Normen
AVG §1
AVG §3
B-VG Art133 Abs4
COVID-19-BetriebsbeschränkungsV 2020
COVID-19-MaßnahmenG 2020
EpidemieG 1950
EpidemieG 1950 §20
EpidemieG 1950 §24
EpidemieG 1950 §25
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z5 idF 1974/702
EpidemieG 1950 §32 idF 1974/702
EpidemieG 1950 §33 idF 1974/702
Maßnahmen Einreise Nachbarstaaten 2020
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §28
VwGVG 2014 §3 Abs2
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090005.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Antrag vom 25. Mai 2020 machte die revisionswerbende Partei ‑ ein in Oberösterreich und grenzüberschreitend Dienstleistungen des Schienenpersonenverkehrs erbringendes Unternehmen ‑ die Vergütung ihres Verdienstentganges „im Gebiet des Verkehrsverbundes/Bundesland Oberösterreich“ in Höhe von Euro 3.003.145,46 für den Zeitraum 16. März bis 13. April 2020 nach § 32 Abs. 1 Z 5 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) geltend. Dazu brachte sie vor, dass dieser Verdienstentgang durch die auf Basis des § 25 EpiG vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) gemäß § 2 Z 1 des COVID‑19‑Maßnahmengesetzes (COVID‑19‑MG) erlassenen Verordnungen, womit einerseits die Einstellung des Schienenverkehrs zu Italien, der Schweiz und Liechtenstein aufgrund des Ausbruchs von SARS‑CoV‑2 erfolgte (in der Folge: EinstellungsVO) und andererseits die Einreise von Personen aus Nachbarstaaten beschränkt wurde (in der Folge: ReisebeschränkungsVO), die faktisch zu einer Betriebsschließung geführt hätten, bewirkt worden sei.
2 Mit Bescheid vom 18. August 2020 wies die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde diesen Antrag ab. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass keiner der anspruchsbegründenden Sachverhalte des § 32 Abs. 1 EpiG verwirklicht worden sei; deren Auflistung in den Z 1 bis 7 dieser Bestimmung sei als taxativ anzusehen und lasse keinen Interpretationsspielraum zu.
3 In der dagegen erhobenen Beschwerde der revisionswerbenden Partei wird dieser Bescheid beschränkt auf den Umfang des „für grenzüberschreitenden Eisenbahnpersonenverkehr zustehenden, mit Euro 1.996.574,30 bezifferten Verdienstentgang“ bekämpft. Dazu wird im Wesentlichen vorgebracht, dass es sich bei den Betriebsbehinderungen „in Wahrheit um Maßnahmen nach § 20 EpiG handelt“ und deshalb bei gebotener verfassungskonformer Interpretation zur Schließung einer planwidrigen nachträglichen Gesetzeslücke ein Ersatzanspruch nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG bestehe.
4 Diese Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.
5 In seiner Entscheidungsbegründung hielt das Verwaltungsgericht zusammengefasst dem Beschwerdeeinwand, dass die die anspruchsbegründende Betriebsbehinderung verfügenden Verordnungen des BMSGPK gemäß § 2 Z 1 COVID‑19‑MG (nämlich die EinstellungsVO und die ReisebeschränkungsVO) nicht nur auf Basis von § 25 EpiG, sondern auch auf Grundlage von § 20 leg. cit. erlassen worden bzw. zu erlassen gewesen wären, entgegen, dass sich aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 EpiG klar ergebe, dass Betriebsschließungen bzw. ‑beschränkungen gemäß § 20 EpiG nur individuell mittels Bescheid verfügt werden könnten, da dort auf den „Betrieb einzelner gewerbsmäßig betriebener Unternehmungen mit fester Betriebsstätte“ abgestellt werde. Folglich könnten die mittels Einstellungs‑ bzw. ReisebeschränkungsVO generell angeordneten Einschränkungen nicht als solche Schließungen bzw. Beschränkungen nach § 20 EpiG qualifiziert werden, weshalb Ansprüche auf Vergütung des Verdienstentganges nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG ausgeschlossen seien (Hinweis auf VfGH 14.7.2020, G 202/2020, V 408/2020, u.a., Rn 94). Der Verfassungsgerichtshof habe ferner (unter Hinweis auf andere näher dargestellte finanzielle Ausgleichsmaßnahmen) ausgesprochen, dass eine durch §§ 1 und 4 Abs. 2 COVID‑19‑MG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 bewirkte Entschädigungslosigkeit nicht verfassungswidrig sei. Es bestehe daher kein Anspruch der revisionswerbenden Partei auf Vergütung für den Verdienstentgang gemäß § 32 EpiG.
