European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022200094.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerber sind miteinander verheiratet und die Eltern des minderjährigen Drittrevisionswerbers. Alle sind Staatsangehörige des Irans und stellten am 9. Oktober 2017 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Mit den Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl je vom 2. Mai 2018 wurden jeweils diese Anträge abgewiesen, den revisionswerbenden Parteien Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen sie Rückkehrentscheidungen erlassen, festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Iran zulässig sei und eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
3 Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Erkenntnis je vom 15. Februar 2022 nach Durchführung einer Verhandlung ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für jeweils nicht zulässig.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die revisionswerbenden Parteien bringen zunächst zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es Zeugen im Zusammenhang mit dem Vorbringen zur Apostasie trotz Beweisantrages nicht einvernommen und weitergehende Ermittlungen unterlassen habe.
8 Werden Verfahrensmängel ‑ wie hier die unterbliebene Vernehmung von Zeugen ‑ als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass ‑ auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 3.12.2021, Ra 2021/20/0434, mwN).
9 Im Fall einer unterbliebenen Vernehmung ist ‑ um die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers darzulegen ‑ in der Revision konkret darzulegen, was die betreffende Person im Fall ihrer Vernehmung hätte aussagen können und welche anderen oder zusätzlichen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. VwGH 31.1.2022, Ra 2021/20/0486, mwN). Zum Vorwurf der Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht bleibt festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, einer einzelfallbezogenen Beurteilung unterliegt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 15.3.2022, Ra 2022/20/0035, mwN).
10 Soweit es das Unterbleiben der Vernehmung von Zeugen betrifft, wird in der Zulassungsbegründung nicht ansatzweise dargelegt, welche konkreten Angaben die Zeugen zu von ihnen gemachten Wahrnehmungen hätten machen können. Ebenso wenig wird in der Revision aufgezeigt, dass die Beurteilung im Zusammenhang mit den unterlassenen Ermittlungsschritten grob fehlerhaft erfolgt wäre.
11 Die revisionswerbenden Parteien wenden sich auch gegen die vom BVwG vorgenommene Beweiswürdigung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. erneut VwGH 15.3.2022, Ra 2022/20/0035, mwN). Die revisionswerbenden Parteien zeigen nicht auf, dass die beweiswürdigenden Überlegungen des BVwG mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wären.
12 Dem weiteren in der Zulassungsbegründung enthaltenen und auf der Richtigkeit der eigenen sachverhaltsbezogenen Prämisse aufbauenden Vorbringen ist somit der Boden entzogen.
13 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht mit einem Vorbringen begründet werden kann, das unter das ‑ nach § 41 VwGG im Revisionsverfahren geltende ‑ Neuerungsverbot fällt (vgl. VwGH 8.11.2021, Ra 2021/20/0301, mwN).
14 Von den revisionswerbenden Parteien werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 13. Mai 2022
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