VwGH Ra 2022/15/0036

VwGHRa 2022/15/003620.2.2024

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Landeck Reutte in 6500 Landeck, Innstraße 11, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 28. Februar 2022, Zl. RV/3100192/2016, betreffend u.a. Festsetzung von Umsatzsteuer für den Erwerb neuer Fahrzeuge (mitbeteiligte Partei: M S, in H), zu Recht erkannt:

Normen

UStG 1994 Art19 Abs2 Z2
UStG 1994 Art20 Abs2
UStG 1994 Art21 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2024:RA2022150036.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit es die Festsetzung von Umsatzsteuer für den Erwerb neuer Fahrzeuge betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Nach den Erhebungen des Finanzamtes hat die Mitbeteiligte, eine natürliche Person, die nicht Unternehmerin iSd § 2 UStG 1994 ist, am 9. März 2010 ein Kfz in einem anderen Mitgliedstaat gekauft und es in der Folge nach Österreich importiert. Mit Bescheid vom 2. April 2013 setzte das Finanzamt gegenüber der Mitbeteiligten für den dadurch gemäß Art. 1 Abs. 7 UStG 1994 bewirkten innergemeinschaftlichen Erwerb eines neuen Fahrzeuges Umsatzsteuer in Höhe von 2.917,97 € fest (Fahrzeugeinzelbesteuerung). Im Bescheid führte das Finanzamt auch an, dass die Umsatzsteuer bereits fällig gewesen und die für die Nachzahlung zur Verfügung stehende Frist der gesondert zugehenden Buchungsmitteilung zu entnehmen sei.

2 Einer gegen den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid gerichteten Beschwerde gab das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung keine Folge, woraufhin die mitbeteiligte Partei die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (BFG) beantragte.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das BFG der Beschwerde statt, hob den Bescheid gemäß § 279 BAO ersatzlos auf und führte zur Begründung aus, die Umsatzsteuer für den Erwerb neuer Fahrzeuge sei eine Steuer, die jeweils für einen bestimmten Kalendermonat entstehe. Die Angabe des Zeitraumes (Kalendermonat) für den sie festgesetzt werde, sei daher zwingend erforderlich. Da der angefochtene Bescheid einen derartigen Zeitraum nicht enthalte, verstoße er gegen § 198 Abs. 2 BAO und sei damit rechtswidrig. Dieser dem Spruch des Abgabenbescheides anhaftende Mangel könne durch das BFG nicht saniert werden, weshalb der Bescheid aufzuheben sei.

4 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision richtet sich laut ihrer Anfechtungserklärung gegen die vom BFG vertretene Ansicht, dass die Angabe des Zeitraumes (Kalendermonat) als Spruchbestandteil bei der Fahrzeugeinzelbesteuerung iSd Art. 1 Abs. 7 UStG 1994 iVm Art. 20 Abs. 2 und Art. 21 Abs. 2 UStG 1994 zwingend erforderlich sei.

5 Zu ihrer Zulässigkeit trägt die Revision vor, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob bei der Festsetzung von Umsatzsteuer für den Erwerb neuer Fahrzeuge (Fahrzeugeinzelbesteuerung iSd Art. 1 Abs. 7 UStG 1994) zwingend die Angabe eines Zeitraumes (Kalendermonat) zu erfolgen habe oder die Angabe des „Datums des Erwerbes“ hinreichend sei.

6 Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die Revision ist zulässig und begründet.

9 Gemäß § 198 Abs. 2 BAO haben Abgabenbescheide im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten. Ist die Fälligkeit einer Abgabenschuldigkeit bereits vor deren Festsetzung eingetreten, so erübrigt sich, wenn auf diesen Umstand hingewiesen wird, eine nähere Angabe über den Zeitpunkt der Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeit.