6 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass zwar zur Frage der Vergütung für den Verdienstentgang in Zusammenhang mit COVID‑19 noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege, dies aber nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig und durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juli 2020, G 202/2020, V 408/2020, klargestellt sei. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liege deshalb nicht (mehr) vor (Hinweis auf VwGH 26.4.2017, Ro 2015/10/0052, Rn 11).
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
8 Die maßgeblichen Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 (WV), BGBl. Nr. 186/1950 idF BGBl. I Nr. 62/2020 (EpiG), lauten (auszugsweise):
„Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen.
§ 20. (1) Beim Auftreten von Scharlach, Diphtherie, Abdominaltyphus, Paratyphus, bakterieller Lebensmittelvergiftung, Flecktyphus, Blattern, Asiatischer Cholera, Pest oder Milzbrand kann die Schließung von Betriebsstätten, in denen bestimmte Gewerbe ausgeübt werden, deren Betrieb eine besondere Gefahr für die Ausbreitung dieser Krankheit mit sich bringt, für bestimmt zu bezeichnende Gebiete angeordnet werden, wenn und insoweit nach den im Betriebe bestehenden Verhältnissen die Aufrechterhaltung desselben eine dringende und schwere Gefährdung der Betriebsangestellten selbst sowie der Öffentlichkeit überhaupt durch die Weiterverbreitung der Krankheit begründen würde. ...
(2) Beim Auftreten einer der im ersten Absatz angeführten Krankheiten kann unter den sonstigen dort bezeichneten Bedingungen der Betrieb einzelner gewerbsmäßig betriebener Unternehmungen mit fester Betriebsstätte beschränkt oder die Schließung der Betriebsstätte verfügt sowie auch einzelnen Personen, die mit Kranken in Berührung kommen, das Betreten der Betriebsstätten untersagt werden.
(3) Die Schließung einer Betriebsstätte ist jedoch erst dann zu verfügen, wenn ganz außerordentliche Gefahren sie nötig erscheinen lassen.
(4) Inwieweit die in den Abs. 1 bis 3 bezeichneten Vorkehrungen auch beim Auftreten einer anderen anzeigepflichtigen Krankheit getroffen werden können, wird durch Verordnung bestimmt.“
[Anmerkung: Diese Bestimmung ist unverändert seit der Stammfassung (WV) BGBl. Nr. 186/1950.]
„Verkehrsbeschränkungen gegenüber dem Auslande.
§ 25. Durch Verordnung wird auf Grund der bestehenden Gesetze und Staatsverträge bestimmt, welchen Maßnahmen zur Verhütung der Einschleppung einer Krankheit aus dem Auslande der Einlaß von Seeschiffen sowie anderer dem Personen‑ oder Frachtverkehre dienenden Fahrzeuge, die Ein‑ und Durchfuhr von Waren und Gebrauchsgegenständen, endlich der Eintritt und die Beförderung von Personen unterworfen werden.“
[Anmerkung: Diese Bestimmung ist unverändert seit der Stammfassung (WV) BGBl. Nr. 186/1950.]
„Vergütung für den Verdienstentgang.
§ 32. (1) Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit
1. sie gemäß §§ 7 oder 17 abgesondert worden sind, oder
2. ihnen die Abgabe von Lebensmitteln gemäß § 11 untersagt worden ist, oder
3. ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 17 untersagt worden ist, oder
4. sie in einem gemäß § 20 im Betrieb beschränkten oder geschlossenen Unternehmen beschäftigt sind, oder
5. sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, oder
6. sie in Wohnungen oder Gebäuden wohnen, deren Räumung gemäß § 22 angeordnet worden ist, oder
7. sie in einer Ortschaft wohnen oder berufstätig sind, über welche Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 verhängt worden sind, und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.
(2) Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, der von der in Abs. 1 genannten behördlichen Verfügung umfaßt ist.
