OGH 1Ob166/49

OGH1Ob166/4913.4.1949

SZ 22/52

Normen

ZPO §204
ZPO §529
ZPO §530
ZPO §534
ZPO §538
ZPO §204
ZPO §529
ZPO §530
ZPO §534
ZPO §538

 

Spruch:

Keine Wiederaufnahms- oder Nichtigkeitsklage gegen einen durch gerichtlichen Vergleich beendeten Prozeß. Ein gerichtlicher Vergleich steht der neuerlichen Einklagung des verglichenen Anspruches nicht entgegen. Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vergleiches ist nicht ausgeschlossen; im Falle des Erfolges dieser Klage kann das verglichene Verfahren nicht wieder aufgenommen werden.

Entscheidung vom 13. April 1949, 1 Ob 166/49.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Beklagte hat im Jahre 1947 vor der Rückstellungskommission ein Rückstellungsverfahren gegen den Kläger und gegen G. P. eingeleitet. Der gerichtlich bestellte Abwesenheitskurator der Klägerin hat vor der Rückstellungskommission mit der Beklagten drei Vergleiche abgeschlossen, die pflegschaftsbehördlich genehmigt wurden. Der Kläger ficht nun die drei vor der Rückstellungskommission geschlossenen Vergleiche durch Klage vor dem Landesgericht für ZRS. Wien als nichtig an.

Das Prozeßgericht hat die Klage gemäß § 538 ZPO. als verspätet zurückgewiesen. Das Rekursgericht hat den angefochtenen Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, unter Abstandnahme von dem gebrauchten Weisungsgrunde das Verfahren durchzuführen. Die vorliegende Klage sei keine Nichtigkeitsklage nach § 529 ZPO., die die Beseitigung einer formell rechtskräftigen Entscheidung zum Ziele habe, sondern eine Anfechtungsklage, mit der die Wirksamkeit eines Vergleiches bekämpft wird. Bei diesem Rechtsgestaltungsanspruch sei es für die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges gleichgültig, vor welcher Stelle der Vergleich abgeschlossen worden sei und sei daher auch die Fristbestimmung des § 534 ZPO. unanwendbar.

Der gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs hatte keinen Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Da ein Urteil, das einen Prozeß beendet, der neuerlichen Geltendmachung des Anspruches entgegensteht, so muß erst das Urteil beseitigt werden, ehe der Kläger, der die Nichtigkeit des Urteils behauptet, seinen Anspruch weiter verfolgen kann. Diesem Zwecke dient die Nichtigkeitsklage nach § 529 ZPO. Sie ist auf ein durch gerichtliche Entscheidung beendetes Verfahren beschränkt, weil bei einem durch gerichtlichen Vergleich beendeten Verfahren der neuerlichen Geltendmachung des Anspruches nicht eine prozeßhindernde, sondern nur eine materiell-rechtliche Einwendung entgegensteht, die die inhaltliche Abweisung der Klagebegehren zur Folge hat, wenn dem Kläger nicht der Beweis der Ungültigkeit des Vergleiches gelingt.

Hat der Kläger im gerichtlichen Vergleich nicht auf Rechte verzichtet, sondern Verpflichtungen übernommen, so kann er nicht den verglichenen Anspruch neuerlich einklagen, sondern nur eine negative Feststellungsklage auf Unwirksamkeit des Vergleiches einbringen. Die Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleiches hat dann die weitere Folge, daß der Gegner neuerlich den behaupteten Anspruch im zuständigen Verfahren geltend machen kann; eine Wiederaufnahme und Fortsetzung des verglichenen Verfahrens ist aber ausgeschlossen, da durch die zivilrechtliche Anfechtung des Vergleiches nur die materielle Novationswirkung beseitigt wird, nicht aber die verfahrensbeendende Wirkung, die kraft Gesetzes an den Abschluß eines gerichtlichen Vergleiches geknüpft ist, wie dies für die Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage vorgesehen ist.

Das Rekursgericht hat die vorliegende Klage, mit der die Außerkraftsetzung, richtiger Feststellung der Nichtigkeit, der abgeschlossenen Vergleiche begehrt wird, demnach mit Recht nicht als Nichtigkeitsklage im technischen Sinne behandelt und daher richtigerweise die Frist des § 534 ZPO. nicht angewendet. Unrichtig ist auch die Auffassung des Revisionsrekurses, daß eine Klage auf Nichtigerklärung eines Rückstellungsvergleiches vor die Rückstellungskommission gehöre. Die Rückstellungskommissionen haben nur über die Rechtsfolgen von Entziehungen und über Gewährleistungsansprüche zwischen mehreren Bewerbern zu entscheiden. Ob eine Vereinbarung auf Beseitigung der Wirkungen einer Entziehung gültig ist oder nicht, fällt dagegen nicht in die Kompetenz der Rückstellungskommission, sondern gehört vor die sonst zuständigen ordentlichen Gerichte, so wie Klagen auf Feststellung der Unwirksamkeit der Anerkennung einer außerehelichen Vaterschaft vor dem Außerstreitrichter nicht in die Kompetenz des Außerstreitgerichtes, sondern des Prozeßgerichtes fallen (E. v. 18. September 1931, ÖRZ. 1931, 196). Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ist auf die Feststellung der Gültigkeit oder Ungültigkeit des Vergleiches beschränkt. Wird sie verneint, so ist das weitere Verfahren vor der Rückstellungskommission als der nach dem Dritten Rückstellungsgesetz zuständigen Behörde durchzuführen.

Die vom Revisionsrekurs aufgeworfene Frage, ob das angerufene Gericht nicht zur Feststellung der Ungültigkeit des Vergleiches absolut unzuständig sei, ist daher zu verneinen.

Dem Revisionsrekurs konnte daher nicht Folge gegeben werden.

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