10 Der Bescheid einer Verwaltungsbehörde ist als ein Ganzes zu beurteilen. Spruch und Begründung bilden eine Einheit. Bestehen Zweifel über den Inhalt des Spruches, so ist zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen. Hierbei ist der Spruch im Zweifel im Sinne des angewendeten Gesetzes auszulegen („gesetzeskonforme“ Bescheidauslegung; vgl. VwGH 26.6.2014, 2013/15/0062, mwN).

11 Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

12 Gemäß Art. 1 Abs. 7 UStG 1994 ist der Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch einen Erwerber, der nicht zu den in Art. 1 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 genannten Personen gehört, unter den Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 ein innergemeinschaftlicher Erwerb.

13 Gemäß Art. 19 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 entsteht die Steuerschuld für den innergemeinschaftlichen Erwerb von neuen Fahrzeugen im Sinne des Art. 1 Abs. 7 UStG 1994 am Tag des Erwerbs.

14 Art. 20 Abs. 2 UStG 1994 bestimmt, dass beim innergemeinschaftlichen Erwerb neuer Fahrzeuge durch andere Erwerber als die in Art. 1 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 genannten Personen die Steuer für jeden einzelnen steuerpflichtigen Erwerb zu berechnen ist (Fahrzeugeinzelbesteuerung).

15 In den Fällen der Fahrzeugeinzelbesteuerung (Art. 20 Abs. 2 UStG 1994) hat der Erwerber gemäß Art. 21 Abs. 2 UStG 1994 spätestens bis zum Ablauf eines Monates, nach dem die Steuerschuld entstanden ist (Fälligkeitstag), eine Steuererklärung auf amtlichem Vordruck abzugeben, in der er die zu entrichtende Steuer selbst zu berechnen hat (Steueranmeldung). Gibt der Erwerber die Steueranmeldung nicht ab oder erweist sich die Selbstberechnung als nicht richtig, so kann das Finanzamt die Steuer festsetzen. Die Steuer ist spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

16 Die Fahrzeugeinzelbesteuerung nach Art. 21 Abs. 2 UStG 1994 erfolgt nicht für einen Veranlagungszeitraum, sondern für den einzelnen steuerpflichtigen Erwerb (vgl. Melhardt, in Melhardt/Tumpel, UStG3, Art. 20 Rz 5; Art. 21 Rz 6). Die Steuerschuld entsteht gemäß Art. 19 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 am Tag des innergemeinschaftlichen Erwerbs des neuen Fahrzeuges.

17 Die Rechtsansicht des BFG, wonach bei der Fahrzeugeinzelbesteuerung nach Art. 21 Abs. 2 UStG 1994 die Umsatzsteuer für einen „Zeitraum (Kalendermonat)“ festzusetzen sei, entspricht daher nicht dem Gesetz.

18 Die bei der Entscheidung über eine gegen einen Bescheid erhobene Beschwerde bestehende Änderungsbefugnis des BFG ist durch die Sache begrenzt (vgl. VwGH 25.7.2023, Ro 2020/16/0031). Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des bekämpften Bescheides gebildet hat (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 279 Rz 10)

19 Dem Bescheid des Finanzamts vom 2. April 2013 liegt die Feststellung zugrunde, dass die mitbeteiligte Partei, eine natürliche Person, die nicht Unternehmerin im Sinne des § 2 UStG 1994 ist, am 9. März 2010 ein näher bezeichnetes Neufahrzeug erworben habe, welches sie sodann nach Österreich verbracht und in der Folge auch in Österreich verwendet habe. Dadurch sei nach der dem Bescheid zugrundeliegenden rechtlichen Beurteilung der Umsatzsteuertatbestand gemäß Art. 1 Abs. 7 UStG 1994 (innergemeinschaftlicher Erwerb) verwirklicht worden.

20 Damit ist die Angelegenheit, über die das Finanzamt abgesprochen hat, zweifelsfrei bestimmt.

21 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher, soweit es die Festsetzung von Umsatzsteuer für den Erwerb neuer Fahrzeuge betrifft, als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 20. Februar 2024

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