European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022200041.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der aus der Russischen Föderation stammende und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörige Revisionswerber stellte erstmals am 10. Mai 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Mit Bescheid vom 17. Oktober 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück, stellte die Zuständigkeit Frankreichs gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d der Dublin III‑Verordnung fest, ordnete die Außerlandesbringung des Revisionswerbers an und stellte die Zulässigkeit der Abschiebung nach Frankreich fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 9. Dezember 2016 als verspätet zurück.
4 Am 27. Jänner 2017 stellte der Revisionswerber den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz.
5 Mit Bescheid vom 27. Juni 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass die Abschiebung in die russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.), erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab und gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.).
6 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem nun angefochtenen Erkenntnis hinsichtlich des Spruchpunktes I. des Bescheides als unbegründet ab. In Bezug auf Spruchpunkt II. des Bescheides gab es der Beschwerde statt, erkannte dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für die Dauer von einem Jahr. Die Erhebung einer Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die Revision macht in der Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst Verfahrensmängel geltend, indem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Amtswegigkeit und die Unterlassung von Ermittlungsschritten zur Situation der Angehörigen der tschetschenischen Volksgruppe sowie der „Verfolgung von Personen wie dem Revisionswerber“ angesprochen wird.
11 Werden Verfahrensmängel ‑ wie hier Ermittlungsmängel ‑ als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 13.5.2022, Ra 2022/20/0094 bis 0096, mwN). Diesem Erfordernis wird in der Revision nicht nachgekommen.
12 Das Bundesverwaltungsgericht führte eine mündliche Verhandlung durch und setzte sich mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers auseinander. Es traf Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat, insbesondere zur Menschenrechtslage in Tschetschenien, auf Grundlage des zu seinem Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zur russischen Föderation, die es für seine weitere Begründung maßgeblich heranzog. Welche zusätzlichen Ermittlungsschritte vom Bundesverwaltungsgericht zu setzen und welche Feststellungen aufgrund dieser zu treffen gewesen wären, die zu einem für den Revisionswerber günstigeren Ergebnis hätten führen können, legt der Revisionswerber nicht dar und zeigt schon deshalb die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel nicht auf.
13 Zum Vorwurf der Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht bleibt festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, einer einzelfallbezogenen Beurteilung unterliegt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 15.3.2022, Ra 2022/20/0035, mwN). Derartiges zeigt die Revision nicht auf.
14 Der Revisionswerber wendet sich auch gegen die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 24.6.2022, Ra 2021/20/0052, mwN). Der Revisionswerber zeigt mit seinem allgemein gehaltenen Vorbringen, ohne auf die Argumente des Verwaltungsgerichts einzugehen, nicht auf, dass die beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wären.
15 In der gegen die Versagung des Status des Asylberechtigten gerichteten Rechtsrüge stützt sich der Revisionswerber zur Zulässigkeit der Revision darauf, dass sich schon aus den ‑ von ihm näher ins Treffen geführten ‑ Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts ergebe, dass im Fall einer Rückkehr des Revisionswerbers in den Herkunftsstaat eine Verletzung seiner nach Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe.
16 Mit diesem Vorbringen übersieht der Revisionswerber, dass ihm ohnedies vom Bundesverwaltungsgericht aufgrund dieser Feststellungen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde.
17 Vor dem Hintergrund des § 3 Abs. 1 AsylG 2005, wonach Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung ist, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung droht, unterlässt es der Revisionswerber, ein geeignetes Vorbringen zu erstatten, in dem die Verbindung zu einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Grund zu sehen wäre.
18 Insoweit der Revisionswerber lediglich in den Revisionsgründen davon spricht, dass er als ehemals politischer Aktivist der Gefahr politisch motivierter Verfolgung ausgesetzt sei, ist dies zum einen schon deshalb unbeachtlich, weil der Verwaltungsgerichtshof, wie oben schon dargelegt, die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat (vgl. dazu VwGH 20.5.2019, Ra 2018/02/0043, mwN). Abgesehen davon entfernt sich der Revisionswerber auch von den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, wenn sich das Zulässigkeitsvorbringen vom festgestellten Sachverhalt entfernt, VwGH 11.2.2021, Ra 2021/20/0017, mwN), denn eine Tätigkeit in einer Menschenrechtsorganisation oder einer Nichtregierungsorganisation und eine Verfolgung aufgrund seiner (über 20 Jahre zurückliegenden) Parteimitgliedschaft verneinte das Bundesverwaltungsgericht, wogegen sich der Revisionswerber auch nicht ausdrücklich wendet.
19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 28. Juli 2022
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