OGH 1Ob876/47

OGH1Ob876/4730.12.1947

SZ 21/54

Normen

ZPO §416
ZPO §426
ZPO §416
ZPO §426

 

Spruch:

Die Rechtswirksamkeit der Einantwortungsurkunde ist durch die Zustellung an den erbserklärten Erben oder seinen Bevollmächtigten bedingt.

Entscheidung vom 30. Dezember 1947, 1 Ob 876/47.

I. Instanz: Bezirksgericht Kitzbühel; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Das Prozeßgericht hat das auf die Übergabe der Pachtobjekte gerichtete Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, daß die beklagte Verlassenschaft passiv nicht legitimiert sei, weil der Nachlaß bereits eingeantwortet sei.

Das Berufungsgericht hat diese Rechtsansicht des Prozeßgerichtes abgelehnt und unter Rechtskraftvorbehalt das Urteil mit dem Auftrag an das Prozeßgericht aufgehoben, in der Sache neuerlich zu verhandeln und zu entscheiden.

Der Oberste Gerichtshof hat dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Begründung

Wie aus dem Akt des Bezirksgerichtes Kitzbühel A 371/45, der bereits dem Prozeßgerichte vorgelegen ist, hervorgeht, haben sich die Witwe und die mj. Tochter des Erblassers S. zum Nachlaß bedingt erbserklärt und in der am 28. September 1946 vor dem Notar Dr. B. als Gerichtskommissär durchgeführten Verlassenschaftsabhandlung den Antrag gestellt, die Einantwortungsurkunde erst nach einem besonderen Antrage "herauszugeben". Der Gerichtskommissär hat bei der Vorlage des Aktes an das Verlassenschaftsgericht auf diesen Antrag der Erben ausdrücklich hingewiesen und in dem von ihm entworfenen Gerichtbeschluß, der in der Folge, und zwar am 26. Oktober gefaßt und am 28. Oktober 1946 abgefertigt worden ist, unter Punkt 7 insofern darauf Bezug genommen, daß die Einantwortung vorbehalten bleibe; er hat aber trotzdem auch einen Entwurf der Einantwortungsurkunde in zweifacher Ausfertigung angeschlossen, nach dem der erblasserischen Witwe zu einem Viertel und der erblasserischen Tochter zu drei Vierteln der Nachlaß eingeantwortet werde. Der Abhandlungsrichter hat ebenfalls noch am 26. Oktober 1946 die Einantwortungsurkunde datiert und unterschrieben, eine Abfertigung jedoch nicht verfügt; trotzdem fehlt im Akt die zweite Ausfertigung des Entwurfes. Dem Verlassenschaftsakt ist nicht zu entnehmen, daß die Erben auf eine Zustellung der Einantwortungsurkunde verzichtet oder einen Dritten zu ihrer Empfangnahme bevollmächtigt haben.

Die im Rekurs enthaltene, übrigens in der ersten Instanz nicht aufgestellte Behauptung, daß die Einantwortungsurkunde dem Gerichtskommissär zugestellt worden sei, mag vielleicht richtig sein, sie ist jedoch rechtlich nicht entscheidend. Damit die Einantwortungsurkunde wirksam geworden wäre, genügt nicht, daß sie der Abhandlungsrichter unterschrieb; so wie gemäß § 416, Abs. 1 ZPO. ein Urteil den Parteien gegenüber erst mit der Zustellung wirksam wird, bedürfen auch Beschlüsse - und die Einantwortungsurkunde ist ein Beschluß des Verlassenschaftsgerichtes - der Zustellung, um wirksam zu werden, es sei denn, daß eine schriftliche Ausfertigung nicht zu erfolgen hätte (§ 426, Abs. 3 ZPO.). Da aber die Parteien in der Verlassenschaftsabhandlung auf eine Zustellung der Einantwortungsurkunde nicht verzichtet haben und da dem Gerichtskommissär niemals mit einer Wirkung für die Parteien zugestellt werden kann, ist, selbst wenn die Einantwortungsurkunde dem Notar zugestellt worden wäre, die mit ihr verbundene Rechtswirkung für die erbserklärten Erben nicht eingetreten. Ist aber die Zustellung weder an die Partei, noch an einen von ihr bevollmächtigten Vertreter erfolgt, so ist der Nachlaß noch nicht in den rechtlichen Besitz der Erben übergegangen.

Das Berufungsgericht hat daher mit Recht angenommen, daß die beklagte Verlassenschaft passiv legitimiert ist, woraus sich aber für daß Prozeßgericht die Verpflichtung ergibt, auf den Inhalt der Klage meritorisch einzugehen. Dem Rekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

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