Normen
AußStrG §6
Geschäftsordnung für Gerichte I, und II. Instanz §115
ZPO §108a
AußStrG §6
Geschäftsordnung für Gerichte I, und II. Instanz §115
ZPO §108a
Spruch:
Ein beschränkt Entmundigter kann einen Rechtsanwalt zur Abringung einer Beschwerde gegen die Amtsführung seines Bestandes und zwecks Antragstellung auf Enthebung des Beistandes und Bestellung eines anderen sowie zwecks Antragstellung auf Aufhebung der Entmündigung wirksam bestellen.
Entscheidung vom 18. Februar 1948, 1 Ob 47/48.
I. Instanz: Bezirksgericht St. Pölten; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.
Text
Der Oberste Gerichtshof bestätigte den die Entscheidung des Erstgerichtes teilweise abändernden Beschluß des Rekursgerichtes.
Rechtliche Beurteilung
Begründung
Das Pflegschaftsgericht hat mit Beschluß vom 12. Juli 1946 den zwischen dem Beistand des wegen Verschwendung beschränkt entmundigten Hans B., Notar Dr. H. M., als Vermieter und der offenen Handelsgesellschaft Josef B. als Mieterin am 25. Juli 1946 über die Liegenschaft EZ. 2118 der KG. St. Pölten abgeschlossenen Mietvertrag hinsichtlich des Kuranden Hans B. auf Antrag des Beistandes pflegschaftsbehördlich genehmigt. Der Beschluß wurde dem Beistand zugestellt.
Am 17. Juli 1947 überreichte der Kurand Hans B. durch den von ihm bevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. A. Z. in Wien eine Eingabe, in der er mitteilte, daß er zur Wahrnehmung seiner Interessen auch gegen den Willen seines Beistandes und nötigenfalls auch gegen diese von seinem Beistand errichteten und pflegschaftsbehördlich genehmigten Mietvertrag an seinen Vermögen geschädigt zu sein, da dieser Vertrag ausschließlich die Interessen der als Mieterin auftretenden offenen Handelsgesellschaft fördere, die seinen aber hintansetze. Die Bestellung eines Kollisionskurators sei daher zur Wahrung seiner Interessen nötig. Johann B. beantragte, seine Eingabe als Vorstellung gegen den Beschluß vom 12. Juli 1946 zu betrachten und denselben wegen Nichtigkeit aufzuheben und dem Mietvertrag vom 25. Juni 1946 die Genehmigung zu versagen oder ihm eine schriftliche Ausfertigung des Beschlusses zu Handen seines Rechtsfreundes zuzustellen, damit dieser in die Lage versetzt werde, gegen den Beschluß das Rechtsmittel der Beschwerde zu ergreifen. Er stellte auch eine Reihe weiterer, hier nicht zu erörternder Anträge, darunter auch den auf Aufhebung der Entmündigung und auf Bestellung seines Rechtsfreundes Rechtsanwalt Dr. A. Z. zum Kollisionskurator bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag. Mit Eingabe vom 4. November 1947 änderte er seinen Antrag dahin ab, daß an Stelle des Dr. A. Z. sein nunmehriger Rechtsfreund Dr. A. H. zum Kollisionskurator bestellt werden möge.
Über diese Anträge faßte das Pflegschaftsgericht am 11. November 1947 Beschluß, mit welchem es in Stattgebung der Vorstellung folgende Verfügungen traf:
1. Die Zustellung des Bescheides vom 12. Juli 1946 in gerichtlicher Ausfertigung an den Kuranden, weil diese Ausfertigung bisher unterblieben sei und ihm Gelegenheit geboten werden müsse, gegen den Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde anzubringen;
2. zur Wahrung der Rechte des Kuranden gegen den erwähnten Bescheid und Vertretung seiner Beschwerde gegen diesen Mietvertrag und gegen seinen Beistand Dr. H. M. und allfälliger weiterer Beschwerden die Bestellung des Rechtsanwaltes Dr. A. H. als Rechtbeistand. Diese Verfügung wurde mit dem Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 9. Oktober 1934, ZBl. 1935, Nr. 4 begrundet.
