Normen
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
BFA-VG 2014 §21 Abs7
BFA-VG 2014 §9
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140043.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist ein in Österreich geborener Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe. Mit Bescheid vom 9. Mai 2007 erkannte ihm das Bundesasylamt den Status des Asylberechtigten gemäß § 3 iVm § 34 Abs. 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) im Wege des Familienverfahrens zu.
2 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 5. Juni 2020 wurde dem inzwischen mehrfach straffällig gewordenen Revisionswerber der Status des Asylberechtigten gemäß §§ 7 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme, ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt sowie ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Weiters wurde festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei, die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt und ein auf neun Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 24. November 2020,E 3697/2020-5, die Behandlung derselben ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit zunächst geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht habe den Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht hinreichend begründet. Dem ist zu erwidern, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes allein dieser Begründungsmangel nicht dazu führt, dass die Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig wäre (vgl. VwGH 17.12.2020, Ra 2020/18/0473, mwN).
9 Wenn ‑ wie hier ‑ in Bezug auf die „Asylaberkennung, der Prüfung der Frage des Vorliegens des subsidiären Schutzes sowie der Rückkehrentscheidung“ durch den Vorwurf der Unterlassung einer ausreichenden Begründung und der Verletzung der Ermittlungspflicht Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt werden, sind auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden muss. Dies setzt voraus, dass ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 2.2.2021, Ra 2021/14/0013, mwN). Eine diesen Anforderungen entsprechende Relevanzdarstellung lässt die Revision gänzlich vermissen.
10 Soweit sich die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts wendet, ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 13.10.2020, Ra 2020/14/0411, mwN). Der Revision gelingt es mit ihrem pauschalen Zulässigkeitsvorbringen weder einen konkreten Fallbezug herzustellen noch darzulegen, inwiefern die Beweiswürdigung fehlerhaft wäre.
11 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit weiters geltend, das Bundesverwaltungsgericht hätte eine Verhandlung durchführen müssen, um sich im Hinblick auf die Gefährdungsprognose ein persönliches Bild vom jugendlichen Revisionswerber zu machen.
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer Verhandlung bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen besondere Bedeutung zu. Daraus ist aber noch keine „absolute“ (generelle) Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben. (vgl. VwGH 28.12.2020, Ra 2020/14/0554; VwGH 15.4.2020, Ra 2020/20/0114, mwN). Dass das Bundesverwaltungsgericht ‑ vor allem angesichts der mehrmaligen Straffälligkeit des Revisionswerbers und der damit einhergehenden Verurteilungen samt mehrjähriger Haftstrafen ‑ nicht von einem solchen eindeutigen Fall ausgehen durfte, zeigt der Revisionswerber mit dem pauschalen Hinweis auf die fehlende Gefährdungsprognose nicht auf.
13 Die Revision vermag mit ihrem Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung somit nicht darzulegen, dass kein eindeutiger Fall sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die Interessenabwägung nach § 9 BFA‑Verfahrensgesetz (BFA‑VG) vorgelegen sei und damit das Bundesverwaltungsgericht von den Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, warum gemäß § 21 Abs. 7 BFA‑VG von der Durchführung einer Verhandlung Abstand genommen werden darf (vgl. dazu grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, sowie 8.7.2020, Ra 2019/14/0272).
14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen ‑ wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel (vgl. VwGH 5.2.2021, Ra 2021/14/0003, mwN). Dass dem Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK eine revisible Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, ist nicht ersichtlich.
15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 17. März 2021
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)