Normen
BAO §279 Abs1
GebG 1957 §11
GebG 1957 §14
GebG 1957 §33
GGG 1984
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RO2020160031.J00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Schreiben vom 28. Jänner 2016 beantragte der Mitbeteiligte ‑ für sich und seine beiden Kinder ‑ die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall der Annahme der schwedischen Staatsbürgerschaft.
2 Der Magistrat der Stadt Wien wies die Anträge ab und setzte den Mitbeteiligten mit (mehreren) gesonderten Schreiben darüber in Kenntnis, dass für die gestellten Anträge und die damit vorgelegten Unterlagen Gebühren zu entrichten seien, sowie, dass im Falle der Nichtentrichtung die Abgabenbehörde die Gebühren sowie eine Gebührenerhöhung bescheidmäßig festsetze.
3 Mit Bescheiden vom 11. Oktober 2018 setzte das Finanzamt die Gebühren für die Anträge betreffend die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft für die beiden Kinder des Mitbeteiligten mit jeweils 58,50 € sowie eine Gebührenerhöhung in Höhe von jeweils 29,25 € fest. Die Gebühren wurden festgesetzt für 2 (zwei) Zeugnisse mit insgesamt 2 (zwei) Bogen gemäß § 14 TP 14 Abs. 1 GebG in Höhe von 28,60 €, 4 (vier) Beilagen mit insgesamt 4 (vier) Bogen gemäß § 14 TP 5 Abs. 1 GebG in Höhe von 15,60 €, sowie 1 (eine) Eingabe gemäß § 14 TP 6 Abs. 1 GebG in Höhe von 14,30 €.
4 Die vom Mitbeteiligten dagegen erhobene Beschwerde ‑ in der er im Wesentlichen vorbrachte, es sei gar kein Antrag eingebracht worden ‑ wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung ab, woraufhin der Mitbeteiligte einen Vorlageantrag stellte.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde teilweise Folge und änderte die angefochtenen Bescheide dahingehend ab, dass es die Gebühren mit jeweils 37,70 €, und zwar für 6 (sechs) Beilagen mit insgesamt 6 (sechs) Bogen gemäß § 14 TP 5 Abs. 1 GebG in Höhe von 23,40 €, sowie 1 (eine) Eingabe gemäß § 14 TP 6 Abs. 1 GebG in Höhe von 14,30 €, sowie die Gebührenerhöhung mit 18,85 € festsetzte. Weiters sprach das Bundesfinanzgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei.
6 Das Bundesfinanzgericht führte ‑ nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ aus, der Mitbeteiligte habe bei der Antragstellung u.a. jeweils eine (schwedische) Meldebestätigung und einen (schwedischen) Strafregisterauszug vorgelegt.
7 Dabei handle es sich allerdings entgegen der Ansicht des Finanzamtes nicht um Zeugnisse iSd § 14 TP 14 Abs. 1 GebG, bei denen die Gebührenschuld gemäß § 11 Abs. 1 Z 5 GebG entstehe, sobald von ihnen im Inland ein amtlicher Gebrauch gemacht werde. Dies deshalb, weil die Vorlage bei einer Behörde nur dann zu einem die Gebührenpflicht begründenden amtlichen Gebrauch führe, wenn sich der Überreicher auf den Inhalt der Urkunde berufe, um einen Antrag darauf zu stützen. Aus den im geführten Verfahren ‑ zur Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft ‑ anwendbaren Bestimmungen (insbesondere aus dem Staatsbürgerschaftsgesetz) ergebe sich aber keine tatbestandlich normierte Verpflichtung zur Vorlage der beiden Schriften. Indem die im vorliegenden Fall für Staatsbürgerschaftsangelegenheiten zuständige Behörde diese beiden Bestätigungen vom Antragsteller abverlange, wälze sie ‑ vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Offizialmaxime ‑ sie selbst treffende Ermittlungspflichten auf diesen ab. Demnach gehe das Bundesfinanzgericht davon aus, dass die jeweils vorgelegten (schwedischen) Meldebestätigungen und (schwedischen) Strafregisterauszüge keine ausländischen Zeugnisse seien, von denen ein amtlicher Gebrauch gemacht worden sei.
8 Vielmehr handle es sich dabei um Beilagen iSd § 14 TP 5 Abs. 1 GebG, bei denen die Gebührenschuld gemäß § 11 Abs. 1 Z 1 GebG in dem Zeitpunkt entstehe, in dem die das Verfahren in einer Instanz schriftlich ergehende abschließende Erledigung über die in der Eingabe enthaltenen Anbringen zugestellt werde. Diese beiden Schriften seien somit ‑ wie die restliche vier Beilagen ‑ gemäß § 14 TP 5 Abs. 1 GebG mit jeweils 3,90 € zu vergebühren.
9 Die Zustellung der (abweisenden) Bescheide des Magistrats der Stadt Wien sei durch Hinterlegung beim (schwedischen) Postamt und daher mit Beginn der Abholfrist erfolgt. Diese Bescheide seien daher im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht jedenfalls wirksam ergangen, womit die Gebührenschuld entstanden sei.
10 Das Bundesfinanzgericht erklärte die Revision für zulässig, weil die Frage, ob von einem ausländischen Zeugnis ein amtlicher Gebrauch gemacht werde, wenn dieses aufgrund einer allgemeinen amtlichen Aufforderung (konkret durch ein Informationsschreiben der Behörde) vom Antragsteller vorgelegt werde, noch nicht durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sei. Vor dem Hintergrund, dass davon nicht nur der Entstehungszeitpunkt der Gebührenpflicht, sondern auch die Gebührenpflicht als solche abhänge, sei dies eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.