Gegen diesen Beschluß ergriff Dora B. als Abwesenheitskuratorin des vermißten Josef B., Gesellschafters der offenen Handelsgesellschaft Josef B. in St. Pölten, Vorstellung und Rekurs. Sie führte aus, Hans B. sei vom Inhalt des Mietvertrages schon vor der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung voll unterrichtet gewesen, überdies sei er vom Inhalt des Bescheides vom 12. Juli 1946 sowohl von seinem Beistand als auch (in seiner Eigenschaft als persönlich haftender Gesellschafter der Firma Josef B.) von der Firma durch Ausfolgung einer Vertragsabschrift in Kenntnis gesetzt worden. Er habe daher von der Tatsache der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung des Vertrages gewußt, so daß der Bescheid ihm gegenüber nach § 6 AußstrG. und § 108a ZPO. Geltung erlangt habe, ohne daß er gegen ihn in offener Frist ein Rechtmittel eingebracht hätte. Derzeit stehe ihm ein solches nicht mehr zu, weil Dritte, nämlich der von ihr als Abwesenheitskuratorin vertretene Josef B., aus diesem Beschluß bereits Rechte erworben hätten, auf die sie nicht verzichten wolle. Der Beschluß vom 11. November 1947 werde von ihr insoweit nicht angefochten, als der entmundigte Johann B. die Bestellung eines Kollisionskurators zu dem Zwecke anstrebe, um gegen seinen Bestand wegen der von ihm behaupteten pflichtwidrigen Amtsführung Beschwerde zu erheben, und in diesem Umfang sei eine solche Bestellung auch im Sinne der von ihm herangezogenen oberstgerichtlichen Entscheidung zulässig. Dagegen dürften die Rechte Dritter, die selbst pflegebefohlen seien, durch ein angebliches Versäumnis des Bestandes des Johann B. nicht mehr in Frage gestellt werden. Eine neue Zustellung an Johann B. sei darum unstatthaft. In diesem Sinne wurde Abänderung des angefochtenen Beschlusses begehrt.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs insofern Folge, als es die Ausscheidung der Worte "und dem Kuranden Gelegenheit gegeben werden muß, gegen den Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde anzubringen" aus dem Absatz 1 und der Worte "und allfälligen weiteren Beschwerden" aus dem Absatz 2 des angefochtenen Beschlusses verfügte. Im übrigen versagte es dem Rekurs den Erfolg.
In der Begründung führte das Rekursgericht aus, es wäre wohl zweckmäßig gewesen, wenn das Pflegschaftsgericht vor Genehmigung des Vertrages den beschränkt entmundigten Johann B. vernommen und zur Stellungnahme zum Vertragsentwurfe aufgefordert hätte. Da dies unterblieb und der Beschluß nur an den Beistand zugestellt wurde, sei es nur recht und billig, daß der Beschluß auch dem Entmundigten selbst auf sein Ersuchen zur Kenntnis gebracht werde, damit er über die rechtliche Lage seiner Angelegenheit im Bilde sei. Mit einer solchen Zustellung solle aber nicht gesagt werden, daß er nunmehr auch gegen den Genehmigungsbescheid ein Rechtsmittel ergreifen könne, denn dazu sei einzig der Beistand berufen. Es stehe dem Entmundigten lediglich frei, gegen seinen Beistand geeignete gerichtliche Schritte zu unternehmen, wenn dieser ihn nicht ordnungsgemäß vertrete. Darum sei der angefochtene Beschluß nur in diesem Sinne abgeändert, im übrigen aber dem Rekurs nicht Folge gegeben worden.
Diese Rekursentscheidung wurde Dora B., Dr. H. M., Dr. A. H. und dem Entmundigten zugestellt und nur von letzterem mit Revisionsrekurs angefochten, in welchem er beantragt, die Beschwerde der Dora B. gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 11. November 1947 abzuweisen und den erstrichterlichen Beschluß vollinhaltlich wiederherzustellen.
Nach der auch im außerstreitigen Verfahren anzuwendenden Norm des § 115 Geo. soll auch in Beschlüssen der Spruch von der Begründung gesondert werden, außer wenn die Begründung bloß in der Verweisung auf eine Gesetzesstelle oder in einer kurzen Mitteilung besteht. Dieser Vorschrift entspricht die Fassung des Spruch und Gründe vermengenden Beschlusses nicht. Wie oben dargelegt, enthält dieser Beschluß zwei Verfügungen. Zunächst wird die Zustellung des Bescheides vom 12. Juli 1946 an den Kuranden angeordnet. Ohne äußerliche Sonderung werden dann die Gründe für diese Verfügung gegeben, u. zw. daß die Zustellung unterblieben sei und dem Kuranden Gelegenheit zur Anfechtung des Beschlusses gegeben werden müsse. Diesen Spruch hat das Rekursgericht bestätigt, jedoch aus anderen Gründen. Es anerkennt abweichend vom Pflegschaftsgericht nicht einen Rechtsanspruch des Entmundigten auf Zustellung des Beschlusses, sondern hält sie nur als Billigkeitserwägungen für zweckmäßig, damit ihm, der vor der Beschlußfassung nicht einvernommen wurde, ein Bild der rechtlichen Lage gegeben werde. Im weiteren Verlauf wendet sich das Rekursgericht gegen die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß dem Kuranden ein selbständiges Rechtsmittel gegen den pflegschaftsbehördlichen Beschluß zustehe, und verneint sie ausdrücklich.
Das Rekursgericht hat daher in diesem Punkt wohl den Spruch des Erstgerichtes bestätigt, nicht aber dessen Gründe übernommen. Die Bestätigung erfolgte vielmehr aus wesentlich anderen Gründen. Ein Rechtsmittel kann aber immer nur gegen den Spruch, nie gegen die Entscheidungsgründe ergriffen werden (GlUNF. 6228, NotZtg. 1912, S. 272, SZ. VII/353). Der Revisionsrekurs erweist sich darum, soweit er diesen Teil des Spruches betrifft, als unbegrundet.
