Normen
BauG Vlbg 2001
BauG Vlbg 2001 §49
BauG Vlbg 2001 §49 Abs1
FPolO Vlbg 1949
FPolO Vlbg 1949 §9 Abs2
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2020060003.J00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Bludenz (Bürgermeister) vom 8. September 1965 wurde die Bewilligung für die Errichtung des Hochhauses Fstraße, auf der Liegenschaft GST‑NR X in B, erteilt. In den Folgejahren wurden diverse Um- und Zubauten, bewilligt mit Bescheiden des Bürgermeisters vom 16. Juli 1970, vom 28. August 1987, vom 27. März 1990 und vom 19. November 1990, durchgeführt.
2 Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 20. November 2018 wurden der Eigentümergemeinschaft Fstraße gemäß § 68 Abs. 3 AVG, in Abänderung der bisher ergangenen Baubewilligungsbescheide des Bürgermeisters, nachträgliche Aufträge zur Behebung näher bezeichneter Mängel im Gebäude Fstraße erteilt.
3 Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 11. März 2019 wurde der im innergemeindlichen Instanzenzug ergangene Bescheid der Berufungskommission der Stadt Bludenz vom 9. Jänner 2019, der den Bescheid des Bürgermeisters bestätigt hatte, dahingehend abgeändert, dass der dagegen erhobenen Berufung der mitbeteiligten Partei Folge gegeben und der angefochtene Bescheid des Bürgermeisters aufgehoben wurde.
4 Begründend führte das Landesverwaltungsgericht aus, dass der Bescheid des Bürgermeisters nicht der mit ‑ auf Angelegenheiten der Liegenschaftsverwaltung ‑ beschränkter Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Eigentümergemeinschaft hätte erteilt werden dürfen, weil diese nicht Eigentümerin der Liegenschaft sei. Unter einem hielt das Landesverwaltungsgericht fest, dass ungeachtet dessen § 9 Abs. 2 Feuerpolizeiordnung (im Folgenden: FPO) eine Rechtsgrundlage dafür biete, den Eigentümern bzw. den Miteigentümern oder Verfügungsberechtigten die Behebung bestimmter feuerpolizeilicher Mängel aufzutragen.
5 Im zweiten Verfahrensgang trug der Bürgermeister den Miteigentümern des Gebäudes Fstraße mit Bescheid vom 8. April 2019 im Spruchpunkt I. gemäß § 9 Abs. 2 FPO auf, die „festgestellten feuerpolizeilichen Mängel“ durch die Umsetzung folgender Maßnahmen ehestmöglich längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2021 umzusetzen:
„1. Im Hauptgebäude sind sämtliche in das Treppenhaus führende Türen als Feuerschutztüren EI 30‑C auszuführen.
2. Im Hauptgebäude ist das Untergeschoss gegenüber dem Treppenhaus in der Feuerwiderstandsklasse REI/EI 90 abzutrennen. Allfällige Türen, welche dabei ins Treppenhaus führen, sind als Feuerschutztüren EI 30‑C auszuführen.
3. Die Zugangstüre zum Heizraum im Untergeschoss des Hauptgebäudes ist als Feuerschutztüre EI 30‑C auszuführen.
4. Im Untergeschoss des Nebengebäudes ist die Verbindungtüre zum Hauptgebäude als Feuerschutztüre EI 30‑C auszuführen.
5. Allfällige Wand- und Deckendurchbrüche in Trennbauteilen sind brandschutztechnisch abzuschotten.
6. Im Hauptgebäude ist im Treppenhaus an oberster Stelle eine Rauchabzugsöffnung mit einem freien geometrischen Lüftungsquerschnitt von mindestens 1m² einzubauen. Die Rauchabzugsöffnung ist derart einzurichten, dass diese netzunabhängig mittels Handtaster von der Zugangsebene der Feuerwehr (Erdgeschoss) und vom obersten Podest aus geöffnet werden kann.
7. In sämtlichen Wohneinheiten ist in Aufenthaltsräumen sowie in Gängen, über die Fluchtwege von Aufenthaltsräumen führen, jeweils mindestens ein Rauchwarnmelder zu installieren. Die Rauchwarnmelder sind derart einzubauen, dass Brandrauch frühzeitig erkannt und gemeldet wird.
8. Im Treppenhaus des Hauptgebäudes und im untergeschossigen Gang des Nebengebäudes ist eine Fluchtweg-Orientierungsbeleuchtung gemäß der technischen Richtlinie vorbeugender Brandschutz ‚TRVB E 102‘ zu installieren.
