicht vorliegt, hätte sich die klagende Partei, um mit ihrer Aufkündigung durchdringen zu können, auf einen der im § 19 Abs. 1 oder Abs. 2 MietG, angeführten Kündigungsgrunde berufen müssen. Dies ist aber nicht geschehen. Die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die Aufkündigung der klagenden Partei auch unter dem Gesichtspunkte des § 19 Abs. 1 MietG. beurteilt werden könne, kann nicht geteilt werden. Maßgebend für die rechtliche Beurteilung ist allerdings nicht der ziffernmäßig angeführte Kündigungsgrund, wohl aber die sachliche Ausführung des Kündigungstatbestandes. Die klagende Partei hat nun sowohl ziffernmäßig als auch sachlich die Aufkündigung nur auf den Kündigungsgrund des § 19 Abs. 6 MietG. gestützt und auch in der Berufungsschrift nur das Vorliegen dieses Kündigungsgrundes behauptet.

Auch dann, wenn man die Ansicht vertreten würde, daß der von der klagenden Partei in der Aufkündigung geltend gemachte Sachverhalt unter dem Gesichtspunkte des § 19 Abs. 1 MietG. überprüft werden könnte, würde sich nicht ergeben, daß dieser Kündigungsgrund tatsächlich vorliegt. Der Umstand, daß die klagende Partei ein Verein ist, der humanitären Bestrebungen dient, und daß die klagende Partei das in Frage stehende Haus im Jahre 1933 erworben hat, um Blinden eine Unterkunft zu verschaffen und ihnen die Möglichkeit zur Ausübung eines Handwerkes zu geben und daß sie das von der R. gemietete Geschäftslokal nach dem Ableben dieser Mieterin nunmehr einem blinden Vereinsmitglied zur Ausübung eines Handwerkes überlassen wolle, kommt an Wichtigkeit einem der in § 19 Abs. 2 MietG. angeführten Kündigungsgrunde nicht gleich und kann daher nicht als ein wichtiger Kündigungsgrund im Sinne des § 19 Abs. 1 MietG. gewertet werden.

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