Im zweiten Absatz verfügt der erstgerichtliche Beschluß die Bestellung des Rechtsanwaltes Dr. A. H. zum "Rechtsbeistand" des Kuranden unter Angabe eines dreifachen Zweckes dieser Bestellung unter begrundendem Hinweis auf die oberstgerichtliche Entscheidung vom 9. Oktober 1934, ZBl. 1935 Nr. 4.
Zunächst bleibt es unklar, was das Pflegschaftsgericht unter der "Bestellung zum Rechtsbeistand" versteht. Soweit es sich um die Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes bloß zur Anbringung einer Beschwerde gegen die Amtsführung des Beistandes oder den Antrag auf dessen Enthebung und Bestellung eines anderen Beistandes, allenfalls auf Aufhebung der Entmündigung handelt, genügt im Sinne der mehrerwähnten Entscheidung die bloße Anzeige an das Pflegschaftsgericht, das diese Bestellung nicht zu genehmigen, sondern bloß zur Kenntnis zu nehmen hat. "Die Bestellung" eines Rechtsbeistandes durch das Gericht zu diesem Zweck ist also offenbar gegenstandslos. Es scheint aber, daß das Pflegschaftsgericht die Bestellung eines Kollisionskurators beabsichtigte, die vom Entmundigten schon in seiner Eingabe OZ. 92 und abermals in der Eingabe OZ. 94 gefordert worden war. Es ist allerdings nicht zu erkennen, welche Aufgabe der Kollisionskurator gegenwärtig zu erfüllen hätte. Denn für die im vorstehenden dargelegten Aufgaben genügt ein Einschreiten des Kuranden selbst oder eines von ihm bevollmächtigten Rechtsfreundes.
Für einen allfälligen Schadenersatzanspruch gegen den Beistand wegen des durch pflichtwidrige Amtsführung dem Kuranden verursachten Vermögensnachteiles oder zur Anbringung einer Syndikatsklage fehlt es gegenwärtig noch an der Rechtsgrundlage, weil über die vom Kuranden gegen den Genehmigungsbeschluß im Instanzenzug entschieden wurde. Was aber die "allfälligen weiteren Beschwerden" angeht, die als dritte Aufgabe des Kollisionskurators bezeichnet werden, so verkennt das Pflegschaftsgericht hier offenbar die Rechtsstellung des Kollisionskurators. Dieser hat nur die Aufgabe, für den Kuranden dort einzuschreiten, wo er durch den Beistand nicht vertreten werden kann, weil dieser selbst Partei ist oder weil seine Interessen mit jenen des Pflegbefohlenen kollidieren. Darüber hinaus hat er sich nicht in die Amtsführung des Beistandes einzumengen, sie zu kontrollieren oder ihr entgegenzuwirken. Was der Kurand anstrebt und auch in seinem Revisionsrekurs zum Ausdruck bringt, ist, eine Kontrolle über die Gebarung des Beistandes auszuüben und in der Lage zu sein, gegen jede ihm mißliebige, wiewohl vom Pflegschaftsgericht gebilligte Verfügung des Beistandes durch einen zweiten, kontrollierenden Beistand Rechtsmittel einlegen zu können. Damit würde aber der Tätigkeit des Beistandes, der nur dem vorgesetzten Pflegschaftsgericht verantwortlich ist, die Grundlage entzogen. Insoweit dem Pflegschaftsgericht bei diesen, vom Rekursgericht mit Recht aus dem Spruch beseitigten Worten etwa die Einlegung von Rechtsmitteln in dem früher erörterten, in der Entscheidung vom 9. Oktober 1934, ZBl. 1935, Nr. 4, genau umschriebenen Beschwerdeverfahren vorschwebt, bedarf es dazu keines Kollisionskurators, weil dazu der Kurand und sein von ihm bestellter Rechtsfreund berechtigt sind. Was aber die Wahrung der Rechte des Kuranden gegen den Bescheid vom 12. Juli 1946 angeht, so gehört auch diese nicht zum Wirkungskreis des Kollisionskurators. Daß der Beistand bei der Beurteilung der Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit eines von ihm errichteten Vertrages anderer Meinung ist als der Kurand, begrundet an sich noch keinen Kollisionsfall in dem erörterten Sinn. Da das Rekursgericht aber zu Punkt 1 auch die Rechtsansicht ausgesprochen hat, daß dem Kuranden gegen diesen Bescheid kein Rechtsmittel zustehe, hätte es folgerichtig auch diesen Teilsatz, betreffend die erste der drei Aufgaben des Kollisionskurators, streichen müssen. Dies ist unterblieben und der Spruch in diesem Umfang in Rechtskraft erwachsen.
Der Revisionsrekurs strebt offensichtlich eine Entscheidung darüber an, ob dem Kuranden gegen den mehrerwähnten Beschluß vom 12. Juli 1946 oder auch gegen sonstige ihm nicht genehme Beschlüsse des Pflegschaftsgerichtes ein selbständiges Rekursrecht offenstehe. Hierüber ist jedoch in diesem Rahmen und gegenwärtig nicht zu entscheiden.
Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs der Erfolg zu versagen.
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