Normen
UStG 1994 §1 Abs1 Z1
UStG 1994 §3a
UStG 1994 §4 Abs3
62000CJ0235 CSC Financial Services VORAB
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RO2020150018.J00
Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird im Umfang seines Spruchpunktes 1. (Aufhebung der Umsatzsteuerbescheide 2011 bis 2017 und Zurückverweisung der Sache an die belangte Behörde) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Die mitbeteiligte Partei, eine GmbH, betreibt eine Agentur im Bereich der häuslichen 24‑Stunden‑Personenbetreuung für pflegebedürftige Personen. Sie schloss jeweils schriftliche Vermittlungsverträge mit den betreuten Personen bzw. deren Angehörigen und schriftliche Organisationsverträge mit den Pflegekräften ab. Die von ihr aus diesen Verträgen vereinnahmten Vermittlungsprovisionen sowie gesonderten Entgelte für Verwaltung und Organisation unterzog sie jeweils der Umsatzsteuer, betrachtete aber die für die Personenbetreuungsleistungen geleisteten Entgelte als durchlaufende Posten.
2 Strittig ist die Stellung der Mitbeteiligten im Verhältnis zu den Pflegekräften einerseits und den betreuten Personen andererseits, und daraus folgend, ob die von den Pflegekräften erbrachten Personenbetreuungen umsatzsteuerlich als Eigengeschäfte der Mitbeteiligten zu werten sind oder ob die Mitbeteiligte als bloße Vermittlerin außerhalb des Leistungsaustausches der Personenbetreuung steht.
3 Nach den ‑ soweit für das Revisionsverfahren noch relevanten ‑ Ergebnissen einer bei der Mitbeteiligten durchgeführten Außenprüfung seien die in den Jahren 2011 bis 2017 von der Mitbeteiligten vereinnahmten Beträge für Personenbetreuung nicht als durchlaufende Posten aufgrund von Vermittlungsleistungen, sondern als Entgelte aus Eigengeschäften zu qualifizieren. Schriftliche Verträge zwischen den betreuten Personen einerseits und den Pflegekräften andererseits seien nicht abgeschlossen worden. Für das Vorhandensein eines mündlichen oder konkludenten „direkten“ Personenbetreuungsvertrags hätten keine Anhaltspunkte gefunden werden können. Eine mündliche Vereinbarung erscheine aufgrund der sprachlichen Divergenzen, der meist aus Rumänien stammenden Pflegekräfte, „kaum möglich“. Ein direkter Vertrag sei aber auch nicht notwendig gewesen, weil sowohl die Pflichten der Pflegekräfte als auch das Betreuungshonorar im Vermittlungsvertrag zwischen der Mitbeteiligten und der betreuten Person einerseits und im Organisationsvertrag zwischen der Mitbeteiligten und den Pflegekräften andererseits vereinbart worden seien.
4 Auch im Außenauftritt der Mitbeteiligten lasse sich ein Auftreten im fremden Namen und auf fremde Rechnung nicht mit gebotener Deutlichkeit ableiten.
5 Die Mitbeteiligte sei von ihrer steuerlichen Vertreterin ausdrücklich auf die Notwendigkeit eines Personenbetreuungsvertrags und die steuerlichen Folgen des Fehlens dieser Vereinbarung zwischen den zu betreuenden Personen und den Pflegekräften hingewiesen worden.
6 Bei dem von der Mitbeteiligten vereinnahmten Entgelt habe es sich auch deshalb nicht um einen durchlaufenden Posten gehandelt, weil das im Vermittlungsvertrag einerseits und im Organisationsvertrag andererseits angeführte Betreuungsentgelt nicht identisch gewesen sei. Die Mitbeteiligte habe nicht nur den sich aus dieser Vertragsgestaltung ergebenden Differenzbetrag der Betreuungsentgelte vereinnahmt, sondern sogar den Pflegekräften nach einer „Exklusivklausel“ im Organisationsvertrag untersagt, den betreuten Personen Auskunft über die Höhe ihres Entgelts zu geben. Darüber hinaus sei die Auszahlung des Honorars laut Organisationsvertrag unabhängig vom Zahlungseingang des Kunden erfolgt und habe die Mitbeteiligte das Bonitätsrisiko getragen.
