VwGH Ro 2020/15/0024

VwGHRo 2020/15/00247.9.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts für Großbetriebe, Radetzkystraße 2, 1030 Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 12. Mai 2020, Zl. RV/1100284/2019, betreffend Feststellung gemäß § 6a Abs. 3 KStG 1988 (mitbeteiligte Partei: V GmbH in D, vertreten durch Dr. Karl Rümmele und Dr. Birgitt Breinbauer, Rechtsanwälte in 6850 Dornbirn, Marktstraße 18a/3), zu Recht erkannt:

Normen

KStG 1988 §5 Z10
KStG 1988 §6a Abs3
VwRallg
WGG 1979 §1 Abs2
WGG 1979 §23 Abs1
WGG 1979 §7 Abs1
WGG 1979 §7 Abs1a
WGG 1979 §7 Abs2
WGG 1979 §7 Abs3
WGG 1979 §7 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RO2020150024.J00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Partei, eine nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) als gemeinnützig anerkannte Bauvereinigung in der Rechtsform einer GmbH, beantragte mit Eingabe vom 18. März 2019, das Finanzamt möge gemäß § 6a Abs. 2 und 3 KStG 1988 feststellen, ob die beabsichtigte Veräußerung einer Teilfläche eines in ihrem Eigentum stehenden, näher bezeichneten Grundstücks in der Gemeinde X (in der Folge: Grundstück A) im Ausmaß von 7.396 m² an die gemeindeeigene Genossenschaft P zu einem Kaufpreis in Höhe von 800 € je m² in den steuerbefreiten Geschäftskreis gemäß § 7 Abs. 1 bis 3 WGG falle oder nicht. Für den Fall der Verneinung beantragte sie die unbeschränkte Steuerpflicht auf dieses Rechtsgeschäft einzuschränken.

2 Begründend führte die mitbeteiligte Partei aus, sie sei Alleineigentümerin des Grundstücks A im Gesamtausmaß von 12.970 m2. Auf dem östlichen Teil des Grundstücks habe sie auf einer Fläche von ca. 5.574 m2 im Jahre 2001 eine Mietwohnanlage mit insgesamt 60 Wohnungen errichtet. Ursprünglich sei beabsichtigt gewesen, auf dem restlichen Teil des Grundstücks eine weitere Anlage mit derselben Anzahl von Mietwohnungen zu errichten. Nunmehr habe der Bedarf an gemeinnützigen Wohnungen jedoch mit der Verwirklichung von Projekten an anderen Standorten abgedeckt werden können, weshalb der unbebaute Teil als Vorratsgrundstück diene.

3 Aufgrund der starken Konzentration von gemeinnützigem Miet- und privatem Investorenwohnbau werde von der Gemeinde im Bereich des Grundstücks A eine weitere Verbauung für Wohnzwecke nicht forciert. Die Gemeinde beabsichtige, den unbebaute Grundstücksteil im Verbund mit angrenzenden, der Gemeinde bereits gehörenden bzw. noch zu erwerbenden Grundstücken für infrastrukturelle Zwecke (Hafenanlage) zu verwenden. Der Bürgermeister der Gemeinde habe daher angeregt, dass die mitbeteiligte Partei den unbebauten Teil des Grundstücks A im Ausmaß von 7.396 m2 an die Genossenschaft P veräußere. Die Veräußerung solle aber durch den Erwerb eines anderen für den Wohnungsbau geeigneten Grundstücks kompensiert werden (in der Folge: Grundstück B), wo mit zwei weiteren Bauträgern ein Wohnbauprojekt umgesetzt werde.

4 Die mitbeteiligte Partei beabsichtige, den unbebauten Teil des Grundstücks A im Ausmaß von 7.396 m² zu einem Quadratmeterpreis von 800 € an die gemeindeeigene Genossenschaft P zu veräußern, wobei sich die Gemeinde vertraglich dazu verpflichte, auf dieser Fläche keine Wohnungen zu errichten. Zur Absicherung der Vereinbarung werde ein Rückkaufsrecht der mitbeteiligten Partei im Grundbuch eingetragen. Im Gegenzug beabsichtige die mitbeteiligte Partei eine Teilfläche von 7.080 m² des im Eigentum der Gemeinde stehenden Grundstücks B im Ausmaß von insgesamt 13.870 m² um einen Quadratmeterpreis von 600 € zu erwerben. Der Aufsichtsrat der mitbeteiligten Partei habe dem Verkauf des Grundstücks A unter der Auflage zugestimmt, dass dieser erst mit einem rechtskräftigen Baubescheid für das Wohnbauprojekt auf dem Grundstück B zustande komme und der mitbeteiligten Partei ‑ für den Fall, dass das Grundstück A in Zukunft doch für den Wohnungsbau verwendet werden sollte ‑ ein Rückkaufsrecht zum wertgesicherten Verkaufspreis eingeräumt werde.