11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Amtsrevision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch den Mitbeteiligten erwogen hat:
12 In der Revision ‑ die sich nach ihrem gesamten Vorbringen erkennbar nur gegen die vom Bundesfinanzgericht vorgenommene, abweichende Festsetzung der Gebühren für die ausländischen Meldebestätigungen und Strafregisterauszüge gemäß § 14 TP 5 Abs. 1 GebG (anstatt gemäß § 14 TP 14 Abs. 1 GebG, wie vom Finanzamt ursprünglich festgesetzt), sowie gegen die Festsetzung der Gebührenerhöhung mit einem entsprechend niedrigeren Betrag richtet ‑ wird zu deren Zulässigkeit ergänzend vorgebracht, zur Frage, ob es sich bei den nach den einzelnen Tatbeständen des § 14 GebG vorgesehenen Gebühren um jeweils verschiedene Abgaben entsprechend den einzelnen Tatbeständen handle, sei keine (eindeutige) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorhanden.
13 Die Revision ist zulässig und begründet.
14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei den in den einzelnen Tatbeständen des § 33 GebG vorgesehenen Gebühren nicht um eine einzige, einheitliche Abgabe, sondern entsprechend den einzelnen Tatbeständen um jeweils verschiedene Abgaben (vgl. bereits VwGH 11.9.1980, 2909/79, VwSlg. 5504/F; 3.10.1988, 87/15/0145; 16.10.1989, 88/15/0032; 3.6.1993, 92/16/0174; 18.8.1994, 93/16/0131; anders noch im Ergebnis VwGH 19.4.1950, 1945/48, VwSlg. 214/F). Dies vertritt der Verwaltungsgerichtshof gleichermaßen für die nach den einzelnen Tatbeständen der verschiedenen Tarifposten des GGG zu entrichtenden Gebühren (vgl. VwGH 30.3.2000, 99/16/0338).
15 Auch für die in den verschiedenen Tarifposten des § 14 GebG geregelten Gebühren kann dies ‑ schon vor dem Hintergrund der Systematik des GebG ‑ nicht anders gesehen werden (vgl. in diesem Sinne schon VwGH 26.11.1990, 90/15/0005, zum Verhältnis der Gebühr gemäß § 14 TP 1 GebG zu jener gemäß § 14 TP 14 GebG; ebenso Arnold, Bundesabgabenordnung und Gebührengesetz, in FS Stoll, Steuern im Rechtsstaat [1990] 289). Für diese Sichtweise spricht u.a. auch ‑ wie die Amtsrevision zutreffend anmerkt ‑ die Bestimmung des § 11 GebG, in der die Entstehung der Gebührenschuld je nach Tarifpost und damit für die jeweiligen Tatbestände unterschiedlich geregelt ist.
16 Folge dieser Sichtweise ist u.a., dass bei Identität des Sachverhaltes ‑ somit im Hinblick auf § 14 GebG hinsichtlich derselben Schriften oder Amtshandlungen ‑ die Abgabenbehörde grundsätzlich nicht gehindert ist, eine Gebühr nach einer bestimmten Tarifpost festzusetzen, auch wenn bereits eine Festsetzung nach einer anderen Tarifpost (somit aufgrund eines anderen Abgabentatbestandes) ‑ allenfalls durch das Verwaltungsgericht ‑ erfolgt ist. Dies gilt ebenso, wenn der Bescheid, mit dem die Gebühr (ursprünglich) festgesetzt wurde, durch das Verwaltungsgericht ersatzlos aufgehoben wird. Entschiedene Sache liegt in diesem Fall nur hinsichtlich jener Tarifpost vor, die die Abgabenbehörde der ursprünglichen Festsetzung zugrunde gelegt hat (vgl. dazu erneut VwGH 11.9.1980, 2909/79, VwSlg. 5504/F).
17 Weitere Auswirkung der Einstufung der in der jeweiligen Tarifpost des § 14 GebG geregelten Gebühren als verschiedene Abgaben ist, dass ‑ wie in der Revision zutreffend vorgebracht ‑ die Sache des Verfahrens nur (jeweils) die nach der entsprechenden Tarifpost festgesetzte Gebühr ist. Die bei der Entscheidung über die ‑ gegen den Gebührenfestsetzungsbescheid ‑ erhobene Beschwerde bestehende Änderungsbefugnis des Bundesfinanzgerichtes ist daher auch durch diese Sache begrenzt (vgl. VwGH 13.6.2023, Ra 2020/16/0118; 2.2.2023, Ra 2020/13/0012, jeweils mwN), womit ‑ wie vorliegend ‑ die Festsetzung einer Gebühr nach einer anderen Tarifpost eine unzulässige (erstmalige) Vorschreibung einer anderen Abgabe darstellt (vgl. dazu Ritz/Koran, BAO7, § 279 Tz 11, sowie die dort angeführte Rechtsprechung; Stoll, BAO‑Kommentar 2800 f).
18 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher schon unter diesen Gesichtspunkten als inhaltlich rechtswidrig, weshalb es ‑ im Umfang der Anfechtung ‑ gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war. Auf das übrige Revisionsvorbringen braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden.
Wien, am 25. Juli 2023
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