9. Beim Hauptgebäude sind die Hauseingangstüre, die Windfangtüre sowie die untergeschossigen Gittertüren im Verlauf des Fluchtweges mit Notausgangsfunktionen auszustatten, wobei die Hauseingangstüre bei einem Austausch in Fluchtrichtung aufschlagend einzurichten ist.
10. Beim Nebengebäude sind die vom Untergeschoss ins Freie führenden Türen mit einer Notausgangsfunktion auszustatten.
11. Die bestehenden Fußbodenbeläge innerhalb des Treppenhaus und der Gangbereiche sind gegen nicht brennbare Bodenbeläge auszutauschen.
12. Innerhalb des Treppenhauses ist eine trockene Steigleitung in Anlehnung an die technische Richtlinie vorbeugender Brandschutz ‚TRVB F 128‘ zu installieren.
13. Für die erste Löschhilfe sind an folgenden Orten tragbare Feuerlöscher bereit zu halten, wobei die Standorte normgerecht zu kennzeichnen sind:
- Hauptgebäude ‑ Treppenaus: je Geschoss 1 Stück Nass- oder Schaumlöscher (Mindestfüllinhalt 6 l)
- Nebengebäude ‑ UG: 2 Stück Nass- oder Schaumlöscher (Mindestfüllinhalt 6 l)
- Nebengebäude ‑ EG: je Garagenabschnitt 2 Stück (Mindestfüllinhalt 6 l oder 6 kg)“
6 Dazu stellte der Bürgermeister im Wesentlichen fest, dass das Gebäude Fstraße konkrete Missstände aufweise, die Leben und Gesundheit von Menschen gefährdeten, feuerpolizeiliche Mängel im Sinne des § 6 Abs. 2 bzw. des § 7 Abs. 2 und 7 der FPO darstellten und zu beseitigen seien.
7 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes gab dieses der dagegen von der mitbeteiligten Partei am 10. April 2019 erhobenen Beschwerde insoweit Folge, als die im Spruchpunkt I. angeordneten Maßnahmen 1. bis 11. zu entfallen hätten. Im Übrigen wurde der Beschwerde keine Folge gegeben und Spruchpunkt I. mit der Maßgabe bestätigt, dass die nunmehr im Erkenntnis als 1. und 2. bezeichneten Maßnahmen (vormals Maßnahme 12. und 13. des Bescheides) binnen einer Frist von drei Monaten ab Rechtskraft des Erkenntnisses durchzuführen seien. Unter einem sprach das Landesverwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß § 25 a VwGG zulässig sei.
8 Begründend führte das Landesverwaltungsgericht soweit hier relevant aus, beim Großteil der von der Behörde angeführten Maßnahmen handle es sich um solche Maßnahmen, welche nach der Bautechnikverordnung und den entsprechenden OIB-Richtlinien für ein neu zu erbauendes Gebäude als Auflagen vorgeschrieben werden müssten. Diese Maßnahmen könnten nicht mit einem augenscheinlich groben feuerpolizeilichen Mangel im Sinne der FPO gleichgesetzt werden.
9 Die Erhebung einer Revision sei zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen gewesen sei, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukomme. Es fehle eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, wann ein augenscheinlich grob feuerpolizeilicher Mangel vorliege, und welche Maßnahmen gemäß § 17 Abs. 3 FPO angeordnet werden könnten.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
11 Die mitbeteiligte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit bringt die Revision vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere zu den Rechtsfragen, ob ein augenscheinlich grob feuerpolizeilicher Mangel im Sinne der FPO jedenfalls auch dann vorliege, wenn sich ein Hochhaus in einem solchen Zustand befinde, dass bei einem Brandfall eine Eigenrettung nicht möglich sei, weil es aufgrund des Zustandes im gesamten Treppenhaus zu einer raschen Rauchausbreitung komme und dieses Treppenhaus den einzigen Fluchtweg darstelle, oder, wenn in einem Hochhaus bei einem Brandfall aufgrund des derzeitigen Zustandes eine unkontrollierte Brandausbreitung zu erwarten sei, weil keine wirksam abgetrennten Brandabschnitte im Gebäude vorhanden seien. Zudem fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ob die Bestimmungen der FPO die gesetzliche Grundlage dafür bilden würden, Maßnahmen anzuordnen, um insbesondere diese Art von Mängeln zu beheben, die das Leben und die Gesundheit von Menschen im Brandfall gefährden könnten. Ferner habe das Landesverwaltungsgericht der FPO einen rechtlich falschen Inhalt unterstellt, weil es die im brandschutztechnischen Gutachten aufgezeigten Mängel, die eine Gefährdung von Leben und Gesundheit von Menschen darstellen würden, nicht mit „augenscheinlich groben feuerpolizeilichen Mängeln“ im Sinne der FPO gleichgestellt habe. Darüber hinaus habe das Landesverwaltungsgericht keine Feststellungen hinsichtlich der entscheidungsrelevanten Sachverhaltselemente zum bewilligten und zum bestehenden Zustand des Gebäudes Fstraße getroffen.
