Normen
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020130049.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Im Zuge einer beim Revisionswerber - einem im Baugewerbe tätigen Einzelunternehmer - im Jahr 2012 durchgeführten Umsatzsteuerprüfung betreffend den Zeitraum Jänner bis November 2011 wurden fünf ‑ im Zeitraum März bis Juli 2011 ausgestellte ‑ Eingangsrechnungen der U GmbH über die Lieferung näher spezifizierter Mehrschichtplatten (in Folge: Platten) vorgefunden. Da der Verdacht bestehe, den von der U GmbH erstellten Rechnungen seien keine Leistungen zugrunde gelegen (kein Nachweis der Warenbewegung, keine schriftlichen Bestellungen bzw. Auftragsbestätigungen, kein Unternehmenssitz der U GmbH an deren Firmenadresse), sei der Vorsteuerabzug hinsichtlich dieser Rechnungen zu versagen.
2 Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und setzte die Umsatzsteuer für den Zeitraum März bis Juli 2011 entsprechend fest. Der Revisionswerber erhob dagegen Berufung.
3 Mit Bescheid vom 5. Februar 2013 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für das Jahr 2011 entsprechend den Prüfungsfeststellungen ‑ unter Versagung des Vorsteuerabzugs hinsichtlich der von der U GmbH ausgestellten Rechnungen ‑ fest.
4 Mit dem am selben Tag ergangenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 wurde die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für die in den Rechnungen der U GmbH ausgewiesenen Platten als Betriebsausgaben unter Hinweis auf die Prüfungsfeststellungen versagt. Der Revisionswerber erhob dagegen Berufung.
5 Das Finanzamt wies die Berufung gegen den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid für den Zeitraum März bis Juli 2011 ‑ der gemäß § 274 BAO idF vor dem FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, als auch gegen den Umsatzsteuerbescheid 2011 gerichtet gegolten habe ‑ und die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 mit gesonderten Berufungsvorentscheidungen als unbegründet ab. Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Berufungen an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das nunmehr an ihre Stelle getretene Bundesfinanzgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerden gegen den Umsatz- und Einkommensteuerbescheid 2011 als unbegründet ab, wobei es die beiden Abgaben abweichend von den ergangenen Bescheiden neu festsetzte. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
7 Das Bundesfinanzgericht führte im Wesentlichen aus, es stoße aus folgenden Gründen auf keine Bedenken, wenn die Behörde hinsichtlich der U GmbH von einem wirtschaftlich nicht tätigen Unternehmen ausgegangen sei:
8 Die U GmbH habe keine Geschäftstätigkeit unter ihrer angegebenen Sitzadresse, die der Revisionswerber nicht aufgesucht habe, betrieben; an dieser Adresse sei lediglich ein Postfach gemietet worden. Die Geschäftsbeziehung zur U GmbH sei vom Revisionswerber auf Empfehlung eines nicht benannten Arbeiters der P GmbH, deren alleiniger Gesellschafter‑Geschäftsführer der Revisionswerber sei, aufgenommen worden. Es seien keine Referenzen verlangt und keine Überprüfungshandlungen gesetzt worden. Die vom Revisionsweber behauptete UID‑Abfrage sei nicht belegt worden, es sei davon auszugehen, dass diese nicht stattgefunden habe.
9 Als schriftliche Unterlagen über die von der U GmbH vorgeblich durchgeführten Lieferungen seien lediglich die Rechnungen und zwei Lieferscheine, die nach den Angaben des Revisionswerbers in einem nicht mehr verwendeten LKW der P GmbH aufgefunden worden seien und keine Übernahmebestätigung aufweisen würden, vorhanden. Den Angaben der steuerlichen Vertretung des Revisionswerbers zufolge seien Lieferungen der U GmbH an die P GmbH trotz telefonischer Urgenzen ohne Lieferscheine erfolgt.
10 Der Revisionswerber habe angegeben, bei einem Baustellenprojekt mit Baubeginn im Jänner 2011 seien auch von der B und M GmbH bezogene Platten verwendet worden, weil die Lieferung der Platten durch die U GmbH erst im Juni 2011 erfolgt sei. Demgegenüber habe die B und M GmbH die Auskunft erteilt, der Revisionswerber habe von ihr keine Platten bezogen. Die Angaben des Revisionswerbers seien daher unzutreffend und es bleibe im Dunkeln, mit welchen und von wem gelieferten Platten diese Baustelle abgesichert worden sei.