7 In wirtschaftlicher Gesamtbetrachtung der erbrachten Leistung sowie aufgrund des Außenauftrittes der Mitbeteiligten, der Vertragslage und der Kundenerwartung liege eine Leistungskette vor. Die Mitbeteiligte habe ihre Leistung nicht nur im eigenen Namen, sondern auch auf eigene Rechnung nach Art eines Generalunternehmers angeboten und erbracht.
8 Darüber hinaus sei es zu Malversationen des Geschäftsführers der Mitbeteiligten gekommen. Er habe im Zeitraum 2011 bis 2014 widerrechtlich einen ‑ sich aus dem vor Monatsende erfolgten Ableben einer betreuten Person oder einer Vertragskündigung ergebenden ‑ Differenzbetrag im Ausmaß von zumindest 55.652,21 € (sohin durchschnittlich 11.100 € pro Jahr) nicht an die betreuten Personen bzw. deren Rechtsnachfolger zurückgezahlt, sondern in bar vom Bankkonto behoben.
9 Weiters sei es in den Jahren 2011 bis 2015 zur doppelten Verrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen und Wirtschaftskammerumlagen zu Lasten der Pflegekräfte gekommen.
10 Das Finanzamt folgte der Rechtsansicht des Prüforgans zum Vorliegen von Eigengeschäften der Mitbeteiligten und erließ im wiederaufgenommenen Verfahren entsprechende Sachbescheide betreffend die Umsatzsteuer 2011 bis 2017 sowie die Körperschaftsteuer 2011 bis 2016.
11 In der dagegen erhobenen Beschwerde wandte sich die Mitbeteiligte gegen die Beurteilung, wonach eine Vermittlungstätigkeit nicht gegeben sei. Sie führte jeweils mit näherer Begründung aus, dass aufgrund der Vermittlungsverträge (zwischen ihr und den betreuten Personen bzw. deren Angehörigen), der Organisationsverträge (zwischen ihr und den selbständigen Pflegekräften), den ihr von den Pflegekräften erteilten Bevollmächtigungen zum Inkasso und der Beauftragung mit den Abrechnungen gegenüber den betreuten Personen bzw. deren Angehörigen eine bloße Vermittlungsleistung vorliege und keine Besorgungsleistung im eigenen Namen. Auch eine Zurechnung der umsatzsteuerlichen Leistungen der Pflegekräfte an die Mitbeteiligte scheide aus. Entgegen der Ansicht des Finanzamtes sei konkludent ein Betreuungsvertrag zwischen den betreuten Personen und den jeweiligen Pflegekräften zustande gekommen. Ein schriftlicher Vertrag sei nach den gewerberechtlichen Erfordernissen nicht erforderlich. Im Übrigen verfüge die Revisionswerberin auch „nur“ über die Gewerbeberechtigung nach § 161 GewO für die „Organisation von Personenbetreuung“.
12 Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung vom 25. September 2018 stellte die Mitbeteiligte einen Vorlageantrag.
13 Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Bundesfinanzgericht die Umsatzsteuerbescheide 2011 bis 2017 gemäß § 278 BAO auf und verwies die Sache an die belangte Behörde zurück (Spruchpunkt 1.). Das Verfahren betreffend Körperschaftsteuer 2011 bis 2016 setzte es gemäß § 271 BAO aus (Spruchpunkt 2.).
14 Zum Inhalt der schriftlichen Vermittlungsverträge zwischen den betreuten Personen und der Mitbeteiligten stellte das Bundesfinanzgericht u.a. fest, es seien darin sowohl das von den betreuten Personen an die Mitbeteiligte einmalig zu leistende Vermittlungshonorar als auch der monatliche Honoraranspruch der Pflegekräfte vereinbart worden, wobei sich die Höhe des Honoraranspruchs der Pflegekraft nach dem von der Mitbeteiligten angebotenen pauschalen „Leistungspaket“ je nach Ausmaß des Betreuungsaufwands (Variante BASIS 1.960 €/Monat, Variante START 2.160 €/Monat für Pflegestufe bis 3, Variante STANDARD+ 2.360 €/Monat für Pflegestufe 4‑5, Variante PREMIUM+ 2.160 €/Monat für Pflegestufe 6‑7) gerichtet habe. Gegenüber dem Kunden sei das Honorar nur als Gesamtsumme ausgewiesen worden, in der neben dem Betreuungsentgelt auch die Sozialversicherungsbeiträge der Pflegekräfte sowie deren Fahrtkosten enthalten gewesen seien. Darüber hinaus habe der Vermittlungsvertrag auch Regelungen über Zahlungsbedingungen enthalten, wie etwa, dass die Mitbeteiligte das Inkasso für die Pflegekräfte durchführe. In einem Zusatz zum Vermittlungsvertrag sei das jeweilige Leistungspaket sowie die von der Mitbeteiligten zu erbringenden Leistungen (Aufsicht und Kontrolle der Pflegekräfte, Kontrolle des Tätigkeitsnachweises und Haushaltsbuch, Hilfestellung bei Ansuchen und Anträgen, Kontrolle des ordnungsgemäßen Ablaufs der Personenbetreuung) näher ausgeführt und weiters vereinbart worden, dass für diese administrativen Leistungen der Mitbeteiligten von den betreuten Personen im Zeitraum des aufrechten Vermittlungsverhältnisses ein monatliches, zahlenmäßig angeführtes Pauschalhonorar zu leisten sei.
