VwGH Ra 2021/01/0049

VwGHRa 2021/01/004915.3.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching, Mag. Brandl und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des Sportklubs V in S, vertreten durch die Rohregger Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Rotenturmstraße 17/15, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 16. Juni 2020, Zl. LVwG‑AV‑1246/001‑2019, betreffend Anordnung einer Überwachung nach § 48a SPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Amstetten; mitbeteiligte Partei: Verein S in A), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1294
AVG §57
AVG §58 Abs2
AVG §59 Abs1
AVG §60
B-VG Art10 Abs1 Z7
B-VG Art133 Abs4
SPG 1991 §27a
SPG 1991 §3
SPG 1991 §48a
SPG 1991 §5a
SPG 1991 §5a Abs1
SPG 1991 §5b
SPG 1991 §5b Abs3
VwGG §39 Abs2 Z1
VwGG §39 Abs2 Z6
VwGVG 2014 §14
VwGVG 2014 §28
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021010049.L00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Vorgeschichte

1 Mit Mandatsbescheid vom 2. September 2019 wurde durch die Bezirkshauptmannschaft Amstetten (belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht; BH) gemäß § 48a Sicherheitspolizeigesetz (SPG) die besondere Überwachung des Vorhabens „Fußballspiel mitbeteiligte Partei gegen Revisionswerber“ am 13. September 2019 im E Stadion in Amstetten mit bis zu 40 Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einschließlich bis zu 4 Diensthundeführern angeordnet.

2 Mit Bescheid der BH vom 2. Oktober 2019 wurde dieser Bescheid nach Erhebung einer Vorstellung durch den Revisionswerber bestätigt.

Angefochtenes Erkenntnis

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der BH vom 2. Oktober 2019 gemäß § 28 VwGVG als unbegründet abgewiesen (1.) und eine Revision für nicht zulässig erklärt (2.).

4 Begründend traf das Verwaltungsgericht zunächst umfangreiche Feststellungen zum Verhalten der „Fans“ des Revisionswerbers vor dem gegenständlichen Fußballspiel und führte beweiswürdigend aus, aus dem Akteninhalt und den darin enthaltenen Urkunden sei insbesondere ersichtlich, dass die Sicherheitsbehörden zu einer entsprechenden Gefährdungseinschätzung gekommen seien und dieses Gefährdungspotenzial nahezu ausschließlich den Erfahrungen auf Grund des bisherigen Verhaltens der „Fans“ des Revisionswerbers zuzurechnen sei.

5 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht ‑ soweit vorliegend wesentlich ‑ aus, aufgrund des festgestellten Sachverhalts, insbesondere der Gefährdungseinschätzung der Polizei auf Grund bisheriger Vorfälle, sei evident, dass „einerseits die erforderliche Überwachung zweifellos gegeben war und andererseits, dass diese Überwachung auch fast ausschließlich durch das Verschulden“ des Revisionswerbers „hervorgerufen wurde“. Auf Grund bereits bisheriger zahlreicher gewalttätiger Vorfälle seitens der „Fans“ des Revisionswerbers sei ein entsprechend hohes Risikopotenzial vorhanden gewesen, welches „praktisch ausschließlich“ dem Gastverein zuzurechnen gewesen sei. Hingegen seien die „Fans“ der mitbeteiligten Partei als keinesfalls relevant für ein allfälliges Risikopotenzial „dargestellt“ worden. Die Notwendigkeit der erforderlichen Überwachung im Interesse der öffentlichen Sicherheit und zur Verhinderung von Gewalttaten sei somit fast ausschließlich dem „bisherigen Fanverhalten“ des Revisionswerbers zuzurechnen.

6 Auch könne der Ansicht nicht gefolgt werden, dass das Vorhaben friedlich verlaufen wäre, zumal aktenkundig sei, dass die negative Prognose insofern eingetreten sei, als es tatsächlich zu Übertretungen des Pyrotechnikgesetzes durch teilweise vermummte „Fans“ des Revisionswerbers gekommen sei. Weiters habe auch ein Überklettern der Absperrungen durch „Fans“ der Gastmannschaft nur durch polizeiliches Einschreiten unterbunden werden können. Die Abreise der „Gästefans“ sei wiederum durch den Einsatz von Pyrotechnik und einem erforderlichen polizeilichen Einschreiten „überschattet“ gewesen.