5 Mit Feststellungsbescheid vom 3. Mai 2019 stellte das Finanzamt fest, dass die geplante Grundstücksveräußerung nicht unter § 7 Abs. 1 bis 3 WGG falle. Dem Eventualantrag gab es ‑ mit der Auflage, dass für dieses Geschäft ein gesonderter Rechnungskreis geführt werde ‑ statt und beschränkte die unbeschränkte Steuerpflicht der mitbeteiligten Partei auf die Veräußerung. Zur Begründung verwies es auf einen Bescheid des Amtes der Vorarlberger Landesregierung, mit welchem dem Verkauf einer Teilfläche des Grundstücks A gemäß § 7 Abs. 4 WGG zugestimmt wurde.

6 Das Amt der Vorarlberger Landesregierung führte im verwiesenen Bescheid u.a. aus, die geplante Veräußerung sei nicht betriebsnotwendig, weil sich das Grundstück A in einer sehr guten Baulage befinde, voll erschlossen und derzeit als Baumischgebiet gewidmet sei. Zudem bestehe in der Gemeinde eine überaus starke Wohnungsnachfrage, sodass bei einer Realisierung von 60 weiteren Wohnungen auf dem derzeit noch unverbauten Grundstücksteil ein Wohnungsleerstand auszuschließen sei. Der Verkauf eines Grundstückteils im Ausmaß von rund 7.396 m² an die Genossenschaft P solle auf Wunsch der Gemeinde erfolgen, die 1,479% des Stammkapitals der mitbeteiligten Partei halte. Die Gemeinde verfolge mit dem Grunderwerb legitime raumplanerische und entwicklungspolitische Ziele. Der Verwaltungsgerichtshof habe allerdings ausgesprochen, dass die Veräußerung von Grundstücksteilen, die mehr als der Hälfte des ursprünglichen Bestandes entsprächen, in § 7 Abs. 3 Z 6 WGG keine Deckung finde, respektive als kein Rechtsgeschäft anzusehen sei, das mit dem üblichen Rahmen ordnungsgemäßer Wohnungswirtschaft zusammenhänge (Hinweis auf VwGH 23.4.1996, 93/05/0238, 0239, sowie 31.10.1996, 96/13/0049, 0050). Nur die Veräußerung und Abschreibung von unproduktiven Randbereichen oder die Begradigung von Grundstücken sei mit § 7 Abs. 3 Z 6 WGG vereinbar. Im gegenständlichen Fall sei geplant, eine nicht verbaute Teilfläche von 7.369 m² ‑ das seien rund 57% der ursprünglichen Fläche von 12.970 m² ‑ an die Genossenschaft P zu veräußern, um der Gemeinde die Umsetzung ihrer infrastrukturellen Ziele zu ermöglichen. Da es sich bei dieser Teilfläche um keinen (unproduktiven) Randbereich des Grundstücks A handle und das Ausmaß der Teilfläche die kritische Größe von 50% der Gesamtfläche deutlich überschreite, sei das gegenständliche Rechtsgeschäft nicht unter § 7 Abs. 3 Z 6 WGG zu subsumieren, sondern unter § 7 Abs. 4 WGG.

7 Die mitbeteiligte Partei brachte gegen den Feststellungsbescheid des Finanzamtes Beschwerde ein und führte zur Begründung aus, weder das Finanzamt noch das Amt der Vorarlberger Landesregierung habe darauf Bedacht genommen, dass mit der geplanten Veräußerung der Teilfläche der Erwerb eines anderen im Eigentum der Gemeinde stehenden Grundstücks verbunden sei und der Mitbeteiligten für den Fall der Verwendung der zur Veräußerung stehenden Teilfläche für Wohnzwecke ein Rückkaufsrecht zustehe. Der Verweis auf die genannten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes sei verfehlt, weil die dort erwähnte Veräußerung nicht mit dem Erwerb eines anderen Grundstücks verbunden gewesen sei.