(3) Die Vergütung für Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, ist nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes, BGBl. Nr. 399/1974, zu bemessen. Die Arbeitgeber haben ihnen den gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen. Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund geht mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über. Der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtende Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Zuschlag gemäß § 21 des Bauarbeiterurlaubsgesetzes 1972, BGBl. Nr. 414, ist vom Bund zu ersetzen.
(4) Für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen.
(5) Auf den gebührenden Vergütungsbetrag sind Beträge anzurechnen, die dem Vergütungsberechtigten wegen einer solchen Erwerbsbehinderung nach sonstigen Vorschriften oder Vereinbarungen sowie aus einer anderweitigen während der Zeit der Erwerbsbehinderung aufgenommenen Erwerbstätigkeit zukommen.
...“
[Anmerkung: Diese Bestimmung ist mit der Novelle BGBl. Nr. 702/1974 in Kraft getreten und seither unverändert.]
„Frist zur Geltendmachung des Anspruches auf Entschädigung oder Vergütung des Verdienstentganges.
§ 33. Der Anspruch auf Entschädigung gemäß § 29 ist binnen sechs Wochen nach erfolgter Desinfektion oder Rückstellung des Gegenstandes oder nach Verständigung von der erfolgten Vernichtung, der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 binnen sechs Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen, widrigenfalls der Anspruch erlischt.“
[Anmerkung: Diese Bestimmung ist mit der Novelle BGBl. Nr. 702/1974 in Kraft getreten und seither unverändert.]
„Behördliche Kompetenzen.
§ 43. (1) ...
(4) Die Einleitung, Durchführung und Sicherstellung sämtlicher in diesem Gesetze vorgeschriebener Erhebungen und Vorkehrungen zur Verhütung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten beziehungsweise die Überwachung und Förderung der in erster Linie von den zuständigen Sanitätsorganen getroffenen Vorkehrungen sind Aufgabe der Bezirksverwaltungsbehörde.
(4a) Soweit in diesem Bundesgesetz eine Zuständigkeit zur Erlassung von Verordnungen durch die Bezirksverwaltungsbehörde vorgesehen ist, sind Verordnungen, deren Anwendungsbereich sich auf mehrere politische Bezirke oder das gesamte Landesgebiet erstreckt, vom Landeshauptmann zu erlassen. Einer Verordnung des Landeshauptmanns entgegenstehende Verordnungen der Bezirksverwaltungsbehörde treten mit Rechtswirksamkeit der Verordnung des Landeshauptmanns außer Kraft, sofern darin nicht anderes angeordnet ist. Erstreckt sich der Anwendungsbereich auf das gesamte Bundesgebiet, so sind Verordnungen vom für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister zu erlassen. Eine entgegenstehende Verordnung des Landeshauptmanns oder einer Bezirksverwaltungsbehörde tritt mit Rechtswirksamkeit der Verordnung des Bundesministers außer Kraft, sofern darin nicht anderes angeordnet ist.“
[Anmerkung: Abs. 4a wurde mit der Novelle BGBl. I Nr. 23/2020, in Kraft seit 5. April 2020, eingefügt, dessen Satz 3 und 4 durch die Novelle BGBl. I Nr. 43/2020, in Kraft seit 15. Mai 2020, ergänzt.]
9 Mit der auf § 20 Abs. 4 EpiG gestützten Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen bei Auftreten von Infektionen mit SARS‑CoV‑2 („2019 neuartiges Coronavirus“) vom 28. Februar 2020, BGBl. II Nr. 74/2020, wurde angeordnet, dass die in § 20 Abs. 1 bis 3 EpiG genannten Vorkehrungen auch bei Auftreten einer Infektion mit SARS‑CoV‑2 getroffen werden können.
10 Die §§ 1, 2 und 4 des am 16. März 2020 in Kraft getretenen Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 (COVID‑19‑MaßnahmenG ‑ COVID‑19‑MG), BGBl. I Nr. 12/2020 idF BGBl. I Nr. 23/2020 (abgelöst durch die am 26. September 2020 in Kraft getretene Novelle BGBl. I Nr. 104/2020), lauteten (auszugsweise):
„Betreten von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen sowie Arbeitsorte
§ 1. Beim Auftreten von COVID‑19 kann der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte im Sinne des § 2 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten werden dürfen.“
[Anmerkung: Mit der Novelle BGBl. I Nr. 16/2020 war die Überschrift zu § 1 neu gefasst und in § 1 die Wortfolge „oder Arbeitsorte im Sinne des § 2 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz“ eingefügt worden. Mit der Novelle BGBl. I Nr. 23/2020 war der letzte Satz des § 1 eingefügt worden.]