15 Zum Inhalt der schriftlichen, das Rechtsverhältnis zwischen der Mitbeteiligten und den Pflegekräften regelnden Organisationsverträge stellte das Bundesfinanzgericht fest, dass darin u.a. die von der Pflegekraft zu erbringenden Leistungen, ihr Honoraranspruch bemessen nach einem Tagessatz (in der Höhe zwischen € 46,80 bis € 50,00) sowie der Honoraranspruch der Mitbeteiligten von 12 €/Tag für die von ihr gegenüber den Pflegekräften zu erbringenden Leistungen (etwa Unterstützung der Pflegekräfte bei Behördenwegen, Erledigung von Büro- und Verwaltungstätigkeiten, Anmeldung zur Sozialversicherung, Abfuhr der Beiträge, Abwicklung des Zahlungsverkehrs) vereinbart worden sei. Zudem habe der Organisationsvertrag eine Vereinbarung über die Einräumung einer Inkassovollmacht zugunsten der Mitbeteiligten als Machthaberin enthalten. Ab dem Jahr 2016 habe die Mitbeteiligte im Organisationsvertrag den Pflegekräften auch die Auszahlung ihres Entgeltes bei Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit des Kunden garantiert. In einem „Zusatz zum Vermittlungsvertrag zur verständlichen Erklärung“ sei den Pflegerinnen von der Mitbeteiligten u.a. die Höhe ihres monatlichen Honorars unter Zugrundelegung einer 31‑tägigen Einsatzdauer zur Kenntnis gebracht worden. In einem weiteren Vertragszusatz sei u.a. festgelegt worden, dass es den Pflegerinnen untersagt sei, den betreuten Personen Auskünfte über ihren Honoraranspruch zu erteilen. In einer „Exklusivzusatzklausel“ sei es den Pflegekräften auch unter Androhung einer Pönalezahlung verboten worden, den zu betreuenden Kunden ihre Leistung direkt oder indirekt (über Dritte) anzubieten.
16 Aufgrund der dargestellten Vertragslage sei die Mitbeteiligte berechtigt gewesen, Rechnungen über die erbrachten Pflegeleistungen im Namen der Pflegekräfte auszustellen und die darin ausgewiesenen Beträge namens der Rechnungsausstellenden einzuheben. Demgemäß habe die Mitbeteiligte bis März 2014 den Kunden monatliche Rechnungen über die erbrachten Betreuungsleistungen im Namen der jeweiligen Pflegekräfte sowie eine Rechnung im eigenen Namen über ihr Honorar ausgestellt. Ab April 2014 habe die Mitbeteiligte die Rechnungslegung geändert und nur noch eine monatliche Einzelrechnung unter Ausweis einer Gesamtsumme in ihrem Namen ausgestellt.
17 Schließlich stellte das Bundesfinanzgericht fest, dass die Mitbeteiligte bei Vertragsauflösungen oder Ableben von betreuten Personen akontierte Zahlungen („Überzahlungen“) der Kunden nicht an diese bzw. deren Rechtsnachfolger rückgeführt habe, sondern diese Beträge in den Jahren 2011 bis 2015 durch Barbehebung in den Machtbereich des Geschäftsführers der Mitbeteiligten gelangt seien.
