Normen
AsylG 2005 §7 Abs1
BFA-VG 2014 §9 Abs1
BFA-VG 2014 §9 Abs2
FrPolG 2005 §52
MRK Art8
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §28
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021010091.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) wurde dem Revisionswerber, einem Staatsangehörigen der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) aberkannt, und in der Sache festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme, der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei, eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt und ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Weiter wurde ausgesprochen, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
2 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Mit Beschluss vom 18. Jänner 2021, E 4277/2020‑7, lehnte der VfGH die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
3 Sodann erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. für viele etwa VwGH 22.2.2021, Ra 2021/01/0047, mwN).
8 Dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG wird insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen oder das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, in einer Weise vermengt ist, dass keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe im Sinne der Anordnung des § 28 Abs. 3 VwGG vorliegt (vgl. etwa VwGH 15.2.2021, Ra 2021/01/0040, mwN).
9 Vorliegend stellt das Vorbringen, die Aberkennung des Asylstatus und die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Revisionswerber sei weitgehend unbegründet und „anscheinend nach Folge einer unsachlichen Ermessensentscheidung außerhalb des Rahmens des Gesetzes“, keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe im obigen Sinne dar, auch wenn es unter dem Titel „Zulässigkeit der Revision“ erstattet wurde. Auch das weitere Vorbringen unter diesem Titel stellt in weiten Teilen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) dar, indem die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses behauptet wird. Dies wird schon daran deutlich, dass die Revision unter dem Titel „Revisionsgründe“ auf die Ausführungen „zur Zulässigkeit der Beschwerde“ verweist und diese zum Inhalt der Revisionsgründe macht.
10 Insoweit die Revision darüber hinaus eine Abweichung von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet, weil dem Revisionswerber mit Bezug auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen gewesen wäre, ist darauf hinzuweisen, dass sich das Recht auf Parteiengehör auf den von der Behörde festzustellenden maßgebenden Sachverhalt bezieht und die Behörde nicht gehalten ist, die Partei zu der von ihr vertretenen Rechtsansicht anzuhören, ihr also mitzuteilen, welche Vorgangsweise sie in rechtlicher Hinsicht auf Grund des als maßgeblich festgestellten Sachverhaltes ins Auge fasst (vgl. VwGH 20.5.2020, Ra 2020/01/0138, mwN). Im Übrigen wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers nicht in konkreter Weise, also fallbezogen dargetan (vgl. für viele etwa VwGH 22.2.2021, Ra 2021/01/0047, mwN). Auch ist es dem Verwaltungsgericht nicht verwehrt, bei Verneinung einer der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 AsylG 2005 die anderen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 AsylG 2005 zu prüfen (vgl. VwGH 29.6.2020, Ro 2019/01/0014).
11 Wenn die Revision (unter Hinweis auf eine Integration des Revisionswerbers in Österreich) eine Abweichung „entgegen der gesicherten Rechtsprechung des VwGH gerade was die Abwägung der persönlichen und familiären Interessen nach Art. 8 EMRK betrifft“ behauptet, wird zunächst nicht konkret dargelegt, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen worden sei. Darüber hinaus ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, nach der eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen ‑ wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist (vgl. für viele VwGH 18.3.2019, Ra 2019/01/0068, mwN). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt auch ein mehr als zehnjähriger Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte dann nicht zwingend zu einem Überwiegen des persönlichen Interesses, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren. Insbesondere strafrechtliche Verurteilungen stellen derartige Umstände dar, die die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland und eine erfolgte Integration relativieren können, wobei in dem Zusammenhang auch länger zurückliegende Straftaten berücksichtigt werden können (vgl. VwGH 6.10.2020, Ra 2019/19/0332, mwN). Vor dem Hintergrund der im angefochtenen Erkenntnis festgestellten Straftaten ist der durchgeführten Interessenabwägung nicht entgegen zu treten.
12 Mit dem pauschalen Vorbringen, das BVwG sei „in unrichtiger Rechtsansicht und Abweichung von der höchstgerichtlichen Judikatur“ nicht auf das (behauptete) Nichtvorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative eingegangen, wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt (vgl. im Übrigen auch VwGH 10.2.2021, Ra 2020/18/0205, Rn. 18).
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 2. April 2021
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