VwGH Ra 2021/01/0392

VwGHRa 2021/01/039217.12.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des J E in W, vertreten durch Maga. Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunnerstraße 26/3, gegen das am 20. Juli 2021 mündlich verkündete und am 25. August 2021 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, Zl. VGW‑152/090/12973/2020‑29, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
StbG 1985 §10 Abs1 Z6
VwGG §28 Abs1 Z5
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021010392.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (Verwaltungsgericht) wurde der Antrag des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen von Nigeria, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen (I.) und eine Revision für unzulässig erklärt (II.).

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe im Zuge seines ersten Verfahrens zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft am 30. August 2016 einen gefälschten Mietvertrag für einen PKW vorgelegt, um ein hinreichendes Einkommen nachzuweisen und sich damit die Staatsbürgerschaft zu erschleichen. Das Strafverfahren wegen §§ 223 und 293 StGB (Urkundenfälschung, Fälschung eines Beweismittels) sei diversionell eingestellt worden.

3 In diesem Verfahren habe der Revisionswerber weiter ein Stipendium einer näher bezeichneten polnischen juristischen Person als Einkommensbestandteil geltend gemacht, welches eine Scheinzahlung „innerhalb seiner Sphäre“ gewesen sei. Auch wenn die Zahlung von der Staatsbürgerschaftsbehörde im Verfahren nicht berücksichtigt worden sei, habe dieses Vorbringen ebenso zum Ziel gehabt, die Staatsbürgerschaft zu erschleichen.

4 Die Mutter des Revisionswerbers sei als Beraterin der näher bezeichneten polnischen juristischen Person, deren Gesellschafter und zur Vertretung nach außen befugter Präsident des Verwaltungsrates der Revisionswerber sei, mit einem Gehalt von 3.200 Euro deklariert worden, obwohl diese keine besonderen Qualifikationen für ein derart hohes Gehalt aufgewiesen habe. Dies habe dazu gedient, die Mutter des Revisionswerbers als wirtschaftlich tragfähige Einladerin darzustellen und damit der Schwester des Revisionswerbers unter dessen maßgeblicher Mitwirkung die Einreise nach Österreich zu ermöglichen.

5 Das Bundesministerium für Inneres habe dem näher bezeichneten Forschungsverein, dessen Obmann der Revisionswerber sei, mit Bescheid vom 11. Oktober 2018 gemäß § 71 Abs. 1 NAG das Zertifikat entzogen, weil als Standort des Vereins zunächst die Wohnung eines Freundes und sodann die Wohnung des Revisionswerbers angegeben worden und der Betrieb einer Forschungseinrichtung ausgeschlossen gewesen sei. Zudem seien nicht real existierende Personen als Direktoren der Forschungseinrichtung genannt worden.

6 Die angeführten Vorkommnisse zeigten ein Persönlichkeitsbild des Revisionswerbers, aus dem sich ablesen lasse, dass er versucht habe, sich oder nahen Angehörigen durch Scheinhandlungen oder Scheinbeweise gesetzwidrig Vorteile zu verschaffen. Auch wenn der Revisionswerber seit September 2018, somit seit knapp drei Jahren, einen ordentlichen Lebenswandel habe und „auf einem guten Weg“ sei sowie sein früheres Verhalten bereue, ändere dies nichts daran, dass gerade der Versuch, die Staatsbürgerschaft durch die Vorlage eines gefälschten Mietvertrags zu erschleichen, sowie die anderen angeführten Verhaltensweisen die Vertrauenswürdigkeit des Revisionswerbers zunächst beseitigt hätten. Um die Vertrauenswürdigkeit wieder in dem Ausmaß zu erlangen, dass § 10 Abs. 1 Z 6 StbG als erfüllt angesehen werden könne, brauche es nach Ansicht des erkennenden Richters einen längeren Zeitraum des Wohlverhaltens.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Die Revision zitiert in ihrem Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision zunächst zwei Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes zu § 10 Abs. 1 Z 6 StbG aus dem Jahre 2019 und führt dann näher aus, aus welchen Gründen die vorliegende rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts rechtswidrig sei. Resümierend behauptet sie, aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichts könne keine negative Zukunftsprognose abgeleitet werden.

12 In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. für viele VwGH 15.9.2021, Ra 2021/01/0210, mwN).

13 Dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG wird insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen oder das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, in einer Weise vermengt ist, dass keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe im Sinne der Anordnung des § 28 Abs. 3 VwGG vorliegt (vgl. etwa VwGH 24.3.2021, Ra 2021/01/0086, mwN).

14 Diesen Anforderungen entspricht die vorliegende Zulässigkeitsbegründung, deren Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen, nicht.

15 Im Übrigen begegnet die vom Verwaltungsgericht auch aufgrund des persönlichen Eindrucks in einer mündlichen Verhandlung gewonnene Auffassung, im vorliegenden Einzelfall könne im Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht von einem längeren Wohlverhalten des Revisionswerbers seit dem zuletzt von ihm begangenen und für die negative Prognose als tragend angesehenen Fehlverhalten ausgegangen werden (vgl. dazu etwa VwGH 19.5.2021, Ra 2021/01/0058, mwN), keinen vom Verwaltungsgerichtshof im Revisionsmodell aufzugreifenden Bedenken (vgl. zur Rolle des Verwaltungsgerichtshofes im Revisionsmodell etwa VwGH 20.10.2021, Ra 2021/14/0283, mwN).

16 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 17. Dezember 2021

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