European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021190089.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 3. Oktober 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er habe sich für die oppositionelle Bangladesh Nationalist Party engagiert. Aufgrund dessen sei er von Mitgliedern der regierenden Awami League bedroht und ihm zu Unrecht vorgeworfen worden, an einem Brandanschlag auf einen Bus beteiligt gewesen zu sein. Dazu sei im Jahr 2015 Anzeige gegen ihn erstattet worden. Nach seiner Flucht nach Österreich sei eine weitere Anzeige, die ebenfalls unberechtigte Vorwürfe enthalten habe, gegen ihn eingebracht worden.
2 Mit Bescheid vom 25. Februar 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei, und legte eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 Die Angaben des Revisionswerbers zu den Gründen für das Verlassens seines Herkunftsstaates erachtete das BVwG nicht als glaubwürdig. Dem Revisionswerber drohe bei einer Rückkehr nach Bangladesch keine Verfolgung.
5 Mit Beschluss vom 18. Jänner 2021, E 4222/2020‑8, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, das BVwG habe die Beweiswürdigung hinsichtlich des Fluchtvorbringens des Revisionswerbers in unvertretbarer Weise vorgenommen. Hinsichtlich der vom Revisionswerber vorgelegten, gegen ihn in seinem Herkunftsstaat erhobenen Anzeigen habe sich das BVwG darauf beschränkt, deren Beweiskraft mit einem Verweis darauf abzutun, dass Fälschungen solcher Dokumente in Bangladesch leicht zu erlangen seien.
10 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser ‑ als Rechtsinstanz ‑ zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 29.1.2021, Ra 2020/19/0455, mwN).
11 Entgegen dem Vorbringen in der Revision hat das BVwG den beiden vom Revisionswerber vorgelegten Anzeigen nicht ausschließlich mit einem Verweis darauf, dass solche Urkunden im Herkunftsstaat leicht zu erlangen seien, den Beweiswert abgesprochen, sondern sich mit diesen Urkunden im Einzelnen auseinandergesetzt. Dazu wies das BVwG insbesondere darauf hin, dass die in der ersten Anzeige als Beschuldigter genannte Person zwar denselben Namen, aber ein gänzlich anderes Geburtsdatum als der Revisionswerber aufweise, sodass die Anzeige ihm nicht zweifelsfrei zuzuordnen sei. Die Anzeige könne entgegen den Angaben des Revisionswerbers auch nicht Grund seiner Flucht gewesen sein, weil diese erst danach ausgestellt worden sei. Weiters wichen (aus näher dargestellten Gründen) die in den Anzeigen erhobenen Vorwürfe von denen ab, die der Revisionswerber in seinen Aussagen geschildert habe. Die zweite Anzeige betreffe darüber hinaus Vorfälle, die sich erst Jahre nach dem Zeitpunkt ereignet hätten, zu dem der Revisionswerber Banglasch verlassen habe. Die Urkunden seien daher nicht geeignet, das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers zu stützen. In Hinblick auch auf weitere Ungereimtheiten seien seine Angaben insgesamt nicht glaubwürdig. Eine Unvertretbarkeit dieser Beweiswürdigung vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
12 Soweit die Revision geltend macht, das Parteiengehör des Revisionswerbers sei verletzt worden, weil das BVwG von seiner Unglaubwürdigkeit ausgegangen sei, ohne ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach das Recht auf Parteiengehör sich nur auf den festzustellenden maßgeblichen Sachverhalt bezieht. Die Beweiswürdigung im Sinn des § 45 Abs. 2 AVG zählt nicht zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens. Es besteht keine Verpflichtung des Verwaltungsgerichts, dem Asylwerber im Weg eines Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche vorhanden seien, die im Rahmen der gemäß § 45 Abs. 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grunde eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen (vgl. VwGH 2.2.2021, Ra 2020/19/0411, mwN).
13 In der Revision wird unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung weiters vorgebracht, das BVwG hätte hinsichtlich des Fluchtvorbringens des Revisionswerbers Erkundigungen im Herkunftsstaat durchführen müssen. Dazu ist darauf hinzuwiesen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein allgemeines Recht auf eine fallbezogene Überprüfung des Vorbringens eines Asylwerbers durch Recherche im Herkunftsstaat besteht. Die Beurteilung der Erforderlichkeit derartiger Erhebungen im Sinn des § 18 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 obliegt der ermittelnden Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht (vgl. nochmals VwGH 29.1.2021, Ra 2020/19/0455, mwN). Die Frage, ob amtswegige Erhebungen erforderlich sind, stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, weil es sich dabei um eine einzelfallbezogene Beurteilung handelt. Solchen Fragen kann (nur) dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen (vgl. VwGH 29.1.2021, Ra 2020/14/0585, mwN). Im vorliegenden Fall vermag die Revision mit ihrem nicht näher konkretisierten Vorbringen nicht aufzuzeigen, dass das Bundesverwaltungsgericht in diesem Sinn sein Verfahren mit einer im Revisionsverfahren aufzugreifenden Mangelhaftigkeit belastet hätte.
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 14. April 2021
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