„Betreten von bestimmten Orten
§ 2. Beim Auftreten von COVID‑19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 erforderlich ist. Die Verordnung ist
1. vom Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt,
2. vom Landeshauptmann zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Landesgebiet erstreckt, oder
3. von der Bezirksverwaltungsbehörde zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf den politischen Bezirk oder Teile desselben erstreckt.
Das Betretungsverbot kann sich auf bestimmte Zeiten beschränken. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen jene bestimmten Orte betreten werden dürfen.“
[Anmerkung: Der letzte Satz des § 2 war mit der Novelle BGBl. I Nr. 23/2020 angefügt worden.]
Inkrafttreten
§ 4. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezembers 2020 außer Kraft.
(1a) Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBL. I Nr. 16/2020 tritt rückwirkend mit 16. März 2020 in Kraft.
(2) Hat der Bundesminister gemäß § 1 eine Verordnung erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, BGBl. Nr. 186/1950, betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung nicht zur Anwendung.
(3) Die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 bleiben unberührt.
(4) Verordnungen auf Grund dieses Bundesgesetzes können vor seinem Inkrafttreten erlassen werden, dürfen jedoch nicht vor diesem in Kraft treten.
(5) §§ 1, 2 und § 2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 23/2020 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.“
[Anmerkung: Mit der Novelle BGBl. I Nr. 16/2020 war § 4 Abs. 2 durch Einfügung der Wortfolge „im Rahmen des Anwendungsbereiches dieser Verordnung“ neu gefasst und der Abs. 1a eingefügt worden. Abs. 5 war mit der Novelle BGBl. I Nr. 23/2020 eingefügt worden.]
11 Gestützt auf § 25 EpiG hat der BMSGPK am 10. März 2020 die Verordnung über die Einstellung des Schienenverkehrs aus Italien aufgrund des Ausbruches von SARS‑CoV‑2, BGBl. II Nr. 86/2020, erlassen (EinstellungsVO). Deren §§ 1 und 2 lauteten:
„§ 1. Der Schienenverkehr aus Italien wird eingestellt.
§ 2. Dies Verordnung gilt nicht für den Güterverkehr und für Züge ohne kommerziellen Halt in Österreich.“
12 Ebenso gestützt auf § 25 EpiG hat der BMSGPK am selben Tag die Verordnung über Maßnahmen bei der Einreise aus Italien, BGBl. II Nr. 87/2020, erlassen (ReisebeschränkungsVO). Nach deren § 1 haben Personen, die von Italien nach Österreich einreisen wollen, ein näher beschriebenes ärztliches Zeugnis über ihren Gesundheitszustand mit sich zu führen und vorzuweisen, dass der molekularbiologische Test auf SARS‑CoV‑2 negativ ist, andernfalls die Einreise zu verweigern ist. Die §§ 2 bis 5 diese Verordnung normieren Ausnahmen für bestimmte Personengruppen, für die Durchreise durch Österreich ohne Zwischenstopp sowie u.a. den Pendler‑Berufsverkehr.
13 Spätere ‑ im hier relevanten Anspruchszeitraum geltende ‑ Änderungen dieser Verordnungen zu BGBl. II Nr. 92/2020, Nr. 94/2020, Nr. 104/2020, Nr. 111/2020, Nr. 124/2020, Nr. 129/2020, Nr. 141/2020 und Nr. 149/2020 (ebenfalls) jeweils auf § 25 EpiG gestützt betrafen neben dem zeitlichen Geltungsbereich einerseits die Ausweitung der Einstellung auf den Schienenverkehr zur Schweiz und Liechtenstein und andererseits die Ausweitung der Reisebeschränkungen bei der Einreise aus (allen) Nachbarstaaten.
