OGH 4Ob12/48

OGH4Ob12/4821.9.1948

SZ 21/128

Normen

SchSpG §9
ZPO §477 Z3
ZPO §503 Z1
SchSpG §9
ZPO §477 Z3
ZPO §503 Z1

 

Spruch:

Der Direktor eines Bauerntheaters, der sich mit seiner Truppe dem Unternehmer eines Kabaretts verpflichtet, für eine garantierte und bestimmte Spieldauer dort Stücke nach seiner Wahl aufzuführen, wobei die Aufteilung des Gesamthonorars auf die einzelnen Schauspieler ihm überlassen bleibt, ist Dienstnehmer aus einem Gruppenarbeitsvertrag und wirtschaftlich vom Unternehmer (Direktor des Kabaretts) abhängig, der das Risiko des Unternehmers ausschließlich trägt.

Entscheidung vom 21. September 1948, 4 Ob 12/48.

I. Instanz: Arbeitsgericht Wien; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das T. P.-Theater, dessen Direktor der Kläger ist, wurde mit Vertrag vom 14. April 1947 vom Beklagten für das von ihm geführte Kabarett zur Aufführung von Stücken aus dem Spielplan dieser Schauspielertruppe für die Zeit vom 1. bis 30. Juni 1947 aufgenommen, wobei der Beklagte dem Kläger und dessen Truppe ein Gesamthonorar von 50.000 S während der Vertragszeit für alle Fälle garantierte. Die Aufteilung der Gagen auf die Mitglieder der Theatergruppe war dem Kläger vorbehalten. Der Kläger hatte vor dem Arbeitsgerichte die Zahlung des Restes des Gesamthonorars begehrt.

Das Erstgericht hat dem Klagebegehren stattgegeben.

Vor dem Berufungsgerichte machte der Beklagte geltend, daß das Arbeitsgericht sachlich unzuständig gewesen sei, weil nicht ein Dienstvertrag, sondern ein Werkvertrag vorliege. Das Berufungsgericht hat sich dieser Rechtsansicht nicht angeschlossen und der Berufung nicht Folge gegeben. Die Revision des Beklagten war auf § 503, Z. 1 ZPO. (§ 477, Z. 3 ZPO.) gestützt, da das Verfahren wegen Unzuständigkeit des Arbeitsgerichtes nichtig sei.

Der Oberste Gerichtshof hat der Revision nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Revision führt den geltend gemachten Revisionsgrund dahingehend aus, daß der zwischen den beiden Parteien geschlossene Vertrag keinen Dienstvertrag, sondern einen Werkvertrag darstelle und daher das Arbeitsgericht nicht zuständig sei. Unter Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 6. September 1947, 1 Ob 559/47 (JBl. 1948, S. 89 ff.) und eine im wesentlichen gleichlautende Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien, GZ. 2 R 220/48, hebt sie hervor, daß der Kläger selbständiger Unternehmer ist und die mit den Mitgliedern des T. P.-Theaters geschlossenen Verträge nicht auf den Namen des Beklagten, sondern auf den des Klägers lauten. Auch die Zahlung der Gagen sei nicht durch den Beklagten unmittelbar an die einzelnen Mitglieder des Ensembles, sondern pauschaliert an den Kläger erfolgt, dem die weiter Verteilung überlassen blieb. Schließlich sei es auch allein dem Kläger überlassen, zu entscheiden, welche Stücke er aufführen will. Zu Unrecht habe das Berufungsgericht das Vorliegen eines Dienstvertrages mit der Begründung angenommen, daß der Beklagte durch die Garantie von 50.000 S während des gesamten Gastspieles das Unternehmerrisiko auf sich genommen habe, was mit dem Wesen des Werkvertrages im Widerspruch stehe. Die bezügliche Bestimmung des Vertrages knüpfe lediglich an die analoge Bestimmung des § 9 des Schauspielergesetzes vom 30. Juli 1922, BGBl. Nr. 441, an und stelle eine Vorsichtsmaßnahme dar, durch die verhindert werden soll, daß der Kläger wohl zeitlich gebunden ist, jedoch bei Wegfall der Leistung keinen Honoraranspruch gegen den Beklagten hat. Derartige Vereinbarungen seien bei Werkverträgen häufig. Wesentlich und bezeichnend sei aber insbesondere die verbindliche Erklärung des Klägers, daß er beim Finanzamt mit eigener Steuernummer geführt wird und dorthin sämtliche Lohnsteuern selbst abführt.

