VwGH Ra 2020/13/0040

VwGHRa 2020/13/00403.6.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der S Gesellschaft mbH in L, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Steuerberater in 1220 Wien, Stadlauer Straße 39/1/Top 12, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 25. März 2020, Zl. RV/7106143/2019, betreffend Umsatzsteuer 2014 und 2015, den Beschluss gefasst:

Normen

BAO §167 Abs2
B-VG Art133 Abs4
UStG 1994 Anh Art7 Abs4
UStG 1994 §12 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020130040.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 553,20 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin ist im Geschäftszweig Handel tätig. Bei einer Außenprüfung betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2014 und 2015 wurde die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Getränkelieferungen an die B s. r.o., Slowakei (im Folgenden: B), in Höhe von € 377.161,92 (2014) und € 613.735,79 (2015) und an die I s. r. o., Slowakei (im Folgenden: I), in Höhe von € 173.914,97 (2015) nicht anerkannt. Weiters wurde der Vorsteuerabzug in Höhe von € 56.574,29 (2014) und € 92.060,37 (2015) für Wareneinkäufe im Zusammenhang mit den Lieferungen an die B nicht gewährt. Im Prüfungsbericht wurde dazu ausgeführt, dass hinsichtlich der Lieferungen an die B und die I die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht erfüllt bzw. die Buchnachweise mangelhaft seien. Weiters seien die an die B fakturierten Waren nicht in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbracht worden, sondern in Österreich verblieben. Dies hätte die Revisionswerberin erkennen müssen.

2 Das Finanzamt folgte der Außenprüfung und erließ entsprechende Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2014 und 2015.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung ab. Die Revisionswerberin stellte einen Vorlageantrag. Das Bundesfinanzgericht beraumte mit Ladung vom 21. Jänner 2020 für den 11. März 2020 die von der Revisionswerberin beantragte mündliche Verhandlung an. Mit verfahrensleitendem Beschluss vom 31. Jänner 2020 gab das Bundesfinanzgericht einem Vertagungsersuchen der Revisionswerberin nicht statt. Mit Schreiben vom 10. März 2020 zog die Revisionswerberin ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges führte es aus, gemäß Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 sei, wenn der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt habe, obwohl die Voraussetzungen nach Abs. 1 nicht vorliegen, die Lieferung dennoch als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht habe und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht habe erkennen können. Gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 in der in den Revisionsjahren geltenden Fassung entfalle das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Unternehmer gewusst habe oder hätte wissen müssen, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen stehe. Dies gelte insbesondere auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betreffe.

5 Welche Maßnahmen vernünftigerweise von einem Steuerpflichtigen, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, verlangt werden könnten, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, dass seine Umsätze nicht in einen Betrug einbezogen seien, hänge von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Hier gelte allgemein, dass die Sorgfaltspflicht des Unternehmers umso höher sein müsse, je ungewöhnlicher ein Sachverhalt im Vergleich zu den Usancen der betreffenden Branche gelagert sei. Schließe der Unternehmer bei Vorliegen untypischer Verhältnisse das Geschäft ohne weitere Nachforschungen ab und zeigten die weitergehenden Ermittlungen der Finanzverwaltung, dass ein Fall von Steuerbetrug vorliege, sei ein Gutglaubensschutz regelmäßig ausgeschlossen. Die Außenprüfung habe im Bericht und in der Stellungnahme zur Beschwerde unter Hinweis auf Sachverhaltsermittlungen u. a. des Finanzamtes Linz festgestellt, dass die an die B fakturierten Getränke nicht in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbracht worden seien und aus näher dargelegten Gründen zu folgern sei, dass die Revisionswerberin vom Umsatzsteuerbetrug bzw. von den steuerlichen Malversationen durch die B gewusst habe oder habe wissen müssen. Die Ermittlungen des Finanzamtes Linz hätten ergeben, dass KY, der gegenüber der Revisionswerberin auch als Vertreter der B aufgetreten sei, ihm zuzurechnende Firmen, darunter die B, dazu verwendet habe, Umsatzsteuerbetrug zu begehen. Die von der Revisionswerberin an die B umsatzsteuerfrei fakturierten Waren seien, ohne Österreich zu verlassen, direkt zu einem Abnehmer in Österreich, zB die D GmbH transportiert worden. Durch das Vortäuschen innergemeinschaftlicher Lieferungen in die Slowakei hätten die Waren umsatzsteuerfrei in den Fakturierungskreislauf der unter dem Einfluss des KY stehenden Firmen gelangen können. Die im Fakturierungskreislauf in Rechnung gestellte Umsatzsteuer sei nicht an das Finanzamt abgeführt worden.