7 Für das Ausmaß der Überwachung lägen genaue Berechnungen im Zusammenhang mit der Gefahreneinschätzung vor und sei auch das Ausmaß der Überwachung schlüssig und nachvollziehbar.

8 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Der VfGH lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 24. November 2020, E 2422/2020-7, ab und trat die Beschwerde über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 30. Dezember 2020, E 2411/2020‑9, gemäß Art. 144 Abs. 3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

9 Sodann erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zulässigkeit

10 Der Revisionswerber erachtet sich durch das angefochtene Erkenntnis in seinem Recht auf Nichtanordnung der Überwachung verletzt.

11 Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision vor, die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe sich bisher nicht mit der Frage auseinandergesetzt, inwiefern ein allfälliges rechtswidriges schuldhaftes Verhalten der Zuseher eines Fußballspieles bzw. des „Fanklientels“ dem Verein zuzurechnen sei. Im „Beschluss“ vom 22. Mai 2014, Ro 2014/01/0024, habe der Verwaltungsgerichtshof bereits einen sehr ähnlich gelagerten Fall entschieden. Dort habe der Verwaltungsgerichtshof lediglich festgehalten, dass es sich bei der Entscheidung über die Überwachung nach § 48a SPG um eine Prognoseentscheidung handle. Inwiefern oder auf welcher Grundlage es zu einer Zurechnung des störenden Verhaltens der „Fans“ zum Verein kommen solle, habe der Verwaltungsgerichtshof offengelassen. Eine gesetzliche Grundlage dafür, dass dem Verein das Verhalten der „Fans anzulasten“ sei, gebe es nicht. Fanverhalten könne ohne gesetzliche Grundlage dem Revisionswerber nicht zugerechnet werden. Es liege auch keine Rechtsprechung vor, anhand welcher Kriterien das (störende) Fanverhalten als ein solches des Vereins zu beurteilen wäre.

12 Zudem habe sich das Verwaltungsgericht nicht mit dem Beschwerdevorbringen auseinandergesetzt, ein Verschulden an der Verursachung der Überwachung scheide aus, weil weder nach § 1315 ABGB eine deliktische Haftung des Revisionswerbers für Personen, die nicht Repräsentanten oder Organe seien, noch die Repräsentantenhaftung zur Anwendung gelange.

13 Die Revision ist zulässig.

14 In der vorliegenden Revisionssache stellt sich die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob und nach welchen Kriterien das Verschulden nach § 5b Abs. 3 zweiter Fall SPG bereits im Rahmen der Anordnung einer besonderen Überwachung nach § 48a SPG zu beurteilen ist bzw. in welchem Verhältnis die beiden genannten Bestimmungen des SPG stehen.

Rechtslage

15 Die maßgeblichen Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl. Nr. 566/1991 in der vorliegend (ausgehend von der Erlassung des Mandatsbescheides) maßgeblichen Fassung des Gewaltschutzgesetzes 2019, BGBl. I Nr. 105/2019, (SPG) lauten (Unterstreichungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

Überwachungsgebühren

§ 5a. (1) Für besondere Überwachungsdienste durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, die auf Grund der Verwaltungsvorschriften für Vorhaben mit Bescheid angeordnet oder bewilligt werden, sind Überwachungsgebühren einzuheben, wenn es sich um die Überwachung von Vorhaben handelt, die ‑ wenn auch nur mittelbar ‑ Erwerbsinteressen dienen, oder um Vorhaben, für die die Zuseher oder Besucher ein Entgelt zu entrichten haben oder die nicht jedermann zur Teilnahme offenstehen.

...

Entrichtung der Überwachungsgebühren

§ 5b. (1) Die Überwachungsgebühren sind, wenn sie nicht ohne weiteres entrichtet werden, von jener Behörde vorzuschreiben, die die Überwachung anordnet oder bewilligt. ...

(2) Der mit der Führung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes betrauten Behörde kommt im Verfahren gemäß Abs. 1 Parteistellung zu, soferne sie nicht selbst zur Bescheiderlassung zuständig ist.

