VwGH Ra 2021/01/0327

VwGHRa 2021/01/032722.10.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des T A, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 28. Juni 2021, Zl. VGW‑152/022/7002/2021‑2, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

IPRG §6
StbG 1985 §10 Abs1 Z6
StbG 1985 §11
StGB §192

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021010327.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Vorgeschichte

1 Im Erkenntnis vom 14. Dezember 2018, Ra 2018/01/0406, hat der Verwaltungsgerichtshof zu einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien (Verwaltungsgericht) betreffend einen Antrag des Revisionswerbers, eines ägyptischen Staatsangehörigen, vom 22. Juni 2009 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zusammenfassend festgehalten, das vom (nunmehrigen) Revisionswerber vorgenommene Eingehen einer mehrfachen Ehe (Bigamie) samt seiner im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zum Ausdruck gekommenen Einstellung hiezu sei als Verhalten zu qualifizieren, welches das Verleihungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) verwirkliche (Rn. 50 f). Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof unter anderem aus, die vom (nunmehrigen) Revisionswerber im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorgebrachten Gründe für das Eingehen einer mehrfachen Ehe, insbesondere die Rechtfertigung, er sei die zweite Ehe „nur“ aus religiösen Gründen eingegangen, dokumentierten, dass weiterhin von einem fehlenden Bekenntnis des Mitbeteiligten nach § 11 StbG zu den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft auszugehen sei (Rn. 50). Das in der Revisionsbeantwortung erstattete Vorbringen, die während eines Kurzurlaubes aus religiösen Gründen und unter dem Versprechen der Geheimhaltung zustande gekommene Eheschließung habe nach ägyptisch‑islamischem Recht keine Rechtsgültigkeit entfaltet, stellte eine nach § 41 VwGG unbeachtliche Neuerung dar (Rn. 38). Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen (der Verwaltungsgerichtshof hat diese Rechtsprechung zwischenzeitlich auch fortgeführt: vgl. VwGH 19.5.2021, Ra 2019/01/0343).

2 Mit Erkenntnis vom 11. Oktober 2019, Ra 2019/01/0373, führte der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die im fortgesetzten Verfahren ergangene Ersatzentscheidung des Verwaltungsgerichts aus, das Vorbringen, der Revisionswerber habe ein näher bezeichnetes Beweismittel zu den Rechtswirkungen seiner Ehe nicht vorlegen können, könne eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung schon deshalb nicht dartun, weil das Verwaltungsgericht in Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes auf die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zum Ausdruck gekommene Einstellung des Revisionswerbers abgestellt habe (Verweis auf die Rn. 50 des Vorerkenntnisses).

Angefochtenes Erkenntnis

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der neuerliche Antrag des Revisionswerbers vom 28. Juli 2020 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft in der Sache gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG abgewiesen (I.) und eine Revision für nicht zulässig erklärt (II.).

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, an der Einstellung des Revisionswerbers habe sich nach wie vor nichts geändert. Der Revisionswerber rechtfertige sein damaliges Verhalten nach wie vor damit, es sei bei dieser (nach islamischem Recht wirksamen) Zweitehe um die Ermöglichung „reiner Sexualität im religiösen Bereich“ gegangen. Auch sei ein nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG maßgebliches, längeres Wohlverhalten im vorliegenden Fall nicht zu erkennen.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

Zulässigkeit

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Vorliegend bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht sei von (näher zitierter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es dem Revisionswerber „begründungslos“ das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG unterstelle (Verweis unter anderem auf die oben angeführte Rechtsprechung).

10 Überdies fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „zur ‚Urfi‑Ehe‘ also einen Ehevertrag in Ägypten, um nach islamischem Recht aus religiösen Gründen einen ‚Geschlechtsverkehr‘ zu legalisieren bzw. um einen ‚sündenfreien Geschlechtsverkehr‘ vornehmen zu könne, welcher in Abwesenheit des Brautvormundes von nicht zwei anwesenden Zeugen unterschrieben wird und im Vertrag vereinbart wird, dass die Ehe geheim bleibe, wodurch dieser ‚Ehevertrag‘ sowohl in Ägypten als auch in Österreich rechtlich keine rechtsgültige Eheschließung darstellt“.

