Normen
BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140164.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein armenischer Staatsangehöriger, stellte am 17. August 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005. Als Fluchtgrund gab er an, er habe in Armenien an Demonstrationen teilgenommen und sei deswegen von der Polizei festgenommen und geschlagen worden. Wenig später sei sein Haus angezündet worden.
2 Mit Bescheid vom 13. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Armenien zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 10. März 2021, E 264/2021‑5, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 In der Folge brachte der Revisionswerber die vorliegende Revision ein.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Zur Zulässigkeit der Revision wird darin zusammengefasst geltend gemacht, das BVwG habe sich nicht ausreichend mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers und den vorgelegten Beweismitteln auseinandergesetzt, keine Erhebungen im Herkunftsstaats durchgeführt und sich nicht mit den Auswirkungen der COVID‑19‑Pandemie befasst. Darüber hinaus sei das BVwG bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es keine Gesamtabwägung der in § 9 BFA‑Verfahrensgesetz (BFA‑VG) angeführten Kriterien vorgenommen habe. Überdies sei es seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen.
10 Indem die Revision eine angeblich unzureichende oder fehlende Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen, vorgelegten Beweismitteln und der COVID‑19‑Pandemie releviert sowie das Unterbleiben weiterer Erhebungen im Herkunftsstaat rügt, macht sie Verfahrensmängel geltend.
11 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung dieser Verfahrensmängel in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 13.1.2021, Ra 2020/14/0072, mwN).
12 Eine solche Relevanzdarlegung ist dem dazu erstatteten, allgemein gehaltenen Zulässigkeitsvorbringen nicht zu entnehmen. So hat sich das BVwG mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers und den von ihm vorgelegten Videoaufnahmen eingehend auseinandersetzt. Welche anderen Schlüsse das BVwG aus welchen Erwägungen aus diesen Beweisergebnissen ‑ und aus den geforderten ergänzenden Erhebungen ‑ hätte ziehen sollen, legt die Revision nicht dar. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass ein allgemeines Recht auf eine fallbezogene Überprüfung des Vorbringens eines Asylwerbers durch Recherche im Herkunftsstaat nicht besteht (vgl. VwGH 2.2.2021, Ra 2020/14/0488, mwN). In der Revision wird auch nicht ausgeführt, zu welchen Feststellungen und rechtlichen Schlüssen eine Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der COVID‑19‑Pandemie auf die Gesellschaft in Armenien nach Ansicht des Revisionswerbers geführt hätte.
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen ‑ wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel (vgl. VwGH 17.3.2021, Ra 2021/14/0043, mwN).
14 Die Revision macht eine Abweichung von dieser Rechtsprechung dahingehend geltend, dass das BVwG zur Begründung der Rückkehrentscheidung anstelle der Durchführung einer Gesamtwägung der in § 9 BFA‑VG genannten Kriterien lediglich einzelne Integrationsgründe und Umstände herausgegriffen habe. Dieser pauschale und nicht weiter substantiierte Vorwurf trifft nach dem Inhalt des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu, zumal es jeden einzelnen der in § 9 Abs. 2 BFA‑VG genannten Aspekte behandelt ‑ wobei es insbesondere auf die vom Revisionswerber mit der Lebensgefährtin seines Bruders in Österreich geschlossene Scheinehe eingeht ‑ und diese schließlich in ihrer Gesamtheit betrachtet.
15 Abschließend macht die Revision in der Zulässigkeitsbegründung allgemein eine Verletzung der Begründungspflicht geltend und verweist dazu für weitere Ausführungen auf den Punkt „Inhaltliche Begründung der Revision“. Ein Verweis auf die sonstigen Ausführungen der Revision genügt jedoch nicht dem Erfordernis, gesondert die Gründe zu nennen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (vgl. VwGH 19.2.2021, Ra 2020/18/0472, mwN).
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 29. Juni 2021
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