6 Dabei handle es sich ‑ entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ‑ nicht um ein geheimes Beweismittel, sondern um den auf Ermittlungen der Finanzverwaltung basierenden objektiven Umstand, dass die in Rede stehenden Umsätze der Revisionswerberin in eine auf einer nachfolgenden Umsatzstufe begangene Steuerhinterziehung einbezogen worden seien. Dieser Umstand sei auch gegenüber der Revisionswerberin nicht geheim geblieben, weil im Bericht und in der Stellungnahme der Außenprüfung ausdrücklich der von der Geschäftspartnerin der Revisionswerberin, der B, bzw. von dem für diese auftretenden KY begangene, durch die Prüfungshandlungen der Finanzverwaltung festgestellte Umsatzsteuerbetrug angesprochen worden sei. Dass die Betrugshandlungen des KY im Bericht nicht in ihren Einzelheiten dargestellt worden seien, ändere daran nichts. Durch die Bezugnahme auf einen „Umsatzsteuerbetrug“ werde deutlich zum Ausdruck gebracht, dass mit einem Umsatzsteuerausfall verbundene Betrugshandlungen begangen worden seien. Entscheidend für die hier strittigen Fragen sei, ob die Revisionswerberin, die sich das Wissen ihres Geschäftsführers sowie die dienstlichen Kenntnisse ihrer übrigen Mitarbeiter zurechnen lassen müsse, von der Einbeziehung der von ihr getätigten Umsätze in diesen Umsatzsteuerbetrug gewusst habe oder hätte wissen müssen. Dazu habe die Außenprüfung umfangreiche Ermittlungen durchgeführt.

7 Das Bundesfinanzgericht stellte fest, dass die Revisionswerberin von etwa März 2014 bis Juli 2015 in Geschäftsbeziehung zur B gestanden sei, für die KY gegenüber der Revisionswerberin aufgetreten sei. Die an die B ausgeführten Getränkelieferungen habe die Revisionswerberin als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen (in die Slowakei) behandelt. Zusammenfassende Meldungen für den Zeitraum März 2014 bis Juli 2015 seien erst im September 2015, nach Beginn der Ermittlungen des Finanzamtes Linz, eingereicht worden. Im Zusammenhang mit den Getränkelieferungen an die B seien Vorsteuern geltend gemacht worden. Die an die B verkauften Getränke seien von Spediteuren bzw. Frachtführern im Betrieb der Revisionswerberin abgeholt worden. Die Revisionswerberin habe beim Buchnachweis u.a. die systeminternen Lieferscheine und die Frachtbriefe abgelegt. Zwischen den auf den Lieferscheinen enthaltenen Angaben und jenen auf den Frachtbriefen bestünden Abweichungen: das auf den Lieferscheinen vermerkte (inländische) Kennzeichen des abholenden Kfz sei ein anderes als das auf den jeweiligen Frachtbriefen vermerkte, meist ausländische Kennzeichen. Aus der Auswertung der Mautaufzeichnungen ergebe sich, dass die auf den Frachtbriefen vermerkten Kfz mit ausländischem Kennzeichen in Österreich bzw. im Großraum W zu den fraglichen Zeiträumen nicht unterwegs gewesen seien. In einer Email vom 13. Oktober 2014 habe KY als Vertreter der B die Revisionswerberin um Kundenschutz für zwei Firmen (G GmbH und D GmbH) ersucht, die die B in Österreich beliefere. In einer Antwortmail vom 24. November 2014 habe eine Mitarbeiterin der Revisionswerberin aus der Leitung Logistik ersucht, die Adressen dieser Kunden zu übermitteln, um eine Anweisung schreiben zu können, falls sich eine dieser Firmen bei der Revisionswerberin melde. Ein im Ordner mit den Buchnachweisen vorgefundener Frachtbrief mit der handschriftlichen Nummer 52 nenne als Absender die Revisionswerberin und als Empfänger die G GmbH in Österreich. In einigen Fällen sei im Feld 3 des Frachtbriefs als Auslieferungsort des Gutes „W“ eingetragen. Die B habe die Rechnungen der Revisionswerberin häufig im Wege der Bareinzahlung auf ein Konto bei einer österreichischen Bank beglichen. Diese von der Außenprüfung im Bericht und in der Stellungnahme zur Beschwerde aufgezeigten Umstände ließen jedenfalls auf ein Wissenmüssen der Revisionswerberin um die umsatzsteuerlichen Malversationen der B bzw. des KY schließen.