(3) Die Verpflichtung zur Entrichtung von Überwachungsgebühren trifft denjenigen, der das Vorhaben, dessen Überwachung bewilligt oder angeordnet wurde, durchführt. Wurde die Überwachung von einer anderen Person beantragt oder durch das Verschulden einer anderen Person verursacht, so sind die Überwachungsgebühren von dieser zu tragen. Treffen die Voraussetzungen auf mehrere Beteiligte zu, so trifft alle die Verpflichtung zur Entrichtung zu ungeteilter Hand.

...

Besonderer Überwachungsdienst

§ 27a. Den Sicherheitsbehörden obliegt im Rahmen des Streifen- und Überwachungsdienstes (§ 5 Abs. 3) die besondere Überwachung gefährdeter Vorhaben, Menschen oder Sachen in dem Maße, in dem der Gefährdete oder der für das Vorhaben oder die Sache Verantwortliche nicht bereit oder in der Lage ist, durch zumutbare Vorkehrungen den erforderlichen Schutz zu gewährleisten und die dadurch entstehende Gefahr im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit nicht hingenommen werden kann.

...

Anordnung von Überwachungen

§ 48a. Soferne eine besondere Überwachung im Rahmen des Streifen- und Überwachungsdienstes nach § 27a erforderlich ist und die Voraussetzungen für die Einhebung der Überwachungsgebühren (§ 5a Abs. 1) vorliegen, hat die Sicherheitsbehörde die Überwachung von Amts wegen oder auf Antrag desjenigen, der das Vorhaben durchführt, mit Bescheid anzuordnen.“

Anordnung einer besonderen Überwachung (§ 48a SPG)

16 § 48a SPG wurde durch das Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201, in das SPG eingefügt. Die Erläuterungen (RV BlgNR 20. GP, 293) führen dazu unter anderem aus:

„Für die Anordnung einer besonderen Überwachung nach § 27a sind die Sicherheitsbehörden zuständig. Diese hat unter bestimmten Voraussetzungen mit Bescheid zu erfolgen. ... Die Vorschreibung der Gebühren erfolgt unter den Voraussetzungen des § 5a nach dem Verfahren des § 5b. .... In sicherheitspolizeilichen Angelegenheiten wird eine Überwachung in manchen Fällen durch Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen sein.“

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zur Anordnung einer Überwachung nach § 48a SPG bereits klargestellt, dass die Erlassung eines Überwachungsbescheides gemäß § 48a SPG neben dem Vorliegen der Voraussetzungen für die Einhebung von Überwachungsgebühren gemäß § 5a SPG das Erfordernis einer besonderen Überwachung nach § 27a SPG voraussetzt. Diese besondere Überwachung bezieht sich auf gefährdete Vorhaben, Menschen oder Sachen. Letztere sind demnach nicht Gefahrenquelle, sondern Objekt der Gefährdung. Die besondere Überwachung gemäß § 27a letzter Satz SPG ‑ daneben gibt es auch besondere Überwachungsdienste auf Grund anderer Verwaltungsvorschriften ‑ soll die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit gewährleisten, wobei diese Aufgabe, soweit es sich nicht bloß um Angelegenheiten der örtlichen Sicherheitspolizei handelt, den Sicherheitsbehörden übertragen ist. § 27a SPG überträgt den Sicherheitsbehörden die Überwachung gefährdeter Vorhaben aber nur in dem Maße, in dem der dafür Verantwortliche zur Schutzgewährung nicht bereit oder nicht in der Lage ist (vgl. VwGH 17.9.2002, 99/01/0387, mwN).

18 Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit eines Bescheides im Sinn des § 48a SPG ist einerseits, dass der für das Vorhaben Verantwortliche nicht bereit oder in der Lage ist, durch zumutbare Vorkehrungen den erforderlichen Schutz zu gewährleisten und die dadurch entstehende Gefahr im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit nicht hingenommen werden kann, und andererseits, dass die Voraussetzungen des § 5a Abs. 1 SPG hinsichtlich der Überwachungsgebühren gegeben sind (vgl. VwGH 10.1.2011, 2010/17/0253).

19 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Entscheidung über die Überwachung nach § 48a SPG um eine Prognoseentscheidung, bei der die Behörde auf Grund von in der Vergangenheit liegenden Ereignissen auf die Notwendigkeit der Überwachung zu schließen hat (vgl. VwGH 22.5.2014, Ro 2014/01/0024, mwN).

