European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019130094.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist Unternehmer und in der Baubranche tätig. Bei einer die Jahre 2005 bis 2009 umfassenden gemeinsamen Prüfung der lohnabhängigen Abgaben wurden mehrere zwischen dem Revisionswerber und aus Polen stammenden Arbeitern abgeschlossene (mündliche) Werkverträge in Dienstverhältnisse umqualifiziert.Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers, zog den Revisionswerber zur Haftung für die Lohnsteuer 2005 bis 2007 heran, forderte den Dienstgeberbeitrag sowie den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für dieselben Jahre nach und verhängte Säumniszuschläge.
2 Der Revisionswerber erhob fristgerecht eine nunmehr als Beschwerde zu behandelnde Berufung, in der er vorbrachte, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse könne jeweils nicht vom Vorliegen eines Dienstverhältnisses ausgegangen werden. Das Finanzamt legte die Beschwerde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem unabhängigen Finanzsenat vor. Das mittlerweile zuständig gewordene Bundesfinanzgericht wies die Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.
3 Nach Wiedergabe des Verfahrensganges führte es aus, der Revisionswerber habe in den Jahren 2005 bis 2007 mehrere Personen fallweise und zu unterschiedlichen Zeiträumen beschäftigt. Diese Personen seien zur Sozialversicherung der Gewerblichen Wirtschaft angemeldet gewesen, aufgrund einer Prüfung durch die Wiener Gebietskrankenkasse allerdings als Arbeitnehmer angemeldet worden. Einige „Subunternehmer“ hätten im revisionsgegenständlichen Zeitraum über aufrechte Gewerbeberechtigungen verfügt. Sie hätten für den Revisionswerber verschiedenste Arbeiten durchgeführt. Schriftliche Vereinbarungen bzw. Verträge hätten nicht existiert. Der Revisionswerber habe bestimmt, auf welcher Baustelle die sogenannten Selbständigen für welche Tätigkeiten eingesetzt worden seien. Es habe vor Ort direkte Weisungen gegeben. Die für die Tätigkeiten benötigten (Klein)‑Werkzeuge hätten die sogenannten Selbständigen selbst gekauft und mitgebracht. Das sonstige benötigte Arbeitsmaterial sei vom Revisionswerber beigestellt worden. Aus den vorgelegten Abrechnungen lasse sich nicht erkennen, dass die sogenannten Selbständigen einzelne Werke geschuldet oder erbracht hätten. Die Beauftragten seien in ein betriebliches Ordnungssystem eingebunden gewesen. Der Revisionswerber habe die sogenannten Selbständigen zweckmäßig, nämlich dort, wo er sie gerade gebraucht habe, eingesetzt. Für das Bundesfinanzgericht bestehe kein Zweifel daran, dass der Revisionswerber gegenüber den Beauftragten ein persönliches Weisungsrecht ausgeübt habe bzw. dass diese bei der Durchführung ihrer Arbeiten „unter der Leitung des Revisionswerbers“ gestanden seien. Auf das Fehlen eines Unternehmerrisikos komme es danach nicht mehr an, doch sei auch nicht erkennbar, dass die sogenannten Selbständigen ein solches getragen hätten.