8 Vom Bundesfinanzgericht werden sodann ausführlich mehrere Beispiele für Unregelmäßigkeiten und Ungereimtheiten dargestellt. Im Anschluss daran führt es aus, dass all diese Umstände vernünftigerweise Anlass dafür gewesen wären, die Liefervorgänge ‑ im Hinblick auf die von Anfang an gegebenen Abweichungen zwischen Frachtbriefen und Lieferscheinen von der ersten Lieferung an ‑ zu hinterfragen und von der Abnehmerin Aufklärung zu verlangen. Bei Anwendung der auf Grund der angeführten Verdachtsmomente gebotenen Sorgfalt hätte sich die Revisionswerberin Klarheit darüber verschaffen müssen, dass die an die B fakturierten Waren nicht in einen Umsatzsteuerbetrug einbezogen worden seien. Die Revisionswerberin habe dadurch, dass sie ‑ für sie jedenfalls erkennbar ‑ den Angaben auf den Lieferscheinen widersprechende Frachtbriefe als Nachweis für eine Beförderung in das übrige Gemeinschaftsgebiet akzeptiert bzw. zum Buchnachweis genommen sowie ihr zumutbare Nachforschungen unterlassen habe, auffallend sorglos gehandelt und solcherart zum Funktionieren des Betrugsmodells beigetragen. Zu Recht weise die Außenprüfung auch darauf hin, dass die Revisionswerberin mit der verspäteten, erst im September 2015 ‑ und, wie der Prüfer in seiner Stellungnahme festhalte, erst nach Beginn der Ermittlungen durch das Finanzamt Linz ‑ erfolgten Abgabe Zusammenfassender Meldungen für den Zeitraum März 2014 bis Juli 2015, in welchen die mit der B getätigten Umsätze fielen, die Entdeckung des Umsatzsteuerbetrugs erschwert habe.

9 Da die Revisionswerberin zumindest hätte wissen müssen, dass die von ihr an die B verkauften Getränke in umsatzsteuerliche Malversationen einbezogen gewesen seien, habe das Finanzamt hinsichtlich der Lieferungen an die B zu Recht die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen sowie die Abzugsfähigkeit der damit zusammenhängenden Vorsteuern nicht anerkannt. Die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen sei zudem schon deshalb zu versagen, weil die Voraussetzung des Art. 7 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, dass die Ware in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet worden sei, nicht erfüllt sei und das Verhalten der Revisionswerberin, die ihr im Hinblick auf das erkennbare Abweichen der Angaben auf den Lieferscheinen von jenen auf den Frachtbriefen zumutbare Nachforschungen zur Überprüfung der Angaben der B, die Waren in die Slowakei auszuführen, unterlassen habe, was dem für die Anwendbarkeit der Vertrauensschutzregel des Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 erforderlichen Sorgfaltsmaßstab nicht entspreche.