8 Derzeit diene die vom geplanten Verkauf umfasste Teilfläche der mitbeteiligten Partei als Vorratsgrundstück. Die Realisierung des zweiten Bauabschnitts, mit dem weitere 60 Wohnungen errichtet werden sollten, sei infolge der starken Konzentration von gemeinnützigem Mietwohnungen am gegenständlichem Standort weder derzeit noch zukünftig umsetzbar. Das zeige schon der Umstand, dass seit Errichtung des ersten Bauabschnittes bereits mehr als 15 Jahre vergangen und trotz hoher Nachfrage nach leistbarem Wohnraum keine Wohnungen an diesem Standort errichtet worden seien. Demnach könne die gegenständliche Teilfläche keiner Verwertung zu eigenen Zwecken zugeführt werden, weshalb deren Veräußerung iSd Wirtschaftlichkeitsgebotes des § 23 Abs. 1 WGG nicht nur gerechtfertigt, sondern notwendig sei.

9 Um den Verlust der Möglichkeit, auf dem Grundstück A Wohnungen zu errichten, auszugleichen, habe die Gemeinde der mitbeteiligten Partei den Erwerb einer Teilfläche des Grundstücks B im Ausmaß vom 7.080 m2 angeboten, auf der von der mitbeteiligten Partei ein Bauvolumen von ca. 60 Wohnungen umgesetzt werden könnte. Der Ankauf sei jedoch von der Bedingung abhängig gemacht worden, dass die mitbeteiligte Partei im Gegenzug die gegenständliche Fläche des Grundstücks A im Ausmaß von 7.396 m2 an die Genossenschaft P veräußere. Der Verkauf einer Teilfläche des Grundstücks A sei daher Conditio sine qua non für den Ankauf einer Teilfläche des Grundstücks B. Unterbliebe der Verkauf der antragsgegenständlichen Teilfläche, wäre auch ein Ankauf der im Eigentum der Gemeinde stehenden Teilfläche nicht möglich, was zur Folge hätte, dass die mitbeteiligte Partei ein Bauvolumen von 60 Wohnungen nicht umsetzen könnte und die unbebaute Teilfläche des Grundstücks A brach läge und nur Kosten verursachte.

10 Mit der Veräußerung einer Teilfläche des Grundstücks A im Ausmaß von 7.396 m2 sei der Erwerb einer nahezu gleich großen Teilfläche des Grundstücks B im Ausmaß von 7.080 m2 verbunden. Die Differenz von 316 m2 betrage rund 4,3% der Gesamtfläche des Grundstücks A. Es liege somit auch keine Veräußerung von mehr als der Hälfte der Grundfläche vor.

11 Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab, woraufhin die mitbeteiligte Partei deren Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragte.

12 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und stellte fest, dass die geplante Veräußerung in den steuerbefreiten Geschäftskreis gemäß § 7 Abs. 1 bis 3 WGG falle.

13 Der Erwerb und die Veräußerung von Liegenschaften seien nach Verwaltungspraxis und Judikatur nur insoweit begünstigungsunschädlich, als sie zur Zweckerfüllung notwendig seien. Die Veräußerung von Grundstücken im üblichen Rahmen ordnungsgemäßer Wohnungswirtschaft z.B., wenn geplante Bau- oder Sanierungsvorhaben nicht verwirklicht werden könnten, sei daher begünstigungsunschädlich, sofern keine Spekulationsabsicht vorliege.

14 Ein betriebsnotwendiger Zusammenhang sei im Revisionsfall zu bejahen. Die mitbeteiligte Partei habe sich zum Verkauf der gegenständlichen Teilfläche an die Genossenschaft P nur bereit erklärt, weil sie ein annähernd gleich großes, im Eigentum der Gemeinde stehendes Grundstück habe erwerben können. Für einen engen Zusammenhang zwischen Verkauf und Kauf der beiden Grundstücke spreche auch, dass der Aufsichtsrat der mitbeteiligten Partei dem Verkauf nur unter der Bedingung zugestimmt habe, dass er erst mit dem Vorliegen eines rechtskräftigen Baubescheids für die auf dem Grundstück B zu errichtenden Wohnungen wirksam werde, und für den Fall, dass die zu verkaufende Teilfläche des Grundstücks A in weiterer Folge für Wohnzwecke verwendet würde, der mitbeteiligten Partei ein Rückkaufsrecht zustehe. Der Umstand, dass der Verkauf auf Wunsch der Gemeinde erfolgt sei, ändere am Bestehen dieses Zusammenhangs nichts.