11 Die übrigen Ausführungen im Zulässigkeitsvorbringen stellen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) dar und entsprechen daher nicht dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG (vgl. etwa VwGH 21.7.2021, Ra 2021/01/0223‑0224, mwN).

12 Ein Abweichen von der ‑ oben angeführten ‑ vorliegend maßgeblichen Rechtsprechung liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht ist in einer nicht unvertretbaren Beurteilung des Einzelfalls und mit näherer Begründung davon ausgegangen, dass sich die Einstellung des Revisionswerbers nach wie vor nicht geändert habe.

13 Insoweit die Revision Rechtsprechung zur sog. „Urfi‑Ehe“ vermisst, unterlässt sie es, vor dem Hintergrund der oben angeführten Rechtsprechung zu § 10 Abs. 1 Z 6 iVm § 11 StbG auszuführen, worin die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bestehe, zu der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes vermisst wird (vgl. für viele VwGH 15.9.2021, Ra 2021/01/0210, wonach in der gesonderten Zulassungsbegründung konkret darzulegen ist, welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch gar nicht beantwortet hat).

14 In diesem Zusammenhang bringt die Revision an anderer Stelle im Zulässigkeitsvorbringen vor, die vom Revisionswerber geschlossene Ehe nach islamischem Recht habe (einer Entscheidung des Kassationsgerichtes in Ägypten folgend) keine Rechtswirkungen einer Eheschließung im Sinne des § 16 Abs. 1 IPRG entfaltet. Mit diesem Beweismittel (der Entscheidung des Kassationsgerichtes in Ägypten) habe sich das Verwaltungsgericht nicht auseinandergesetzt. Zu diesem Vorbringen ist auf die ‑ obzitierte ‑ Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, nach der das Vorbringen, der Revisionswerber habe ein näher bezeichnetes Beweismittel zu den Rechtswirkungen seiner Ehe nicht vorlegen können, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung schon deshalb nicht dartun könne, weil das Verwaltungsgericht in Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes auf die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zum Ausdruck gekommene Einstellung des Revisionswerbers abgestellt hat (vgl. VwGH 11.10.2019, Ra 2019/01/0373).

15 Wie bereits im Erkenntnis Ra 2018/01/0406 ausgeführt, ist es für die Beurteilung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG unerheblich, ob die vom Mitbeteiligten (in Ägypten) eingegangene mehrfache Ehe (Bigamie) in Österreich von ordentlichen Gerichten oder Verwaltungsbehörden geahndet wurde bzw. werden konnte. Wesentlich ist vielmehr, dass das Eingehen einer mehrfachen Ehe (Bigamie) ‑ wie dargestellt ‑ die geschützten Grundwertungen des österreichischen Rechts verletzt und somit von einem fehlenden Bekenntnis des Mitbeteiligten nach § 11 StbG zu den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft auszugehen ist. Fallbezogen dokumentierten die vom (nunmehrigen) Revisionswerber vorgebrachten Gründe für das Eingehen einer mehrfachen Ehe, insbesondere die Rechtfertigung, er sei die zweite Ehe „nur“ aus religiösen Gründen eingegangen, dass weiterhin von einem fehlenden Bekenntnis des Mitbeteiligten nach § 11 StbG zu den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft auszugehen ist.

16 Nach dieser Rechtsprechung kann es dahingestellt bleiben, welche Rechtsfolgen die vom Revisionswerber eingegangene Ehe nach islamischem Recht in der ägyptischen Rechtsordnung ausgelöst hat, weil diese Ehe ‑ wie in der Vorjudikatur angeführt und vom Verwaltungsgericht rechtsrichtig berücksichtigt ‑ von der Einstellung des Revisionswerbers getragen war, er dürfe aus religiösen Gründen eine mehrfache Ehe eingehen.

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 22. Oktober 2021

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