10 Zu den Geschäftsvorfällen im Zusammenhang mit der I führte das Bundesfinanzgericht aus, die Revisionswerberin habe die an die I ausgeführten Getränkelieferungen als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen in die Slowakei behandelt. Die Überprüfung durch die Außenprüfung habe ergeben, dass teilweise zu diesen Lieferungen Frachtbriefe fehlen, teilweise die Angaben auf den Frachtbriefen unvollständig seien, teilweise die Angaben über die Kennzeichen der abholenden Kfz auf Lieferschein und Frachtbrief voneinander abwichen. Von diesem Sachverhalt gehe auch das erkennende Gericht aus. Ein Zeuge habe ausgesagt, immer im Inland be‑ und entladen und ins Ausland nichts verbracht zu haben. In einigen Fällen seien überhaupt keine Frachtbriefe vorgelegen, in anderen hätten die Frachtbriefe keine Angaben zum Empfänger, Auslieferungsort sowie Ort und Tag der Übernahme enthalten bzw. seien überhaupt sämtliche Blätter des Frachtbriefs beim Buchnachweis der Revisionswerberin abgelegt worden, obwohl die Revisionswerberin regelmäßig nur ein Exemplar eines Frachtbriefs erhalten habe und ansonsten der Frachtbrief die Sendung begleite. In zwei Fällen sei das auf dem Lieferschein eingetragene Kfz‑Kennzeichen von dem auf dem Frachtbrief eingetragenen Kfz‑Kennzeichen abgewichen. Zu einem Auftrag habe die Revisionswerberin überhaupt keine Unterlagen vorgelegt, zu einem weiteren Auftrag nur Rechnung und Lieferschein, aber keinen Frachtbrief, Angaben zum Frächter fehlten ebenfalls. In einem Fall enthalte der vorgelegte Frachtbrief keinen Bezug zu einer Rechnung oder einem Lieferschein; welche Ware hier transportiert worden sei, gehe aus dem Frachtbrief also nicht hervor, weshalb dieser auch keinen Nachweis für eine Verbringung von an die I verkauften Getränken in die Slowakei darstelle. Auf Grund dieser Verhältnisse habe die Außenprüfung zu Recht festgestellt, dass die vorgelegten Unterlagen nicht geeignet seien, einen Nachweis dafür zu erbringen, dass die an die I verkauften Getränke tatsächlich in die Slowakei befördert oder versendet worden seien. Die Revisionswerberin habe die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen in Anspruch genommen, ohne auf einen entsprechenden Beförderungsnachweis betreffend die Verbringung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu achten, und somit auch nicht den für die Anwendbarkeit der Vertrauensschutzregel des Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 erforderlichen Sorgfaltsmaßstab angelegt.

11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit auf das Wesentlichste zusammengefasst vorbringt, das Bundesfinanzgericht stütze sich auf Sachverhaltsermittlungen des Finanzamtes Linz, das nie für die Revisionswerberin zuständig gewesen sei. Dieses „Linzer Material“ sei der Revisionswerberin nicht zugänglich und somit geheim. Es unterliege einem Verwertungsverbot. Die Revisionswerberin sei von KY belogen worden; es habe keine Auseinandersetzung mit dem Gutglaubensschutz gegeben. Das Bundesfinanzgericht habe nicht geprüft, ob Reihengeschäfte vorgelegen seien; es seien diesbezüglich keine Sachverhaltsermittlungen durchgeführt worden. Es gebe keine Ermittlungshandlungen zur subjektiven Tatseite, das Wissen‑Müssen sei nicht bewiesen worden. Es sei kein einziger der damaligen Mitarbeiter der Revisionswerberin befragt worden, sondern nur Fahrer und Spediteure. Es seien keine Ermittlungen betreffend den Vorsteuerabzug getätigt worden. Bei der I seien die Mängel beim Buchnachweis nicht geeignet, das Gelangen der Ware in die Slowakei zu entkräften. Des Weiteren macht der Revision Begründungsmängel und Fehler in der Beweiswürdigung geltend.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorverfahren eingeleitet, in dem das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung erstattet hat. Die Revisionswerberin erstattete eine Replik und brachte ergänzende Schriftsätze ein.

13 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16 Soweit die Revision vorbringt, das Bundesfinanzgericht habe sich nicht mit der Thematik der Reihengeschäfte beschäftigt und diesbezüglich Ermittlungen und Feststellungen unterlassen, zeigt sie nicht auf, dass im Zuge eines Reihengeschäftes eine innergemeinschaftliche Lieferung vorgelegen wäre.

17 Die Revision bringt weiters vor, das Bundesfinanzgericht habe sich auf geheime Beweise gestützt, die der Revisionswerberin gemäß § 48a BAO „rechtlich“ nicht zugänglich seien.