15 Auf dem Grundstück B sei die Errichtung von ca. 160 Wohnungen geplant. 60 davon würden nach den glaubwürdigen Angaben der mitbeteiligten Partei auf dem von ihr erworbenen Grundstücksteil errichtet. Für den geplanten Verkauf, der erst bei Vorliegen der rechtskräftigen Baubewilligung zustande komme, werde somit ausreichend Kompensation geschaffen.

16 Ein Zusammenhang zwischen der geplanten Grundstücksveräußerung und der Errichtung von Wohnungen der mitbeteiligten Partei auf dem bereits gekauften Grundstück B sei zu bejahen. Dass die Errichtung von Wohnungen auf dem Grundstück B im Rahmen der ordnungsgemäßen Wohnungswirtschaft erfolge, unterliege keinem Zweifel. Der Erwerb des Grundstücks B und die konkret geplante und in naher Zukunft verwirklichte Errichtung von Wohnungen auf diesem Grundstück stellten eine auf die Erfüllung der dem Gemeinwohl dienenden Aufgaben des Wohnungs- und Siedlungswesens gerichtete Tätigkeit dar. Unter diesem Gesichtspunkt erweise sich aber auch der Verkauf der in Rede stehenden Teilfläche des Grundstücks A, deren Nutzung zu Wohnzwecken aus den von der Mitbeteiligten dargelegten Gründen zumindest in zeitlicher Hinsicht ungewiss gewesen wäre, als betriebsnotwendig.

17 Eine der Gemeinnützigkeit entgegenstehende Spekulationsabsicht liege im Revisionsfall nicht vor und der An- und Verkauf der Grundstücke zu den je nach Lage gegebenen Bodenpreisen entspreche den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit iSd § 23 Abs. 1 WGG, was weder vom Finanzamt noch vom Amt der Vorarlberger Landesregierung bestritten werde.

18 Der geplante Grundstücksverkauf sei daher als Hauptgeschäft iSd § 7 Abs. 1a Z 1 WGG zu beurteilen. Dieser Beurteilung stehe auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 1996, 93/05/0238, nicht entgegen. Daraus könne nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts nicht gefolgert werden, dass jeder Verkauf von mehr als 50% des ursprünglichen Grundbestandes stets begünstigungsschädlich sei. Ausschlaggebend für die Entscheidung sei wohl gewesen, dass der dort geplante Verkauf ‑ anders als im vorliegenden Fall ‑ in keinem Zusammenhang mit dem Ankauf eines anderen Grundstücks gestanden sei. Ein Teil des ursprünglichen Grundstücks habe dort ohne Kompensation veräußert werden sollen, weshalb eine betriebsnotwendige Veräußerung nur im Falle der Veräußerung eines unproduktiven Grundstücksteils oder im Falle der Veräußerung von Grundstücksteilen zur Begradigung des Grundstücks vorgelegen hätte. Im Revisionsfall bestehe ein Zusammenhang zwischen dem Verkauf des Grundstücks A und der Errichtung von Wohnungen auf dem Grundstück B. Es liege ein völlig anders gelagerter Sachverhalt vor als jener, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 1996, 93/05/0238, zu Grunde gelegen habe.

19 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil ‑ für den Revisionsfall einschlägige ‑ Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob der Verkauf einer Teilfläche eines Grundstücks ein Geschäft iSd § 7 Abs. 1 bis 3 WGG darstelle, fehle.

20 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision des Finanzamts, zu der die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.