Verschulden (§ 5b Abs. 3 zweiter Satz SPG)

20 Die Anordnung der Überwachung nach § 48a SPG ist rechtlich ‑ wie auch die (oben wiedergegebenen) Erläuterungen zeigen ‑ von der Vorschreibung von Überwachungsgebühren und dem diesbezüglichen Verfahren nach § 5b SPG zu unterscheiden.

21 Zum Verhältnis einer Anordnung der Überwachung nach § 48a SPG zur Vorschreibung von Überwachungsgebühren nach den §§ 5a, 5b SPG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten, dass die Rechtmäßigkeit eines rechtskräftigen, die Überwachung anordnenden Bescheides aus Anlass eines Beschwerdefalles betreffend die Entrichtung der Überwachungsgebühren für diese rechtskräftig angeordnete Überwachung nicht mehr zu untersuchen ist. Die Rechtmäßigkeit einer rechtskräftigen bescheidmäßigen Anordnung einer Überwachung, in der auch die Anzahl der einzusetzenden Sicherheitsorgane angegeben wurde, kann, wenn sie unbekämpft gelassen wurde, im Verfahren zur Vorschreibung von Überwachungsgebühren nicht mehr releviert werden. In diesem Verfahren ist insoweit alleine zu untersuchen, ob der Vorschreibung der Überwachungsgebühren zu Recht der entsprechende Gebührensatz zugrunde gelegt wurde (vgl. zu allem mit Verweisen auf die Vorjudikatur VwGH 22.5.2014, Ro 2014/01/0024).

22 Das Verschulden nach § 5b Abs. 3 zweiter Satz SPG ist gegebenenfalls im Verfahren zur Vorschreibung von Überwachungsgebühren zu prüfen.

23 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung auf diese Bestimmung (nach der, wenn die Überwachung von einer anderen Person beantragt oder durch das Verschulden einer anderen Person verursacht wurde, die Überwachungsgebühren von dieser Person zu tragen sind) bereits hingewiesen. In der dortigen Revisionssache erkannte es der Verwaltungsgerichtshof als nicht rechtswidrig, dass die Behörde den Bescheid über die Anordnung der Überwachung nach § 48a SPG auch der (dortigen) Revisionswerberin, die für eine Entrichtung der Überwachungsgebühren nach § 5b Abs. 3 zweiter Satz SPG in Betracht kommt, zugestellt hat. Diese Anordnung der Überwachung erfolgte von Amts wegen gegenüber der (dortigen) mitbeteiligten Partei und gegenüber der (dortigen) Revisionswerberin anlässlich des Meisterschaftsspiels der (dort) mitbeteiligten Partei gegen die (dortige) Revisionswerberin (Regionalliga West, Saison 2013/2014) am 28. September 2013 im Fußballstadion K (K Arena = Grenzlandstadion). Dadurch wurde der (dortigen) Revisionswerberin bereits in diesem Stadium die Möglichkeit gegeben, sich gegen die Anordnung der Überwachung, insbesondere gegen die vorgeschriebene Anzahl der einzusetzenden Sicherheitsorgane zu wenden (vgl. zu allem VwGH 22.5.2014, Ro 2014/01/0024).

24 Diese Rechtsprechung wurde ‑ wie angeführt ‑ von der Überlegung getragen, dass (nach der Vorjudikatur) die Rechtmäßigkeit einer rechtskräftigen Anordnung einer Überwachung im Verfahren zur Vorschreibung von Überwachungsgebühren nicht mehr releviert werden kann und es daher nicht rechtswidrig ist, einer Person (wie in der dortigen Revisionssache dem Gastverein), die für eine Entrichtung der Überwachungsgebühren nach § 5b Abs. 3 zweiter Satz SPG in Betracht kommt, den Bescheid über die Anordnung der Überwachung zuzustellen, um ihr bereits in diesem Stadium die Möglichkeit zu geben, sich gegen die Anordnung der Überwachung, insbesondere gegen die vorgeschriebene Anzahl der einzusetzenden Sicherheitsorgane, zu wenden.

25 Davon zu trennen ist aber die Frage, ob ein Verschulden dieser Person nach § 5b Abs. 3 zweiter Satz SPG vorliegt. Diese Frage ist eine Voraussetzung für eine (allfällige) Verpflichtung zur Entrichtung von Überwachungsgebühren, die im Verfahren nach § 5b SPG zu prüfen ist. Das Verschulden ist daher auch nicht Teil der (ex ante) Prognoseentscheidung nach § 48a SPG, sondern erst im Verfahren nach § 5b SPG zu beurteilen.