11 Die U GmbH habe nach den beanstandeten Rechnungen die Platten zugeschnitten geliefert und für den Zuschnitt einen pauschalen Preis in Höhe von 15 % des Gesamtwertes sämtlicher Platten verrechnet. Aufzeichnungen über die Zuschnitt‑Maße seien vom Revisionswerber nicht vorgelegt worden. Der Revisionswerber habe dazu angegeben, ein Zuschnitt der Platten habe aufgrund der Lärm- und Staubentwicklung sowie mangels Platz nicht auf der jeweiligen Baustelle erfolgen können, zudem sei die Zeitersparnis durch passgenaue Platten enorm gewesen. Demgegenüber habe ein Dienstnehmer des Revisionswerbers angegeben, dass die Platten nicht genau hätten passen müssen und diese auch auf der Baustelle zugeschnitten worden seien. Es sei daher aufgrund der widersprüchlichen Aussagen nicht glaubwürdig, dass für Zuschnitte erforderliche Messungen vor Ort erfolgt und dem Lieferanten übermittelt worden seien.
12 Bei einem der Bauprojekte, bei dem vorgeblich von der U GmbH gelieferte Platten eingesetzt worden seien, habe der Kostenaufwand für die bezogenen Platten knapp 44 % des gesamten Auftragswertes ausgemacht, womit der verbleibende Anteil der restlichen Kosten unglaubwürdig niedrig sei. Die ebenfalls angefallenen (an den Auftraggeber weiterverrechneten) Kosten der Entsorgung hätten sich zum weitaus überwiegenden Teil auf die ausgetauschte PVC‑Isolierung bezogen, womit Kosten der Entsorgung nicht mehr verwendbarer Platten, sofern diese tatsächlich erfolgt wäre, nicht abgegolten worden wären. Nachweise über die Entsorgung von Platten durch die E Ltd. lägen generell nicht vor, entsprechende Unterlagen seien nicht mehr vorhanden.
13 Zu diesen Unstimmigkeiten würden umfangreiche Ermittlungsergebnisse sowie Gerichtsurteile hinsichtlich der U GmbH und der für sie handelnden Personen hinzutreten. Der eingetragene Geschäftsführer der U GmbH sei unter einer falschen Identität mit einem gefälschten Reisepass aufgetreten und habe ‑ als Strohmann des wahren Machthabers ‑ lediglich Gelder von Konten der U GmbH behoben. Der wahre Machthaber der U GmbH habe u.a. zugestanden, Scheinrechnungen für die U GmbH ‑ auch an andere Unternehmen ‑ ausgestellt und dafür einen Prozentsatz des Rechnungsbetrages erhalten zu haben, der Buchhalter der U GmbH habe auf seine Anweisung falsche Dienstnehmeran‑ und ‑abmeldungen vorgenommen. Diese Personen seien alle rechtskräftig strafrechtlich verurteilt worden. Diesen gerichtlich festgestellten Tatsachen folgend sei davon auszugehen, dass die U GmbH keine Leistungen erbracht habe, somit nicht operativ tätig gewesen sei und der handelnde Machthaber nur als Scheinrechnungen zu beurteilende Rechnungen ausgestellt habe.
14 Zusammenfassend gehe das Bundesfinanzgericht davon aus, dass der Revisionswerber auf Baustellen Platten verwendet habe, die U GmbH jedoch keine derartigen Platten an ihn geliefert habe. Es sei unbekannt, von welchem Lieferanten die Platten bezogen worden seien, wobei auch hinsichtlich der Menge und Spezifikation der Platten erhebliche Zweifel bestünden. Erhebungen bei einem der größten Hersteller derartiger Platten hätten ergeben, dass Mehrschichtplatten zwischen 25 bis zu 250 Mal eingesetzt werden könnten. Es sei daher davon auszugehen, dass der Revisionswerber die Platten oftmals wiederverwendet habe. Die Vorsteuer aus den Rechnungen der U GmbH sei daher nicht abzugsfähig, weil diese Gesellschaft nicht Erbringerin dieser Lieferungen gewesen sei und dieser Umstand dem Revisionswerber voll bewusst gewesen sei.
15 Zur Nichtanerkennung der geltend gemachten Aufwendungen für den Bezug der Platten als Betriebsausgabe gemäß § 162 BAO führte das Bundesfinanzgericht aus, die im Ermessen liegende Aufforderung zur Bekanntgabe des tatsächlichen Empfängers der abgesetzten Beträge sei aufgrund der Erkenntnisse über die U GmbH gerechtfertigt. Der Revisionswerber habe keine weiteren Auskünfte dazu gegeben, womit die Aufwendungen nicht anzuerkennen gewesen seien.