21 Das Finanzamt bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der ‑ in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausdruck kommenden ‑ Leitlinie ab, dass Grundstücksveräußerungen nur dann dem zulässigen Geschäftskreis gemäß § 7 Abs. 1 bis 3 WGG zuzuordnen seien, wenn es sich um eher geringfügige Flächenausmaße oder um für die Zweckverwirklichung der gemeinnützigen Bauvereinigung nicht geeignete oder gar hinderliche Flächen handle. Zudem fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob bei der Beurteilung, ob eine Grundstücksveräußerung noch im üblichen Rahmen ordnungsmäßiger Wohnungswirtschaft erfolge, ausschließlich auf das konkret zu beurteilende Rechtsgeschäft abzustellen sei, oder ob diese Beurteilung auch auf Basis einer Gesamtbetrachtung des zu beurteilenden Rechtsgeschäftes und weiterer Rechtsgeschäfte zum Erwerb anderer Grundstücke erfolgen könne.

22 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

23 Gemäß § 5 Z 10 KStG 1988 sind Bauvereinigungen, die nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz als gemeinnützig anerkannt sind, wenn sich ihre Tätigkeit auf die in § 7 Abs. 1 bis 3 WGG genannten Geschäfte und die Vermögensverwaltung beschränkt, nach Maßgabe des § 6a von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht befreit.

24 Nach § 6a Abs. 3 KStG 1988 hat das zuständige Finanzamt auf Antrag der Bauvereinigung im Zweifelsfall bescheidmäßig festzustellen, ob ein geplantes Geschäft unter § 7 Abs. 1 bis 3 des WGG fällt oder nicht.

25 Gemäß § 1 Abs. 2 WGG haben Bauvereinigungen, die auf Grund dieses Bundesgesetzes als gemeinnützig anerkannt wurden, ihre Tätigkeit unmittelbar auf die Erfüllung dem Gemeinwohl dienender Aufgaben des Wohnungs- und Siedlungswesens zu richten, ihr Vermögen der Erfüllung solcher Aufgaben zu widmen und ihren Geschäftsbetrieb regelmäßig prüfen und überwachen zu lassen.

26 Die Geschäftsführung und Verwaltung einer gemeinnützigen Bauvereinigung muss gemäß § 23 Abs. 1 WGG den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit entsprechen.

27 Mit BGBl I 2019/85, wurden in § 7 WGG (mit Wirksamkeit ab 1. August 2019) Änderungen vorgenommen. So wurden u.a. Abs. 1a eingefügt und in Abs. 3 die Z 6 neu gefasst und die Z 6a aufgehoben. § 7 WGG in der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 85/2019 lautet auszugsweise:

Geschäftskreis

§ 7. (1) Die Bauvereinigung hat sich nach ihrem Genossenschaftsvertrag (Gesellschaftsvertrag, Satzung) und tatsächlich mit der Errichtung und Verwaltung von Wohnungen mit einer Nutzfläche von höchstens 150 m2 mit normaler Ausstattung, von Eigenheimen mit höchstens zwei Wohnungen dieser Art und von Heimen sowie mit Sanierungen größeren Umfanges im Inland zu befassen und ihr Eigenkapital vornehmlich für diese Zwecke einzusetzen. Diesfalls wird die Bauvereinigung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung tätig. Mit der Errichtung und Verwaltung zusammenhängende Geschäfte und Tätigkeiten können auch für andere gemeinnützige Bauvereinigungen vorgenommen werden. Die Verwaltung schließt alle Maßnahmen der Gebäudebewirtschaftung einschließlich deren Finanzierung, insbesondere die Instandhaltung und Instandsetzung samt der Errichtung von Hauswerkstätten zur Durchführung kleinerer Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten im Umfang des nötigen Bedarfs sowie die befugte Ausstellung von Energieausweisen und die Verbesserung mit ein.

(1a) Zu den Hauptgeschäften einer Bauvereinigung gehören auch:

1. alle Rechtsgeschäfte, die mit der Errichtung, Erwerbung, Finanzierung und Überlassung ihrer Bauten und Anlagen in dem üblichen Rahmen ordnungsmäßiger Wohnungswirtschaft zusammenhängen, insbesondere der Erwerb, die Belastung und Übertragung von Grundstücken und Baurechten, der Erwerb von Grundstücken und deren Veräußerung oder die Übertragung im Baurecht an andere Bauvereinigungen, die Einräumung des Eigentums (Miteigentum, Wohnungseigentum) und die Aufnahme von Zwischenkrediten und Baudarlehen;

2. alle Rechtsgeschäfte, die mit der nachträglichen Übertragung des Eigentums (Miteigentum, Wohnungseigentum) an Wohnungen und Geschäftsräumen an die bisherigen Mieter und sonstigen Nutzungsberechtigten gem. § 15c zusammenhängen. [...]