14 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
15 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach Art. 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 Dementsprechend erfolgt nach der ständigen Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. Auf Vorbringen zur Revisionsbegründung im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision ist nicht einzugehen, selbst wenn es als Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision bezeichnet ist (vgl. dazu z.B. VwGH 29.9.2016, Ra 2016/05/0083, und VwGH 27.2.2015, Ra 2014/06/0050).
17 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlen die Voraussetzungen für die Erhebung einer Revision dann, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen kann. Ist somit die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (siehe etwa VwGH 6.8.2020, Ra 2020/09/0040; 20.12.2017, Ra 2017/12/0124, je mwN).
18 Im Zulässigkeitsvorbringen wird (erstmals im Verfahren) die Zuständigkeit der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht bestritten und dazu ausgeführt, die geltend gemachten Ansprüche beruhten auf bundesweit geltenden Verordnungen, die nicht standortgebundene Verkehrsdienstleistungen betreffen, dass zur Zuständigkeit zur Entscheidung „bislang jegliche Rechtsprechung fehle“ und dass anhand der „anwendbaren Normen (§ 33 EpiG und § 3 AVG) ... die Lösung dieser Fragen auch keineswegs klar und eindeutig auf der Hand“ liege.
19 Mit diesem Vorbringen wird eine grundsätzliche Rechtsfrage iS des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht aufgezeigt:
20 Nach dem klaren Wortlaut des § 3 AVG ist dieser im Verhältnis zu den in den Verwaltungsvorschriften getroffenen Regelungen bloß subsidiär anzuwenden; § 3 AVG ist daher angesichts der ausdrücklichen Regelung des § 33 EpiG hinsichtlich der Zuständigkeit für Ansprüche nach § 32 EpiG nicht anwendbar. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der nach § 32 EpiG geltend gemachte Anspruch zurecht besteht oder nicht, sondern lediglich darauf, ob ein Anspruch nach dieser Bestimmung behauptet wird. Da im gegenständlichen Fall der Vergütungsanspruch vor der belangten Behörde ausdrücklich auf § 32 EpiG gestützt wurde, richtet sich die Zuständigkeit zur Entscheidung darüber somit nach § 33 EpiG, mag er auch ‑ wie im Folgenden noch darzulegen ist ‑ der Sache nach nicht zurecht bestehen. Damit richtet sich auch die örtliche Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte gemäß § 3 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 AVG nach § 33 EpiG (zur Maßgeblichkeit der in den Verwaltungsvorschriften getroffenen Regelungen über die örtliche Zuständigkeit für die Verwaltungsgerichte vgl. VwGH 24.4.2018, Ra 2017/03/0010, Rn. 12f).
21 Entgegen dem Vorbringen der Revision ergibt sich aus § 33 EpiG aber klar, dass zur Entscheidung über Ansprüche, die auf § 32 EpiG gestützt werden, jene Bezirksverwaltungsbehörde zuständig ist, in deren Bereich „diese Maßnahmen getroffen wurden“, d.h. in deren örtlichen Wirkungsbereich die betreffenden Maßnahmen durchgeführt wurden oder ihre Wirkung entfalteten (somit richtet sich die Zuständigkeit nach dem „Wirkungsstatut“). Es kommt dabei weder darauf an, wo der Sitz eines Unternehmens liegt noch darauf, wo die Behörde, die die betreffende Maßnahme erlassen hat, ihren Sitz hat. Dies wird im Übrigen auch durch die Entstehungsgeschichte dieser Regelung bestätigt: § 33 EpiG geht auf die Stammfassung des Gesetzes (RGBl. Nr. 67/1913) zurück, wonach der Anspruch auf Entschädigung nach § 29 EpiG oder auf Vergütung des Verdienstentganges nach § 32 EpiG „bei der politischen Behörde, in deren Sprengel die betreffende Vorkehrung getroffen wurde“ geltend zu machen war. In den zugrunde liegenden Ministerialvorlagen war zunächst eine Entschädigung nur in Fällen der Desinfektion vorgesehen (§ 29), hinsichtlich der Geltendmachung sahen die Entwürfe vor, dass dieser Entschädigungsanspruch „bei der politischen Behörde, in deren Sprengel die Desinfektion erfolgt ist, geltend zu machen“ sein sollte (vgl. etwa 22 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Herrenhauses 21. Session). Mit dieser Formulierung wurde eindeutig auf den Ort abgestellt, an dem die Desinfektion tatsächlich erfolgte. Im Zuge der weiteren politischen Diskussion wurde zusätzlich dann auch die Einführung eines Anspruchs auf Vergütung für den Verdienstentgang für bestimmte Personen vorgesehen (vgl. etwa § 34 des Ausschussantrages 1777 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses 21. Session 28), die Formulierung der Bestimmung über die Behördenzuständigkeit blieb hingegen zunächst unverändert. Im Zuge der Beratungen des Abgeordnetenhauses wurde schließlich ein Abänderungsantrag gestellt, mit dem die Geltendmachung sowohl des Anspruchs auf Entschädigung nach § 29 als auch der Vergütung des Verdienstentganges „bei der politischen Behörde, in deren Sprengel die betreffende Vorkehrung getroffen wurde“ geltend zu machen sei. Begründet wurde dieser Abänderungsantrag damit, dass „man ... in dem Gesetz auszuführen vergessen (hat), bei welchen Behörden und in welcher Frist der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges geltend zu machen wäre.“ Die vorgeschlagene Regelung sei „eine rein formelle Ergänzung“ (Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhauses, 135. Sitzung der 21. Session am 29. Jänner 1913, 6758). Dieser Abänderungsantrag wurde schließlich angenommen (vgl. die Stenographischen Protokolle des Abgeordnetenhauses, 136. Sitzung der 21. Session am 30. Jänner 1913, 6819). Mit der letztlich zum Gesetz gewordenen Formulierung sollte somit nicht etwa eine von den Vorentwürfen abweichende Regelung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit getroffen werden, sondern die Zuständigkeitsregelung für die Ansprüche auf Vergütung des Verdienstentganges ergänzt werden. Es findet sich aber kein Anhaltspunkt dafür, dass von dem Verständnis abgewichen werden sollte, wonach die Zuständigkeit jener Behörde festgelegt wird, in deren örtlichen Wirkungsbereich die betreffende Maßnahme faktisch umgesetzt wird. Auch den Materialien zu den späteren Änderungen dieser Bestimmung ist nicht zu entnehmen, dass insofern eine Änderung erfolgen sollte.
22 Für die von der Revisionswerberin gewünschte Auslegung der Zuständigkeitsregelung bleibt daher angesichts des insofern klaren Wortlauts des § 33 EpiG kein Raum. Dass diese Zuständigkeitsregelung für die von der Revisionswerberin geltend gemachten Ansprüche nach ihrer Ansicht nicht passt, verschlägt schon deshalb nichts, weil der von ihr geltend gemachte Verdienstentgang ‑ wie noch darzulegen ist ‑ aus einer Regelung resultiert, die sich auf § 25 EpiG stützt, für die aber in § 32 EpiG gerade keine Entschädigung vorgesehen ist und man vom Gesetzgeber nicht erwarten kann, bei seinen Zuständigkeitsregelungen auch die Geltendmachung von Ansprüchen zu erfassen, für die es keine Rechtsgrundlage gibt. Für die Revisionswerberin bedeutet das, dass sie ihren Antrag bzw. ihre Anträge bei jener/jenen Bezirksverwaltungsbehörde/n stellen muss, in deren Bereich sich die Anordnung nach ihrem Vorbringen auswirkt. Dass durch die in Rede stehenden Verordnungen des BMSGPK keine Maßnahmen im Sprengel der belangten Bezirksverwaltungsbehörde vor dem Verwaltungsgericht gesetzt worden seien, welche dadurch ein Verdienstentgang in dem auf den grenzüberschreitenden Verkehr eingeschränkten Umfang bewirkt haben können, wird von der revisionswerbenden Partei auch nicht behauptet, sodass damit sowohl der belangten Bezirksverwaltungsbehörde als auch dem erkennenden Verwaltungsgericht eine inhaltliche Entscheidung im Beschwerdeumfang zukam.