18 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht zur Begründung im Wesentlichen aus, dass unstrittig kein schriftliches Vertragsverhältnis zwischen den Pflegekräften und den betreuten Personen vorgelegen habe. Ein mündliches Vertragsverhältnis könne das Gericht aufgrund der im Akt erliegenden Niederschriften über Zeugenaussagen im Rahmen der Betriebsprüfung nicht erkennen. Schließlich verneinte das Bundesfinanzgericht mit näherer Begründung auch das Zustandekommen eines konkludenten Vertrags zwischen den Pflegekräften und den betreuten Personen bzw. deren Angehörigen. Da ein unmittelbares Vertragsverhältnis zwischen den Pflegekräften und den betreuten Personen nicht bestanden habe, und ein nicht unerhebliches Maß an Unklarheit darüber herrsche, ob die Mitbeteiligte im eigenen oder fremden Namen gegenüber den betreuten Personen aufgetreten sei, käme dem Innenverhältnis und dem wirtschaftlichen Hintergrund der Leistungsbeziehungen maßgebliche Bedeutung zu.
19 Aufgrund der von der Mitbeteiligten gewählten, für ihre Vertragspartner intransparenten Vorgehensweise sei es ihr möglich gewesen, die im Bericht über die Außenprüfung dargestellten Malversationen zu begehen. Allerdings würde die Doppelverrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen und Kammerumlagen zu Lasten der Pflegekräfte einen Verstoß gegen die von der Mitbeteiligten aus dem Organisationsvertrag geschuldeten und gesondert entlohnten Administrativleistungen begründen, nicht aber die Vermittlungs- oder Betreuungsleistungen berühren.
20 Hinsichtlich der vom Geschäftsführer der Mitbeteiligten bis zum Jahr 2015 vertragswidrig vereinnahmten und nicht an die betreuten Personen zurückbezahlten „Überzahlungen“ aufgrund von vor Monatsende erfolgtem Ableben der betreuten Person oder Vertragsauflösung, ging das Bundesfinanzgericht hingegen davon aus, dass die Mitbeteiligte damit eine Chance ausgenützt habe, die darauf ausgerichtet gewesen sei, neben den „regulären“ Vermittlungsprovisionen eine weitere „Gewinntangente“ zu lukrieren. Sie habe ihre Position als Vermittlerin missbraucht und nachhaltig Gelder im Zusammenhang mit der vermittelten Betreuungsleistung „in die eigene Tasche erwirtschaftet“. Der Mitbeteiligten komme daher nicht mehr die Stellung eines Vermittlers zu, sondern sie müsse sich das vermittelte Geschäft umsatzsteuerlich als Eigenleistung zurechnen lassen. Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichts seien aber nicht sämtliche Umsätze, die auf Leistungen der Pflegekräfte entfielen, als Eigenleistung zuzurechnen und in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer einzubeziehen, sondern nur jene von den betreuten Personen geleisteten Jahresentgelte, deren Verträge infolge Ablebens oder Kündigung aufgelöst worden waren und deren „Überzahlungen“ widerrechtlich einbehalten worden seien. Hingegen sei für jene Kunden, die keine „Überzahlungen“ geleistet hatten und deren Betreuungsentgelte sohin nicht in der Vermögenssphäre der Mitbeteiligten verblieben seien, keine Zurechnung vorzunehmen, weil „unter Zugrundelegung der im Betriebsprüfungsbericht getroffenen Feststellungen“ nicht davon auszugehen sei, dass die Mitbeteiligte diesbezüglich in die eigene Tasche gewirtschaftet bzw. eine sich aus der Vermittlung ergebende Marktchance ausgenützt habe.
21 Im Hinblick darauf, dass sich die Ausmittelung der Beträge, welche der Mitbeteiligten als Eigenleistung zuzurechnen seien, anhand der dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Unterlagen nicht vornehmen lasse, sich die dafür erforderlichen Dokumente in Gewahrsam der belangten Behörde befänden und deren Auswertung unter Mitwirkung des bereits beigezogenen Prüforgans rascher erfolgen könne, lägen die Voraussetzungen für die Aufhebung der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2011 bis 2017 unter Zurückverweisung an die Abgabenbehörde gemäß § 278 Abs. 1 BAO vor.
22 Das Bundesfinanzgericht ließ die Revision zu Spruchpunkt 1. seines Beschlusses mit der Begründung zu, die „Beurteilung der Rechtsfrage, die als Grundlage für die Aufhebung und Zurückverweisung der bekämpften Bescheide diente“, sei in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher nicht einheitlich gelöst worden.