18 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass es mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar ist, einen Bescheid auf der Partei nicht zugängliche Beweismittel zu stützen (vgl. VwGH 14.1.2022, Ra 2021/13/0083, mwN). Im vorliegenden Fall wurden aber die Umstände, auf die sich das Finanzamt und das Bundesfinanzgericht stützten, der Revisionswerberin im Prüfbericht und in einer Stellungnahme des Finanzamtes an die Revisionswerberin offengelegt und zugänglich gemacht. Auch das Bundesfinanzgericht hat die Ermittlungsergebnisse der Außenprüfung und die Sachverhaltsermittlungen des ‑ wie die Revision betont ‑ für die Revisionswerberin nicht zuständigen ‑ Finanzamtes Linz, auf die sich die Annahme gründet, dass die Waren nicht in die Slowakei verbracht wurden und umsatzsteuerliche Malversationen bei der B vorgelegen sind, offengelegt. Die geltend gemachte Rechtswidrigkeit liegt sohin nicht vor.

Zu den innergemeinschaftlichen Lieferungen:

19 Gemäß Art. 7 Abs. 1 UStG 1994 in der in den Streitjahren geltenden Fassung liegt eine innergemeinschaftliche Lieferung vor, wenn der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat und die weiteren Voraussetzungen im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Z 2 und 3 leg. cit. erfüllt sind.

20 Das Bundesfinanzgericht hat festgestellt, dass die revisionsgegenständlichen Warenlieferungen (weder an die B noch an die I) Österreich nicht verlassen hätten (bzw. nicht in die Slowakei gelangt seien) und damit die Voraussetzungen für das Vorliegen innergemeinschaftlicher Lieferungen nicht erfüllt wurden. Dies wurde ausführlich mit Ermittlungsergebnissen begründet, die sich auf Mautaufzeichnungen, Befragungen von Fahrern bzw. Spediteuren sowie Berechnungen von Fahrzeiten und Umladezeiten und Mängel bei den Buchnachweisen stützten. Dagegen wendet sich die Zulässigkeitsbegründung abseits des pauschalen, aber nicht näher begründeten Vorbringens, bei der I seien die Mängel beim Buchnachweis nicht geeignet, das Gelangen der Ware in die Slowakei zu entkräften und dem generellen, aber unberechtigten Vorwurf, es sei geheimes Beweismaterial verwertet worden, nicht. Dass die Waren ‑ entgegen der Ansicht des Prüfers und des Bundesfinanzgerichts ‑ in die Slowakei gelangt seien, behauptet die Revision nicht.

21 Gemäß Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 ist in jenen Fällen, in denen der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt hat, obwohl die Voraussetzungen nicht vorlagen, die Lieferung dennoch als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruhte und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

22 Das Bundesfinanzgericht hat sich ‑ entgegen dem Revisionsvorbringen ‑ sowohl bei den Lieferungen an die B als auch bei den Lieferungen an die I ausführlich mit der Frage beschäftigt, ob die Revisionswerberin mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes gehandelt hat und sie die Unrichtigkeit der Angaben der B und der I hätte erkennen können. Das Bundesfinanzgericht hat sich insbesondere auf die zahlreichen Mängel bei den Buchnachweisen, den unterschiedlichen Angaben der Kfz‑Nummern auf den Frachtbriefen und den Lieferscheinen, dem Fehlen von Frachtbriefen, dem E‑Mail‑Verkehr zwischen Mitarbeitern der Revisionswerberin und den für die B auftretenden Personen, etc., gestützt und ist zum Ergebnis gelangt, dass die Revisionswerberin nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes gehandelt hat.

23 Die Frage, ob die erforderliche Sorgfalt eingehalten wurde, ist eine Einzelfallbeurteilung, die aufgrund der Umstände des konkreten Sachverhalts zu treffen ist (vgl. VwGH 10.9.2020, Ra 2018/13/0106). Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts zu diesen konkreten Umständen oder die darauf aufbauende Beurteilung des Bundesfinanzgerichts, in einer Gesamtbetrachtung sei fallbezogen die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht erfüllt, mit die Zulässigkeit der Revision begründenden Mängeln behaftet wäre.