(3) Die Bauvereinigung hat überwiegend die in Abs. 1 bis 2 genannten Geschäfte zu betreiben. Neben diesen Geschäften darf die Bauvereinigung unbeschadet des Abs. 4 nachfolgende Geschäfte im Inland betreiben: [...]

6. alle Rechtsgeschäfte, die ‑ unter Bedachtnahme auf die Grundsätze des § 23 ‑ mit der nachträglichen Übertragung des Eigentums (Miteigentum, Wohnungseigentum) an ihren Bauten und Anlagen zusammenhängen, sofern es sich nicht um Rechtsgeschäfte gemäß § 7 Abs. 1a Z 2 handelt und keine ausdrückliche Zustimmung der Landesregierung gemäß § 10a Abs. 1 lit. d und e erforderlich ist; [...]

(4) Andere im Rahmen ordnungsmäßiger Wirtschaftsführung notwendig werdende Geschäfte einer Bauvereinigung als die in den Abs. 1 bis 3 angeführten bedürfen der Zustimmung der Landesregierung. [...]“

28 § 5 Z 10 KStG 1988 sieht für Bauvereinigungen, die nach dem WGG als gemeinnützig anerkannt sind, eine Befreiung von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht vor, wenn sich ihre Tätigkeit auf die in § 7 Abs. 1 bis 3 WGG genannten Geschäfte und die Vermögensverwaltung beschränkt und zwar nach Maßgabe des § 6a KStG 1988. Gemäß § 6a Abs. 3 KStG 1988 hat das zuständige Finanzamt im Zweifelsfall auf Antrag bescheidmäßig festzustellen, ob ein geplantes Geschäft unter § 7 Abs. 1 bis 3 WGG fällt (vgl. VwGH 22.5.2002, 99/15/0218).

29 Gemäß § 7 Abs. 4 WGG bedürfen andere im Rahmen ordnungsmäßiger Wirtschaftsführung notwendig werdende Geschäfte einer Bauvereinigung als die in den Abs. 1 bis 3 WGG angeführten der Zustimmung der Landesregierung. Im Falle einer solchen Zustimmung geht die Landesregierung vom Vorliegen einer Tätigkeit aus, die in § 7 Abs. 1 bis 3 WGG keine Deckung findet. Der Zustimmungsbescheid der Landesregierung entfaltet allerdings keine Bindungswirkung für die vom Finanzamt für steuerliche Zwecke zu treffende Entscheidung, ob eine bestimmte Tätigkeit einer Bauvereinigung unter § 7 Abs. 1 bis 3 WGG fällt oder nicht. Vielmehr ist diese Feststellung sowohl vom Finanzamt (§ 6a Abs. 3 KStG 1988) als auch von der zuständigen Landesregierung (§ 7 Abs. 4 WGG) unabhängig voneinander zu treffen und kann daher auch zu widersprüchlichen Ergebnissen führen (vgl. VwGH 27.8.1998, 93/13/0037).

30 Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob die geplante Veräußerung der Teilfläche des Grundstücks A ein Geschäft iSd § 7 Abs. 1 bis 3 WGG darstellt.

31 Das revisionswerbende Finanzamt bestreitet dies mit der Begründung, dass eine Grundstücksveräußerung nur dann dem nach § 7 Abs. 1 bis 3 WGG zulässigen Geschäftskreis zuzuordnen sei, wenn sie für die Zweckerfüllung der gemeinnützigen Bauvereinigung notwendig sei, indem sie unmittelbar der Umsetzung des gesetzlichen Auftrags der Versorgung der Bevölkerung mit leistbarem Wohnraum diene oder zumindest eine unterstützende Funktion in dem Sinne habe, dass für die Zweckverwirklichung nicht erforderliche oder diese gar beeinträchtigende Grundflächen abgegeben würden.