26 Die Aussagen des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 22. Mai 2014, Ro 2014/01/0024, zu der (im dortigen Fall vorgenommenen) Prognoseentscheidung nach § 48a SPG sind vor diesem Hintergrund zu sehen. So führte der Verwaltungsgerichtshof zu dem gegen die Prognoseentscheidung gerichteten Vorbringen, ein Verschulden der Revisionswerberin im Sinne des § 5b Abs. 3 zweiter Satz SPG sei nicht gegeben, aus, die Prognoseentscheidung sei schlüssig und nachvollziehbar begründet worden und gegen die dieser Prognoseentscheidung zugrunde liegenden Feststellungen „(insbesondere der Einschätzung, dass die Fans der Revisionswerberin als problematisch einzuschätzen, weswegen in der Vergangenheit bereits Spiele der Revisionswerberin abgesagt oder als „Geisterspiele“ ausgetragen worden seien)“ sei nichts Stichhältiges vorgebracht worden (vgl. VwGH 22.5.2014, Ro 2014/01/0024). Damit hat der Verwaltungsgerichtshof klargemacht, dass im Rahmen einer Prognoseentscheidung nach § 48a SPG auch auf Grund eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens von „Fans“ eines Gastvereins eines näher bezeichneten Fußball-Meisterschaftsspiels auf die Notwendigkeit einer besonderen Überwachung geschlossen werden kann.

27 Auf diese zur Anordnung einer Überwachung nach § 48a SPG aufgestellten Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner weiteren Rechtsprechung verwiesen und dazu klargestellt, dass das SPG für die Anordnung von Überwachungen keine zwischen Amateur- und Profisportveranstaltungen differenzierenden Vorschriften trifft (vgl. VwGH 17.10.2017, Ra 2017/01/0301, mit Verweis auf VwGH 22.5.2014, Ro 2014/01/0024).

28 Die nach § 48a SPG vorzunehmende sicherheitspolizeiliche Prognoseentscheidung, die ex ante erfolgt und in manchen Fällen durch Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen sein wird (vgl. zu Letzterem die oben wiedergegebenen Erläuterungen), beinhaltet aber ‑ wie erwähnt ‑ keine Beurteilung eines (allfälligen) Verschuldens nach § 5b Abs. 3 zweiter Satz SPG. Das Verschulden ist vielmehr erst im Verfahren nach § 5b SPG zu beurteilen.

29 Bei der Prüfung der Frage, ob ein nach § 5b Abs. 3 zweiter Satz SPG erforderliches Verschulden gegeben ist, ist vom Verschuldensbegriff des § 1294 ABGB auszugehen. Ein solches Verschulden fällt jemandem nur zur Last, wenn ihn zumindest der Vorwurf trifft, er habe es an der gehörigen Aufmerksamkeit oder dem gehörigen Fleiß fehlen lassen. Die in § 5b Abs. 3 zweiter Satz SPG vorgesehene Heranziehung einer Person setzt weiters voraus, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem schuldhaften Verhalten der Person und der angeordneten Überwachung bestand (vgl. insoweit zum Verschulden nach § 76 Abs. 2 AVG VwGH 17.10.2007, 2006/07/0163, mwN).

30 Hinzuweisen ist auf § 5b Abs. 3 letzter Satz SPG. Nach dieser Bestimmung trifft im Fall einer Schuldnermehrheit die Verpflichtung zur Entrichtung zu ungeteilter Hand alle. Der von der Behörde in Anspruch genommene Schuldner kann im privatrechtlichen Innenverhältnis von den anderen Solidarschuldnern Regress nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften begehren (vgl. Wimmer in Thanner/Vogl SPG2 [2013], Anm. 13 zu § 5b).