4 Bei einer Beurteilung des Gesamtbildes der strittigen Tätigkeiten sei von einem Überwiegen der Merkmale eines Dienstverhältnisses und somit einer nichtselbständigen Tätigkeit bei den im Streitzeitraum vom Revisionswerber beschäftigten Personen auszugehen gewesen.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Bundesfinanzgericht weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil die Bindung an Arbeitszeit und Arbeitsort als wesentliche Kriterien für die persönliche Abhängigkeit und damit für die Qualifikation als Dienstverhältnis im Sinne des § 47 EStG 1988 herangezogen worden seien. Die Fehlbeurteilung des Bundesfinanzgerichts werde auch dadurch untermauert, dass im gegenständlichen Fall keine in der Natur der Sache liegenden Merkmale auf die Kriterien der Weisungsgebundenheit und Eingliederung schließen ließen. In Fällen, in denen die Kriterien Weisungsgebundenheit und Eingliederung keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit erlaubten, sei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auf weitere Abgrenzungskriterien wie das Fehlen eines Unternehmerrisikos oder der Befugnis, sich vertreten zu lassen, Bedacht zu nehmen. Abgesehen davon, dass die belangte Behörde bei der gegebenen Sachlage nicht davon hätte ausgehen dürfen, dass bereits die vorrangig zu prüfenden Kriterien wie Weisungsgebundenheit und Eingliederung eindeutig für das Vorliegen von Dienstverhältnissen sprächen, sei das Bundesfinanzgericht auch bei der Beurteilung des Unternehmerrisikos nicht der Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofs gefolgt.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Wenn die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung moniert, das Bundesfinanzgericht weiche im angefochtenen Erkenntnis insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, als die Bindung an Arbeitszeit und Arbeitsort als wesentliche Kriterien für die persönliche Abhängigkeit herangezogen worden seien, legt sie nicht dar, in welcher Hinsicht das Bundesfinanzgericht von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Soweit die Revision vorbringt, die „Fehlbeurteilung“ des Bundesfinanzgerichts werde auch „dadurch untermauert“, dass im gegenständlichen Fall „keine in der Natur der Sache liegenden Merkmale“ auf die Kriterien der Weisungsgebundenheit und Eingliederung schließen ließen, ist unklar, was damit gemeint ist, worin die Fehlbeurteilung des Bundesfinanzgerichts gelegen ist und welche Relevanz es im konkreten Fall hat, dass „keine in der Natur der Sache liegenden Merkmale“ auf bestimmte Kriterien schließen ließen. Das Bundesfinanzgericht hat nicht ausgeführt, dass in der Natur der Sache liegende Merkmale eine Weisungsgebundenheit bzw. Eingliederung bewirken würden.
10 Zum (nicht die tragenden Gründe des angefochtenen Erkenntnisses betreffenden) Vorbringen in der Revision, das Bundesfinanzgericht habe sich bei der Beurteilung des Unternehmerwagnisses nicht an die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gehalten, verabsäumt sie es darzulegen, in welchen Punkten das Bundesfinanzgericht von dieser Rechtsprechung abgewichen ist. Es reicht nicht aus, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu zitieren, ohne einen konkreten Bezug zum Revisionsfall darzulegen (vgl. VwGH 13.12.2016, Ra 2016/09/0102).
11 Das Bundesfinanzgericht hat zutreffend dargelegt, dass es sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beim Begriff des Dienstverhältnisses im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 um einen eigenständigen Begriff des Steuerrechts handelt und es nicht darauf ankommt, wie dies in anderen Rechtsgebieten beurteilt wird (vgl. dazu VwGH 19.8.2020, Ra 2020/13/0052). Die Revision behauptet eine Abweichung von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 47 EStG 1988 und zitiert dabei ‑ in der Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Erkenntnisses ‑ lediglich Judikatur zur Sozialversicherung und ein Urteil des Obersten Gerichtshofes. Eine Abweichung von einschlägiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird in der Revision damit nicht aufgezeigt.
12 Der Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 sind zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. In Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf weitere Abgrenzungskriterien (wie etwa auf das Fehlen eines Unternehmerrisikos oder die Befugnis, sich vertreten zu lassen) Bedacht zu nehmen. Ob bzw. in welcher Ausprägung und Intensität im konkreten Fall die einzelnen genannten Kriterien vorliegen, ist eine Sachverhaltsfrage (vgl. zuletzt etwa VwGH 21.3.2018, Ra 2016/13/0051). Zur Kontrolle der Beweiswürdigung ist der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen (vgl. etwa VwGH 1.9.2015, Ra 2015/15/0014).
13 Das Bundesfinanzgericht hat sich mit den einzelnen Merkmalen, die ein Dienstverhältnis bzw. einen Werkvertrag begründen können, auseinandergesetzt und ist zu der Beurteilung gelangt, dass im Revisionsfall Dienstverhältnisse im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 vorliegen. Dass diese Beurteilung des Gesamtbildes der Verhältnisse unzutreffend gewesen sei, wird mit dem unsubstantiierten Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung nicht dargelegt.
14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 18. Juni 2021
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)