VwGH Ra 2021/20/0177

VwGHRa 2021/20/01774.6.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in der Rechtssache der Revision des S A S in W, vertreten durch Dr.in Julia Ecker, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Opernring 7/18, gegen das am 24. Juni 2020 mündlich verkündete und am 28. Juni 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, I413 2162855‑1/15E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §34 Abs1
VwGG §41

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021200177.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der aus dem Irak stammende Revisionswerber stellte am 30. Mai 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 2. Juni 2017 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die vom Revisionswerber gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem am 24. Juni 2020 mündlich verkündeten und am 28. Juni 2020 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis (mit einer hier nicht weiter wesentlichen Änderung in der Formulierung eines Spruchpunktes) als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen an ihn gerichteten Beschwerde mit Beschluss vom 23. Februar 2021, E 3207/2020-10, ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Der Revisionswerber wendet sich zur Begründung der Zulässigkeit der Revision gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts.

9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 22.4.2021, Ra 2021/20/0108, mwN).

10 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich ausführlich und in nicht unschlüssiger Weise mit dem Vorbringen des Revisionswerbers befasst. Dass die beweiswürdigenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts in ihrer Gesamtheit unvertretbar wären, vermag der Revisionswerber, der in erster Linie seine Überlegungen an die Stelle jener des Bundesverwaltungsgerichts gesetzt wissen möchte, nicht aufzuzeigen. Darauf, dass auch ein anderer Sachverhalt hätte schlüssig begründet werden können, kommt es im Revisionsverfahren nach dem Gesagten nicht an.

11 Es trifft auch der Vorwurf, das Bundesverwaltungsgericht habe sich mit den vorhandenen Beweismitteln (etwa den vorgelegten Fotos, Stellungnahmen und dem „Chatverlauf“) nicht ausreichend auseinandergesetzt, in dieser Allgemeinheit nicht zu. Dass das Verwaltungsgericht diesen Beweismitteln nicht jenen Stellenwert beigemessen hat, den der Revisionswerber angestrebt hatte, führt nicht dazu, dass davon gesprochen werden könnte, die Beweiswürdigung wäre mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet. Soweit in der Revision weitere Verfahrensfehler ‑ etwa die unzureichende Befragung des Revisionswerbers und eines Zeugen ‑ angesprochen werden, wird deren Relevanz auf das Verfahrensergebnis nicht hinreichend dargetan. Im Übrigen ist nicht zu sehen, weshalb der ‑ durch einen Rechtsberater vertretene ‑ Revisionswerber gehindert gewesen wäre, in der Verhandlung ergänzende Ausführungen zu machen oder an den Zeugen (weitere) Fragen zu stellen.

12 Soweit den übrigen Ausführungen in der Revision die Richtigkeit des Vorbringens des Revisionswerbers zu den Gründen einer etwaigen Verfolgung im Heimatland zugrunde liegt, ist ihnen sohin der Boden entzogen.

13 Das gilt insbesondere auch für das weitere Revisionsvorbringen, das Bundesverwaltungsgericht hätte nähere Ermittlungen zu seiner Einstellung zur Religion anstellen müssen.

14 Es entspricht im Übrigen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein „ausreichend ermittelter Sachverhalt“ vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung darstellt (vgl. VwGH 30.3.2021, Ra 2021/19/0007, mwN). Mit dem Hinweis auf die Antwort auf eine vom die Verhandlung leitenden Richter gestellte Frage, vermag der Revisionswerber aber nicht darzulegen, dass es das Bundesverwaltungsgericht für geboten hätte ansehen müssen, weitere Ermittlungen anzustellen.

15 Weiters ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen ‑ wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG (vgl. VwGH 3.5.2021, Ra 2021/01/0141, mwN).

16 Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen, wonach im Revisionsverfahren von den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts auszugehen war (§ 41 VwGG), kommt dem in der Revision ‑ es wird darin wiederum von der Richtigkeit des Vorbringens des Revisionswerbers ausgegangen ‑ erhobenen Vorwurf, das Bundesverwaltungsgericht habe bei der Interessenabwägung nicht sämtliche Bindungen des Revisionswerbers berücksichtigt und derselben einen „verzerrten Sachverhalt“ zugrunde gelegt, keine Berechtigung zu.

17 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 4. Juni 2021

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