16 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 25. Februar 2020, E 2577/2019‑13, E 2589/2019‑12, abgelehnt und sie über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 20. März 2020, E 2577/2019‑15, E 2589/2019‑14, gemäß Art. 144 Abs. 3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
17 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
18 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
19 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
20 Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst im Wesentlichen vorgebracht, das Bundesfinanzgericht habe in Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Beweislast hinsichtlich der Plattenlieferungen durch die U GmbH dem Revisionswerber auferlegt. Das Bundesfinanzgericht habe zudem keine substantiierten Feststellungen zur „Scheinunternehmereigenschaft“ der U GmbH getroffen und selbst wenn es sich bei der U GmbH um ein Scheinunternehmen gehandelt haben sollte, sei dieser Umstand dem Revisionswerber weder bekannt gewesen noch habe ihm dies bekannt sein müssen: Vor Aufnahme der Geschäftsbeziehung mit der U GmbH habe nämlich ein Mitarbeiter des Revisionswerbers die Eintragungen im Firmenbuch und die UID‑Nummer überprüft. Da die U GmbH für ein angemessenes Entgelt sämtliche Arbeiten ordnungsgemäß erbracht habe, seien keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Betrugs- oder Scheinfirma erkennbar gewesen.
21 Das Bundesfinanzgericht hat entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers keine Beweislastumkehr angenommen, sondern zur Frage der vorgeblichen Lieferungen die (positive) Feststellung getroffen, die U GmbH habe keine Platten an den Revisionsweber geliefert und die ausgestellten Rechnungen seien Scheinrechnungen gewesen (vgl. dazu VwGH 11.11.2022, Ra 2022/13/0006, mwN). Diesen Feststellungen, die u.a. auf die im gegen den wahren Machthaber der U GmbH geführten Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse ‑ etwa, dass der Machthaber nach eigener Aussage Scheinrechnungen im Namen der U GmbH gegen Provision ausgestellt und die U GmbH keine geschäftliche Tätigkeit entfaltet habe ‑ gestützt waren, tritt der Revisionswerber nicht substantiiert entgegen.
22 Vor diesem Hintergrund ist die in der Revision angesprochene „Scheinunternehmereigenschaft“ der U GmbH ‑ sowie die weiteren darauf bezogenen Ausführungen des Revisionswerbers, etwa zur Publizitätswirkung der Firmenbucheintragung ‑ nicht von Relevanz, hat doch das Bundesfinanzgericht seine Entscheidung nicht darauf gestützt, dass die U GmbH ein „Scheinunternehmen“ oder nicht „existent“ gewesen sei, sondern darauf, dass Plattenlieferungen vorgetäuscht und darauf bezogene Rechnungen (und Lieferscheine) nur zum Schein erstellt worden seien.
23 Was die geltend gemachten Begründungsmängel betrifft, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Begründung eines Erkenntnisses insbesondere erkennen lassen muss, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen das Verwaltungsgericht zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt, und aus welchen Gründen die Subsumtion des Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet wird (vgl. VwGH 28.12.2022, Ra 2020/13/0014, mwN). Da dem angefochtenen Erkenntnis hinreichend klar zu entnehmen ist, aus welchen Gründen das Bundesfinanzgericht von welchem Sachverhalt ausgegangen ist und welche Rechtsfolgen es daraus ableitet, entspricht das Erkenntnis den genannten Anforderungen. Der behauptete Begründungsmangel liegt nicht vor.
24 Soweit der Revisionswerber vorbringt, das Bundesfinanzgericht habe die vorgebrachten und beantragten Beweise, die zu seinen Gunsten sprechen würden, ohne Begründung völlig unberücksichtigt gelassen, legt er weder offen, um welche Beweise es sich dabei handelt, noch die Relevanz deren ‑ behaupteten ‑ Nichtberücksichtigung für den Ausgang des Verfahrens.
25 Der Revisionswerber erblickt abschließend eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass die Bestimmung des § 162 BAO aus den Gründen des § 4 Abs. 1 BAO de facto „totes Recht“ sei, weil ein darauf gestützter Abgabenanspruch erst mit der Nichtbefolgung des Auskunftsverlangens entstehe und zu dieser Frage keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege. Diesem Vorbringen ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen zu halten, wonach die Rechtswirkungen des § 162 BAO in jenem Veranlagungszeitraum eintreten, in dem die fraglichen Aufwendungen angefallen sind (vgl. VwGH 27.11.2020, Ro 2020/15/0019; 9.6.2020, Ra 2020/13/0001).
26 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
27 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 6. März 2023
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