Einzelfallbezogene Beurteilung

31 Diese Rechtslage bedeutet für den vorliegenden Einzelfall Folgendes:

32 Was Gegenstand eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides einer Behörde ist, bestimmt sich ausschließlich nach dem Inhalt des Spruches des Bescheides. Nur er erlangt rechtliche Geltung (Verbindlichkeit) und legt dadurch die Grenzen der Rechtskraft fest. Die Bescheidbegründung spielt hierfür nur insoweit eine Rolle, als (auch) sie zu der (nach den für Gesetze maßgebenden Regeln vorzunehmenden) Auslegung (Deutung), nicht aber zur Ergänzung eines in sich unklaren Spruches heranzuziehen ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine Auslegung des Spruchs eines Bescheides nach dessen Begründung nur in jenen Fällen in Betracht, in denen der Spruch für sich allein Zweifel an seinem Inhalt offen lässt. Dagegen kommt eine Umdeutung (oder auch Ausweitung) eines klar gefassten Spruches anhand der Begründung des Bescheides nicht in Betracht. Ist somit der Spruch des Bescheides eindeutig, dann kommt der Begründung eine den Inhalt des Bescheides modifizierende Wirkung nicht zu (vgl. zu allem VwGH 9.6.2020, Ra 2020/10/0016, mwN).

33 Durch die Abweisung der Beschwerde bringt das Verwaltungsgericht zum Ausdruck, den Spruch des mit Beschwerde bekämpften Bescheides der vor ihm belangten Behörde zu übernehmen (vgl. VwGH 7.5.2020, Ra 2019/10/0122‑0123, mwN).

34 Die aus der Normativität des Bescheides (des Erkenntnisses) erfließenden Wirkungen kommen nur der im Spruch zum Ausdruck gebrachten Anordnung zu und die Begründung entfaltet nur ausnahmsweise eine gewisse Bindungswirkung (vgl. VwGH 16.6.2020, Ra 2018/04/0168, mwN).

35 Vorliegend hat das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet abgewiesen und somit den Spruch des bekämpften Bescheides der BH vom 2. Oktober 2019 übernommen. Dieser Vorstellungsbescheid ersetzte bzw. bestätigte inhaltlich wiederum den Mandatsbescheid vom 2. September 2019 und die dort getroffene Anordnung der besonderen Überwachung nach § 48a SPG (vgl. zum Mandatsbescheid nach § 57 AVG, der durch den Vorstellungsbescheid ersetzt wird VwGH 27.11.2020, Ra 2020/16/0151, Rn. 15, mwN). Diese spruchmäßige Anordnung der Überwachung ist eindeutig. Der Begründung kommt daher eine den Inhalt des Bescheides modifizierende Wirkung nicht zu.

36 Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Rechtslage ändern auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichts über ein Verschulden des Revisionswerbers nichts am alleine maßgeblichen Inhalt der (bloßen) Anordnung einer Überwachung eines näher bezeichneten Vorhabens gemäß § 48a SPG.

37 Wie angeführt, beinhaltet die nach § 48a SPG vorzunehmende sicherheitspolizeiliche Prognoseentscheidung keine Beurteilung eines (allfälligen) Verschuldens nach § 5b Abs. 3 zweiter Satz SPG. Das Verschulden ist vielmehr erst im Verfahren nach § 5b SPG zu beurteilen.

38 Die vorliegende Prognoseentscheidung begegnet dagegen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung zu § 48a SPG keine Bedenken. Insbesondere kann nach dieser Rechtsprechung im Rahmen einer Prognoseentscheidung nach § 48a SPG auch auf Grund eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens von „Fans“ eines Gastvereins eines Fußball‑Meisterschaftsspiels auf die Notwendigkeit einer besonderen Überwachung geschlossen werden (vgl. VwGH 22.5.2014, Ro 2014/01/0024, und VwGH 17.10.2017, Ra 2017/01/0301).

39 Die von der Revision vermissten Ausführungen zum Verschulden des Revisionswerbers haben erst im Rahmen des Verfahrens der Gebührenvorschreibung nach § 5b SPG zu erfolgen.

Ergebnis

40 Der Inhalt der vorliegenden Revision lässt somit erkennen, dass die vom Revisionswerber behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen. Die Revision war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

41 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 und 6 VwGG Abstand genommen werden, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und in der vorliegenden Revision zur Zulässigkeit entsprechend Art. 133 Abs. 4 B‑VG Rechtsfragen aufgeworfen wurden, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (vgl. VwGH 11.10.2016, Ra 2016/01/0169, mwN).

Wien, am 15. März 2021

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