23 Im Weiteren moniert die revisionswerbende Partei in ihrer Zulässigkeitsbegründung zur Revision im Wesentlichen, dass keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage nach der Anspruchsberechtigung von Unternehmern, die durch die EinstellungsVO und die ReisebeschränkungsVO in ihrem Betrieb behindert gewesen seien und daher Vermögensnachteile im Sinn des § 32 Abs. 1 EpiG erlitten hätten, auf Leistung einer Vergütung für den erlittenen Verdienstentgang gemäß § 32 EpiG vorliege. Die Rechtslage sei keineswegs so eindeutig, dass dies als Argument gegen die Zulässigkeit der Revision spräche. Wenngleich sich die Einstellungs‑ bzw. ReisebeschränkungsVO in der Promulgationsklausel „nur“ auf § 25 EpiG und nicht (zusätzlich) auf § 20 EpiG als (weitere) Rechtsgrundlage beriefen, wären nach Ansicht der revisionswerbenden Partei unter Heranziehung des Gleichheitsgebotes bzw. bei verfassungskonformer Auslegung die auf dieser Grundlage verfügten Maßnahmen, die bei den betroffenen Unternehmen zu einer Betriebsbeschränkung bzw. ‑schließung führten, wie eine Maßnahme nach § 20 EpiG zu behandeln. Das vom Verwaltungsgericht herangezogene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juli 2002, G 2020/2020, V 408/2020, u.a., sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.
24 Auch mit diesem Vorbringen wird eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht aufgezeigt:
25 Die revisionswerbende Partei stützt ihren Anspruch ausdrücklich auf § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG. Ein Anspruch auf Vergütung für den Verdienstentgang nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG setzt ‑ ausgehend vom klaren Wortlaut dieser mit der Novelle BGBl. Nr. 702/1974 in Kraft getretenen und seither unverändert gebliebenen Norm ‑ voraus, dass das vom Anspruchswerber betriebene Unternehmen „gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist“; Anspruchsvoraussetzung danach ist also eine Betriebsbeschränkung oder ‑schließung nach der ‑ seit der Stammfassung (WV) BGBl. Nr. 186/1950 unverändert gebliebenen ‑ Bestimmung des § 20 EpiG.
26 Im gegenständlichen Fall erfolgten die Einschränkungen nach den ‑ im Zulässigkeitsvorbringen nicht in Zweifel gezogenen ‑ Ausführungen des Verwaltungsgerichts jedoch auf Grundlage der jeweils ausdrücklich auf § 25 EpiG gestützten EinstellungsVO und ReisebeschränkungsVO des BMSGPK. Sowohl nach dem klaren Wortlaut der Promulgationsklauseln wie auch nach dem Inhalt der genannten Verordnungen liegen eindeutig Maßnahmen im Sinne des § 25 EpiG vor, nicht aber Maßnahmen im Sinne des § 20 EpiG.
27 Für die von der revisionswerbenden Partei angestrebte interpretative Erweiterung des Anwendungsbereiches von § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG aufgrund von Betriebsbehinderungen nach § 20 leg. cit. auf den vorliegenden Fall bleibt angesichts seines eindeutigen Wortlautes wie auch des eindeutigen Wortlautes der maßgeblichen Verordnungen kein Raum.
28 Im Übrigen haben Gesetzgeber bzw. Verordnungserlasser des COVID‑19‑MG bzw. der „COVID‑19‑Verordnungen“ die in Rede stehenden Einschränkungen nicht isoliert erlassen, sondern „in ein umfangreiches Maßnahmen‑ und Rettungspaket eingebettet“ (vgl. die Darstellung des Verfassungsgerichtshofs im Erkenntnis vom 14.7.2020, G 202/2020, Punkt 2.3.6). Der Verwaltungsgerichtshof hegt daher keine Bedenken, wenn nicht für alle Maßnahmen nach dem EpiG, die (mittelbar) Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb eines Unternehmens haben, eine Entschädigung nach § 32 EpiG vorgesehen wird. So hat auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 26. November 2020, E 3544/2020, ausgesprochen, er habe „keine Bedenken gegen die ... Differenzierung, wonach zwar Entschädigungen im Falle kleinräumiger Verkehrsbeschränkungen (§ 24 leg. cit.) nicht jedoch im Falle ‑ letztlich alle betreffender ‑ Verkehrsbeschränkungen gegenüber dem Ausland (§ 25 leg.cit.) gewährt werden.“ Im Übrigen wurde die Rechtslage bereits durch das Erkenntnis des VwGH 24. Februar 2021, Ra 2021/03/0018, klargestellt.
29 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.
Wien, am 22. April 2021
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