23 Gegen diesen Beschluss richtet sich die Revision des Finanzamtes, zu der die Mitbeteiligte eine als Revisionsbeantwortung zu wertende Stellungnahme erstattete.
24 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
25 Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 unterliegen u.a. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer.
26 Nach § 4 Abs. 1 UStG 1994 wird im Falle des § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 der Umsatz nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung aufzuwenden hat, um die Lieferung oder sonstige Leistung zu erhalten.
27 Nach § 4 Abs. 3 UStG 1994 gehören die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten) nicht zum Entgelt.
28 Ein durchlaufender Posten kann nicht angenommen werden, wenn der Unternehmer selbst in einen Leistungsaustausch eingeschaltet ist (Ruppe/Achatz, UStG5, § 4 Tz 129; vgl. etwa VwGH 18.12.2017, Ra 2017/15/0026, mwN). Auf dem Gebiet der Umsatzsteuer sind Leistungen dem zuzurechnen, der sie im eigenen Namen erbringt; Leistender ist, wer im Außenverhältnis zur Leistungserbringung verpflichtet ist. Bei einer Einschaltung Dritter ist sorgfältig zu prüfen, ob der Dritte bloß ausführendes Organ im Zusammenhang mit einem „fremden“ Leistungsaustausch ist, ob er durch die Gestaltung Zurechnungssubjekt des Leistungsaustausches wird oder ob (zumindest) zwischen ihm und dem Unternehmer (Leistungsempfänger) eine eigene Leistungsbeziehung entsteht, die möglicherweise zu einem zweiten Leistungsaustausch führt (vgl. VwGH 18.12.2017, Ro 2017/15/0012, mwN).
29 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezieht sich der Begriff „Vermittlung“ auf eine Tätigkeit, die von einer Mittelsperson ausgeübt wird, die nicht den Platz einer Partei des vermittelten Vertrages einnimmt und deren Tätigkeit sich von den typischen vertraglichen Leistungen unterscheidet, die von den Parteien des vermittelten Vertrages erbracht werden. Die Vermittlungstätigkeit ist eine Dienstleistung, die einer Vertragspartei erbracht und von dieser als eigenständige Mittlertätigkeit vergütet wird. Sie kann u.a. darin bestehen, der Vertragspartei die Gelegenheiten zum Abschluss eines solchen Vertrags nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder im Namen und für Rechnung des Kunden über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln. Zweck dieser Tätigkeit ist es also, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse am Inhalt des Vertrags hat. Dagegen handelt es sich nicht um eine Vermittlungstätigkeit, wenn eine der Vertragsparteien einen Subunternehmer mit einem Teil der mit dem Vertrag verbundenen Sacharbeit betraut (vgl. VwGH 24.1.2022, Ra 2021/13/0068; 22.11.2017, Ra 2017/13/0059; und 23.11.2016, Ra 2014/15/0056, jeweils mwN aus der Rechtsprechung des EuGH).
30 Strittig ist im vorliegenden Fall die Leistungszurechnung der von den Pflegekräften erbrachten Leistungen im Bereich der 24‑Stunden‑Personenbetreuung an die Mitbeteiligte.
31 Der angefochtene Beschluss beruht auf der Annahme, dass sich die Mitbeteiligte (ausschließlich) in jenen ‑ jedoch nach den Ermittlungen der belangten Behörde nicht abgrenzbaren ‑ Fällen in den Leistungsaustausch eingemengt habe, in denen sie sich akontierte Zahlungen („Überzahlungen“) nach Ableben der betreuten Person oder Vertragskündigung angeeignet habe, weshalb sie sich diese Geschäfte umsatzsteuerlich als Eigengeschäfte zurechnen lassen müsse.
32 Dazu wird in der Amtsrevision vorgebracht, der Beschluss des Bundesfinanzgerichts sei mit einem Verfahrensmangel belastet, weil er ohne nähere Begründung ein Beweismittel unberücksichtigt gelassen habe. Das Finanzamt habe nämlich unter Bezugnahme auf eine näher bezeichnete Beilage zum Prüfungsbericht vorgebracht, dass sich die mitbeteiligte Partei nicht nur bei Ableben der betreuten Personen oder Vertragskündigung, sondern in Bezug auf sämtliche Betreuungsfälle in den Leistungsaustausch zwischen den Pflegekräften und den betreuten Personen eingemengt habe, weil es in jedem einzelnen Fall zu einem aufgrund der Vertragslage systemimmanenten Auseinanderklaffen des Kundenpreises und der tatsächlich an die Pflegekräfte ausbezahlten Honorarbeträge (nach Abzug von Sozialversicherungs- und Fahrtkosten pro Tag) gekommen sei.