Der Oberste Gerichtshof kann nicht erkennen, daß bei Zugrundlegung dieser Ansicht der zwischen den beiden Parteien geschlossene Vertrag als Werkvertrag zu gelten hat. Das wesentlichste Unterscheidungsmerkmal zwischen Dienstvertrag und Werkvertrag liegt darin, daß der Dienstnehmer mit seiner Arbeitsleistung, ja überhaupt mit seiner Person der Lebensordnung eines Betriebes eingegliedert ist, die im Willen des Unternehmers ihren Träger hat, während beim Werkvertrag der zur Leistung Verpflichtete selbst durch seinen Willen die Lebensordnung des Betriebes bestimmt und repräsentiert. Deshalb und in diesem Sinne ist der Dienstnehmer vom Unternehmer persönlich abhängig, während beim Werkvertrag eine solche Abhängigkeit fehlt. Die notwendige Folge davon ist, daß der Dienstnehmer auch wirtschaftlich abhängig ist und das wirtschaftliche Risiko des Unternehmens ausschließlich den Unternehmer trifft.

Auf den vorliegenden Fall angewendet, führen diese Erwägungen zu dem Ergebnis, daß der Vertrag vom 14. April 1947 als Dienstvertrag angesehen werden muß. Der Beklagte hat die Dienstleistung des T. P.- Theaters für seinen Wiener Theaterbetrieb in Anspruch genommen und einerseits die Spielzeit nach den Bedürfnissen seines Betriebes bestimmt, anderseits auch ein bestimmtes Gesamthonorar für eine ebenso bestimmte Spieldauer garantiert. Die Besonderheiten des Vertrages, aus denen der Beklagte den Schluß ziehen will, daß nicht ein Dienstvertrag, sondern ein Werkvertrag vorliegt, haben ihren Grund nicht in der Unterscheidung zwischen Dienst- und Werkvertrag, sondern ergeben sich daraus, daß der Beklagte den Vertrag nicht mit den einzelnen Schauspielern, sondern mit dem Direktor, dem Kläger, abgeschlossen hat. Aus Punkt 1 des Vertrages ergibt sich aber, daß nicht nur der Kläger selbst, sondern sein gesamtes Ensemble zur Dienstleistung für das Kabarett, also für den Beklagten verpflichtet werden sollte. Es handelt sich also um einen Gruppenarbeitsvertrag (Hueck - Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechtes, I. Band, S. 373 ff.), den der Kläger namens des von ihm geführten Ensembles geschlossen hat. Daraus ergibt sich, daß der Vertrag nur auf den Namen des Kläger lautet, daß ein Pauschalhonorar vereinbart wurde und daß die Auswahl der Stücke dem Kläger überlassen bleibt. Der Beklagte kannte ja die Eigenart des T. P.-Theaters und der von ihm aufgeführten Stücke, er konnte daher die Auswahl der Stücke dem Kläger überlassen, ohne dadurch seine Unabhängigkeit als Unternehmer aufzugeben. Ebenso konnte die Aufteilung des Honorars auf die einzelnen Mitglieder dem Kläger überlassen werden, da er ja als künstlerischer Leiter des Ensembles, der er auch im Dienste des Beklagte blieb, die Leistungen seiner einzelnen Mitglieder und das Verhältnis ihrer bisherigen Honorare zueinander kannte. In welcher Art der Kläger die einzelnen Mitglieder zur Leistung für den Beklagten verpflichtete, nämlich, ob es dazu besonderer Verträge bedurfte oder ob die vom Kläger schon vorher abgeschlossenen Engagementverträge die Mitglieder zu Gastspielen dieser Art verpflichteten, war aus Zweckmäßigkeitsgrunden gleichfalls dem Kläger anheim zu stellen. Alle diese Umstände ändern also nichts daran, daß der Vertrag vom 14. April 1947 des T. P.-Theater zur Dienstleistung für den Wiener Betrieb des Beklagten verpflichtet hat und aus diesem Gründe als Dienstvertrag anzusehen ist.

Es ist daher die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes nicht zu bezweifeln und die von der Revision behauptete Nichtigkeit nicht gegeben.

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