Zum Vorsteuerabzug:

24 Das Recht auf den Vorsteuerabzug entfällt, wenn die Lieferung oder die sonstige Leistung an einen Unternehmer ausgeführt wird, der wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht (vgl. VwGH 26.3.2014, 2009/13/0172, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EuGH).

25 Ob der Steuerpflichtige vom Mehrwertsteuerbetrug wusste oder zumindest hätte wissen müssen, hängt von Tatfragen ab, die die Abgabenbehörde ‑ und auch das Bundesfinanzgericht ‑ in freier Beweiswürdigung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände zu beurteilen hat. Diese unterliegt insoweit der verwaltungsbehördlichen Kontrolle, als das Ausreichen der Sachverhaltsermittlungen und die Übereinstimmung der behördlichen Überlegungen zur Beweiswürdigung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut zu prüfen ist (vgl. VwGH 10.9.2020, Ra 2018/13/0106, mwN).

26 Die Revision moniert zunächst, dass die objektive Tatseite ‑ nämlich der Umsatzsteuerbetrug durch die B ‑ nicht erwiesen sei. Dazu ist darauf zu verweisen, dass das Bundesfinanzgericht unter Darlegung der Ermittlungen der Abgabenbehörden festgestellt hat, dass die B eine innergemeinschaftliche Lieferung vorgetäuscht habe. Dem tritt die Revision nicht substantiiert entgegen.

27 Das Bundesfinanzgericht hat in seinem Erkenntnis eine Vielzahl von Aspekten für die Beurteilung herangezogen, ob die Revisionswerberin von der Einbeziehung der Lieferungen in einem Umsatzsteuerbetrug zumindest hätte wissen müssen: Diverse Mängel in den Buchnachweisen, Unterschiede zwischen Frachtbriefen und Lieferscheinen bezüglich der angegeben Kfz‑Nummern und Spediteuren, Angaben auf Frachtbriefen, dass der Auslieferungsort eine Adresse in W sei bzw. österreichische Empfänger angegeben worden seien, den E‑Mail‑Verkehr ‑ der nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts auch an die Geschäftsführerin der Revisionswerberin und an andere Mitarbeiter gegangen sei ‑ mit einer Mitarbeiterin aus der Leitung der Logistik betreffend „Kundenschutz“ für zwei österreichische Unternehmen, woraus ersichtlich sei, dass die B mit den Waren österreichische Unternehmen beliefere und in dem E‑Mail angeführt worden sei, „Normalerweise bestellen Sie über die Firma B. Wohin danach die Ware geht bzw. wem Sie die Ware danach weiter liefern ist für uns nicht relevant... Sie holen daher nur die Ware bei uns ab...“, sowie diverse zeitliche Unstimmigkeiten bei der Abholung durch dieselben LKW, die in den genannten Zeitabständen nicht in die Slowakei und wieder zurück hätten fahren können. Zudem seien die Zusammenfassenden Meldungen für den Zeitraum März 2014 bis Juli 2015 erst im September 2015, nach Beginn der Ermittlungen des Finanzamtes Linz, eingereicht worden, wodurch die Entdeckung des Umsatzsteuerbetruges durch die B erschwert worden sei.

28 Das Bundesfinanzgericht ist im angefochtenen Erkenntnis im Rahmen einer Gesamtbetrachtung all dieser Aspekte zur Auffassung gelangt, dass die Revisionswerberin auffallend sorglos gehandelt habe und von der Einbeziehung der strittigen Umsätze in einen Umsatzsteuerbetrug zumindest hätte wissen müssen. Dabei ist sie zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Revisionswerberin als juristische Person das Wissen der Geschäftsführung und die dienstlichen Kenntnisse der übrigen Mitarbeiter zurechnen lassen muss (vgl. VwGH 26.3.2014, 2009/13/0172, mwN).

29 Wenn das Bundesfinanzgericht im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller Umstände zum Ergebnis gelangt ist, dass die Revisionswerberin aufgrund dieser Verdachtsmomente bei entsprechender Sorgfalt von der Einbeziehung der konkreten Umsätze in einen Umsatzsteuerbetrug hätte wissen müssen, vermag der Verwaltungsgerichtshof dem im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht entgegenzutreten.

30 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. Juni 2022

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