33 Mit diesem Vorbringen ist die Revision im Recht.
34 Das Bundesfinanzgericht hat sich weder mit diesem Vorbringen noch dem dazu vorgelegten Beweismittel auseinandergesetzt. Die im angefochtenen Beschluss getroffenen Annahme, es sei nur bei einem Teil der Betreuungsverhältnisse ‑ nämlich ausschließlich bei Ableben der betreuten Person und Vertragskündigungen ‑ durch die Vereinnahmung von akontierten Zahlungen („Überzahlungen“) gegenüber den Kunden zu einem Einmischen in eine fremde Leistungsbeziehung durch die Mitbeteiligte gekommen, entbehrt einer nachvollziehbaren Begründung. Dass ‑ wie das Bundesfinanzgericht lediglich pauschal ausführt ‑ eine Zurechnung sämtlicher auf die Leistungen der Pflegekräfte entfallenden Umsätze als Eigenleistungen der Mitbeteiligten „überschießend“ wäre, zumal die tatsächlichen Leistungen nicht von ihr erbracht und die Pflegekräfte auch dafür entlohnt worden seien, ist nicht geeignet, dem substanziierten, unter Bezugnahme auf Beweismittel erstatteten Vorbringen des Finanzamts zu begegnen. Mit dem entscheidungswesentlichen Vorbringen, wonach ‑ wie sich aus dem „Auseinanderklaffen“ der Entgeltvereinbarungen in den Vermittlungs- und Organisationsverträgen (Verrechnung eines monatlichen Leistungspakets an die betreuten Personen vs. Abrechnung von Tagessätzen mit den Pflegekräften) sowie der angesprochenen Beilage zum Prüfungsbericht ergäbe ‑ in jedem einzelnen Fall Betreuungsentgelte in der Vermögenssphäre der Mitbeteiligten verblieben seien und die Mitbeteiligte sogar (zumindest für das Jahr 2016) gegenüber den Pflegekräften das Risiko des Zahlungsausfalls durch Garantiezusage des Entgelts übernommen habe, was jeweils eine umsatzsteuerliche Behandlung der Personenbetreuungsleistungen als Eigengeschäfte indizieren würde, hat sich das Bundesfinanzgericht fallbezogen nicht ausreichend auseinander gesetzt. In einer solchen Fallkonstellation könnte nämlich nicht gesagt werden, dass die Mitbeteiligte außerhalb eines nur zwischen den Pflegekräften und den betreuten Personen bzw. deren Angehörigen stattfindenden Leistungsaustausches stünde, um das Vorliegen durchlaufender Posten bejahen zu können (vgl. zum Einmischen in den Leistungsaustausch neuerlich VwGH 18.12.2017, Ra 2017/15/0026; und 15.6.2005, 2002/13/0104).
35 Darüber hinaus übersieht die vom Bundesfinanzgericht vorgenommene Differenzierung der Betreuungsfälle, dass es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Annahme eines durchlaufenden Postens entgegensteht, wenn den zahlungspflichtigen betreuten Personen bzw. deren Angehörigen die exakte Höhe jenes Betrages aus ihren laufenden Zahlungen, der an die betreuenden Pflegekräfte gezahlt wird, nicht bekannt ist (vgl. zu durchlaufenden Posten bei Lotterievertriebsgesellschaften VwGH 29.7.2010, 2008/15/0272; 24.10.2013, 2011/15/0053). Damit hat sich das Bundesfinanzgericht in Verkennung der Rechtslage nicht auseinandergesetzt und somit auch aus diesem Grund seinen Beschluss mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet.
36 Der angefochtene Beschluss erweist sich daher als mit (prävalierender) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er im Umfang seines Spruchpunktes 1. gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
37 Gegen die mit Spruchpunkt 2. des angefochtenen Beschlusses erfolgte Aussetzung des Verfahrens betreffend Körperschaftsteuer 2011 bis 2016 enthält die Revision keine Ausführungen, weshalb sie insoweit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen war.
38 Von der Durchführung der von der mitbeteiligten Partei beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 und Z 4 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 6. September 2023
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