16 Mit dem Verhältnis zwischen den Vorschriften der Bauordnung und der Feuerpolizeiordnung hat sich der Verwaltungsgerichtshof zu wiederholten Malen beschäftigt. In dem zur Bauordnung Wien ergangenen hg. Erkenntnis vom 10. November 1902, VwSlg. 1317 A, hat der Gerichtshof den Grundsatz ausgesprochen, dass in der Handhabung der Feuerpolizeiordnung Anordnungen nicht getroffen werden können, welche die durch den Baukonsens erworbenen Rechte beeinträchtigen (vgl. dazu auch VwGH 30.9.1963, 920/63). In der von diesem Grundgedanken getragenen Rechtsprechung hielt der Verwaltungsgerichtshof zudem fest, dass unter den „feuergefährlichen Übelständen“ nicht der allgemeine Bauzustand eines Gebäudes inbegriffen sei, der ja behördlich konsentiert und an und für sich eine Feuergefahr herbeizuführen nicht geeignet ist und ein Auftrag zur Änderung des baulichen Zustandes eines Gebäudes, der der Baubewilligung entspricht, ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung aufgrund der allgemeinen Feuerpolizeivorschriften nicht erteilt werden kann (vgl. etwa betreffend Wien VwGH 13.4.1904, VwSlg. 2541 A und 23.10.1904, VwSlg 2059 A, sowie betreffend Niederösterreich VwGH 9.9.1963, 643/63).
17 Die gleichen Grundsätze müssen auch für das Verhältnis zwischen dem Vorarlberger Baugesetz und der Vorarlberger Feuerpolizeiordnung gelten. Auch die vom Revisionswerber herangezogene Bestimmung des § 9 Abs. 2 FPO stellt sich gegenüber den Vorschriften des Baugesetzes als generelle Norm dar, die daher im Falle des Bestehens speziellerer Sondervorschriften des Baugesetzes zurückzutreten hat (vgl. zur Kärntner Bauordnung VwGH 10.3.1958, 382/57). Eine solche Sondervorschrift stellt § 49 Baugesetz dar, welche Bestimmung für die in Abs. 1 leg. cit. aufgezählten, rechtmäßig bestehenden Bauwerke und Anlagen, Eingriffe in einen bestehenden Konsens ermöglicht. Solche nachträglichen Aufträge sollen dann erteilt werden, wenn eine Gefährdung der Sicherheit oder der Gesundheit von Menschen der Behörde bekannt wird, etwa im Fall von sich aus den Ergebnissen der (nach den Bestimmungen der FPO durchzuführenden) Feuerbeschau ergebenden brandschutztechnischen Mängeln, und sollen gerade der Beseitigung von erheblichen brandbedingten Gefährdungen dienen, womit insbesondere die ‑ auch fallbezogen vom Revisionswerber offenbar intendierte ‑ brandschutztechnische Verbesserung der Fluchtwege bzw. Rettungsmöglichkeiten für Personen im Brandfall erreicht werden soll (vgl. Erläut RV 19/2009 VbgLT 28. GP, Seite 7, sowie Erläut SA 98/2013 VbgLT 29. GP, Seite 2).
18 Fallbezogen ist daher ein Abweichen des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes von den dargestellten, im Rahmen der hg. Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen nicht zu erkennen.
19 Da § 9 Abs. 2 FPO somit keine taugliche Grundlage für die Anordnung von Maßnahmen zur Änderung des baulichen Zustandes eines konsentierten Gebäudes bildet, hängt die Entscheidung der Revision fallbezogen nicht von den in der Revision aufgezeigten Rechtsfragen zur Auslegung des Rechtsbegriffes eines augenscheinlich grob feuerpolizeilichen Mangels ab. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig (vgl. VwGH 28.4.2015, Ra 2015/05/0016, mwN).
20 Hinsichtlich der in der Zulässigkeitsbegründung der Revision darüber hinaus geltend gemachten Verfahrensmängel ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei behaupteten Verfahrensmängeln in den Zulässigkeitsgründen auch die Relevanz des Verfahrensmangels darzutun ist. Das heißt, dass der behauptete Verfahrensmangel geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen ‑ für die Revisionswerber günstigeren ‑ Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. etwa VwGH 25.1.2018, Ra 2017/06/0257 und 0258, mwN). Diesen Anforderungen entspricht die vorliegende Revision nicht.
21 In der Revision werden damit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 28. April 2022
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