32 Der dargestellte Grundsatz komme auch in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausdruck, der sich im Erkenntnis vom 30. Oktober 1996, 96/13/0049, mit dieser Thematik befasst habe. Nach dieser Rechtsprechung lägen Grundstücksveräußerungen im üblichen Rahmen ordnungsmäßiger Wohnungswirtschaft, wenn es sich hierbei um Maßnahmen zur Begradigung von Grundstücken oder um die Veräußerung von unproduktiven Randflächen handle. Die Veräußerung von unbebauten Liegenschaften in einem größeren Umfang lägen hingegen nicht in diesem üblichen Rahmen. Die Zuordnung habe nach Ansicht des Finanzamts auf Basis des konkreten Rechtsgeschäfts zu erfolgen. Es sei zu beurteilen, ob das konkrete Rechtsgeschäft für sich isoliert noch im üblichen Rahmen ordnungsmäßiger Wohnungswirtschaft liege.

33 Dem Finanzamt ist dahingehend zuzustimmen, dass die Veräußerung von unbebauten Liegenschaften größeren Umfangs im Allgemeinen nicht dem zulässigen Geschäftskreis gemäß § 7 Abs. 1 bis 3 WGG zuzuordnen ist. Im gegenständlichen Fall ist die Veräußerung eines Grundstücks aber derart eng mit dem Erwerb eines anderen Grundstücks verknüpft, dass der Vorgang in wirtschaftlicher Betrachtung einem Grundstückstausch gleichzuhalten ist. Ein Tausch von Grundstücken zwecks Errichtung von Wohnungen auf der eingetauschten Grundstücksfläche kann durchaus zu den Rechtsgeschäften iSd § 7 Abs. 1a WGG zählen, die mit der Errichtung, Erwerbung, Finanzierung und Überlassung der Bauten und Anlagen einer Bauvereinigung in dem üblichen Rahmen ordnungsmäßiger Wohnungswirtschaft zusammenhängen.

34 Die mitbeteiligte Partei verkauft 7.396 m² des Grundstücks A zu einem Kaufpreis von 800 € je m² an eine im Naheverhältnis zur Gemeinde stehende Genossenschaft. Die Gemeinde verkauft der mitbeteiligten Partei (und zwei weiteren Bauträgern) das Grundstück B im Gesamtausmaß von 13.870 m², wobei die mitbeteiligte Partei über eine Teilfläche von 7.080 m² allein verfügen kann und hierfür einem Kaufpreis von 600 € je m² zu leisten hat. Die mitbeteiligte Partei beabsichtigt, auf der neu erworbenen Grundfläche eine Wohnhausanlage zu errichten. Der Verkauf der Teilfläche am Grundstück A steht unter der Auflage/Bedingung, dass er erst mit einem rechtskräftigen Baubescheid für das Wohnbauprojekt der Mitbeteiligten auf dem Grundstück B zustande kommt. Die mitbeteiligte Partei ist zum Verkauf der in Rede stehenden Teilfläche des Grundstücks A also nur bereit, wenn sie eine annähernd gleich große Teilfläche des Grundstücks B erwirbt und auf diesem die Baubewilligung für eine Wohnhausanlage erhält.

35 Vor diesem Hintergrund stößt es aber auf keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken, wenn das Bundesfinanzgericht den Verkauf des in Rede stehenden Grundstücks, der in einem derart engen Zusammenhang mit dem Ankauf des Ersatzgrundstücks steht, dass der Vorgang wirtschaftlich den Eindruck eines Grundstückstausches vermittelt, im Hinblick darauf, dass auf dem Ersatzgrundstück ein Wohnbau (mit ca 60 Wohnungen) errichtet werden soll, dem zulässigen Geschäftskreis gemäß § 7 Abs. 1 bis 3 WGG (§ 7 Abs. 1a Z 1 WGG) zugeordnet hat. Dass der beim Verkauf der Teilfläche aus dem Grundstück A erzielte Kaufpreis um 200 € pro Quadratmeter höher liegt als der für den Erwerb des Ersatzgrundstücks aufzuwendende Kaufpreis ist dabei fallbezogen nicht schädlich, weil diese Preisdifferenz offenkundig nicht das Motiv für den „Grundstückstausch“ war, sondern vielmehr Infrastrukturmaßnahmen der Gemeinde und deren raumplanerische Überlegungen zu den Rechtsgeschäften geführt haben, die auch von der Gemeinde initiiert wurden.

36 Dass das Grundstück A bebaubar gewesen wäre, steht der vom Bundesfinanzgericht vorgenommenen Beurteilung des Rechtsgeschäfts nicht entgegen, weil auf der erworbenen Fläche ein Wohnbau errichtet wird.

37 Die Revision erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

38 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 7. September 2021

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte