VwGH Ra 2020/16/0159

VwGHRa 2020/16/015912.11.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der W AG in W, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14. September 2020, W176 2234416‑1/4E, betreffend Gerichtsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsidentin des Handelsgerichtes Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
GGG 1984 §15 Abs3a
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160159.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 In ihrer im März 2016 beim Handelsgericht Wien eingebrachten Klagschrift

„wegen: Sicherstellung gemäß § 15 Abs. 2 SpaltG

Streitwert: EUR 2.161.477,50“

erhob die Revisionswerberin folgendes Urteilsbegehren:

„Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig,

1. der [Revisionswerberin] zum Zweck der Sicherstellung ihrer nicht fälligen Forderung aus der klagsgegenständlichen Anleihe ... einer der Bestimmung des § 15 Abs. 2 SpaltG entsprechende Sicherheit durch Einräumung einer Bankgarantie eines österreichischen Kreditinstituts in Höhe von EUR 16.626.750,‑ ‑ mit einer Laufzeit bis mindestens 31.12.2029 zu leisten;

2. In eventu der [Revisionswerberin] zum Zweck der Sicherstellung ihrer nicht fälligen Forderung aus der klagsgegenständlichen Anleihe ... einer der Bestimmung des § 15 Abs. 2 SpaltG entsprechende angemessene Sicherheit in Höhe von EUR 16.626.750,‑ ‑ zu leisten;

3. Jedenfalls der [Revisionswerberin] die Prozesskosten ... zu ersetzen.“

2 Basierend auf dem angegebenen Streitwert von € 2.161.477,50 entrichtete die Revisionswerberin zunächst eine Pauschalgebühr nach TP 1 GGG in Höhe von € 31.817,50.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die Vorschreibung restlicher Pauschalgebühr nach TP 1 GGG, ausgehend von dem Betrag von € 16.626.750,‑ ‑ als Bemessungsgrundlage, in Höhe von € 190.141,30 sowie einer Einhebungsgebühr nach § 6a Abs. 1 GEG zuzüglich des Mehrbetrages nach § 31 GGG und sprach aus, dass die Revision (gegen dieses Erkenntnis) nicht zulässig sei.

Nach Darstellung des Verfahrensganges, Feststellungen über das über die eingangs genannte Klage ergangene Urteil des Handelsgerichts Wien vom 29. Oktober 2018 und einer kurzen Beweiswürdigung erwog das Verwaltungsgericht unter Zitierung der maßgebenden Bestimmungen des GGG sowie der Jurisdiktionsnorm:

„Die §§ 15 und 16 GGG gehen als gerichtsgebührenrechtliche Sonderbestimmungen den allgemeinen Regelungen über den Wert des Streitgegenstandes in streitigen Zivilrechtssachen (§§ 54 bis 60 JN) vor (Dokalik, Gerichtsgebührengesetz13, Anm. 1 zu § 14 GGG).

Bei § 15 Abs. 3a GGG handelt es sich um eine ‚Positivierung’ der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. ua. VwGH 26.02.2004, 2003/16/0125) zur ‚Erinnerung‘ der über den Prozesskostenersatz entscheidenden Zivilgerichte erster und zweiter Instanz (vgl. RV zur Zivilverfahrens‑Novelle 2004, BGBl I 2004/128, 613 BlgNr 22. GP  26; Dokalik, Gerichtsgebührengesetz13, Anm. 6 zu § 15 GGG).

§ 15 Abs. 3a GGG setzt in seinem ersten Halbsatz voraus, dass ‚ein Geldbetrag ... Gegenstand einer Klage ist‘, d.h. dass der Geldbetrag ‑ im Falle der Klagsstattgebung ‑ normative Bedeutung für die quantitativen Pflichten aus dem Urteil entfaltet (VwGH 18.12.2018, Ro 2018/16/0041).

3.2.2.2. In seinem Erkenntnis vom 21.09.2005, Zl. 2003/16/0488, sprach der Verwaltungsgerichtshof in einem Fall betreffend TP 2 GGG, in dem in der Berufung das Berufungsinteresse (zu Unrecht) mit S 266.040,‑ ‑ sA angegeben worden war, und im Kopf des Berufungsurteils ausgesprochen wurde, dass der Berufungsstreitwert ‚richtig S 50.000‘ betrage (wobei in Entscheidungsgründen darauf hingewiesen wurde, dass das Erstgericht ausdrücklich ausgesprochen habe, ‚dass die Entscheidung über das Leistungsbegehren, [betreffend Verdienstentgang] über das Feststellungsbegehren und die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorbehalten‘ bleibe und somit der Berufungsstreitwert nur S 50.000,‑ ‑ betrage, aus dass der Kostenbeamte in Bindung an dieses Urteil ebenfalls von einem Streitwert von S 50.000,‑ ‑ und nicht von dem in der Berufungsschrift angegebenen Gesamtstreitwert von S 266.040,‑ ‑ auszugehen gehabt hätte.

3.2.3. Zum einen folgt für das Bundesverwaltungsgericht aus der zuvor dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass § 15 Abs. 3a GGG auf die gegenständlich zu beurteilende Klage anwendbar ist:

Denn im Falle einer Stattgebung des Hauptbegehrens der Klage hätten die Beklagten der [Revisionswerberin] eine Bankgarantie in der Klage angeführten Höhe einräumen müssen. Somit hätte der dort angeführte Betrag von EUR 16.626.750,‑ ‑ diesfalls normative Wirkung für die quantitativen Pflichten aus dem Urteil.

Zum anderen unterscheidet sich die gegenständliche Konstellation von dem Sachverhalt, der dem unter Punkt 3.2.2.2. dargestellten Erkenntnis zugrunde lag: Während dort im Kopf des Urteils ein von dem im verfahrenseinleitenden Schriftsatz angeführten Interesse abweichender Betrag als ‚richtig[er]‘ Streitwert angegeben wird und überdies in den Entscheidungsgründen dargelegt wird, weshalb das Gericht zu dieser Ansicht gelangt, wird im Kopf des gegenständlich relevanten Urteil des Handelsgerichts Wien bloß auf den Streitwert Bezug genommen, der in der Klage aufscheint, und finden sich im Urteil auch keinerlei Hinweise auf eine Auseinandersetzung des Gerichts mit der Frage des Streitwerts.

Daher geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass hier keine Entscheidung des Gerichtes zum Streitwert vorliegt, an die die Justizverwaltung gebunden wäre.“

Abschließend begründete das Verwaltungsgericht seine Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung und seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision: Diese sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhänge, der grundsätzliche Bedeutung zukomme: Weder weiche die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehle es an einer Rechtsprechung (vgl. insbesondere das unter Punkt 3.2. bereits angeführte Judikat VwGH 18.12.2018, Ro 2018/16/0041). Weiters sei die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht uneinheitlich. Auch lägen keine sonstigen Hinweise auf grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

4 In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Revision erachtet sich die Revisionswerberin u.a. in ihrem Recht auf Nichtvorschreibung einer nachträglichen Pauschalgebühr von € 190.141,30 verletzt.

Die Zulässigkeit ihrer Revision legt sie ‑ abgesehen von der Rechtzeitigkeit und ihrer Legitimation ‑ folgendermaßen dar:

„Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Begründung gemäß § 25a Abs 1 VwGG ausgesprochen, eine ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs 4 B‑VG wäre nicht zulässig. Dies hat es damit begründet, dass die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Dies trifft aus folgenden Gründen nicht zu:

● Das Bundesverwaltungsgericht verweist in seiner Begründung der Nichtzulässigkeit der Revision auf das Erkenntnis zu VwGH 18.12.2018, Ro 2018/16/0041. In dem Erkenntnis wurde die Anwendbarkeit von § 15 Abs 3a GGG (im Zusammenhang mit einem Anfechtungsanspruch auf Duldung einer Exekution) gerade nicht bejaht. Die gegenständliche Entscheidung weicht somit von der genannten Rechtsprechung ab. Zumindest ergibt aus der Begründung gemäß § 25a Abs 1 VwGG, dass keine einheitliche, gefestigte Rechtsprechung vorliegt. Der VwGH ist beispielsweise in seiner Entscheidung zu VwGH 2003/16/0488 hinsichtlich der Bindung von Justizverwaltungsbehörden an Entscheidungen der Gerichte zu einem anderen Ergebnis gelangt.

● Das vom Bundesverwaltungsgericht (einzig) genannten Erkenntnis (zu VwGH 18.12.2018, Ro 2018/16/0041) setzt sich nicht mit einem vergleichbaren Sachverhalt auseinander. Darüber hinaus hat sich der VwGH noch nicht ausdrücklich zu der Frage geäußert, welche Auswirkung eine implizite Entscheidung des Gerichts im Grundverfahrens auf die (Nicht‑)Anwendbarkeit von § 15 Abs 3a GGG hat.

● Rechtsprechung dazu, ob auch ohne ausdrücklichen Ausspruch über den Streitwert eine Bindungswirkung der Verwaltungsbehörden an das zivilgerichtliche Urteil gegeben ist, fehlt bisher.“

5 Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

7 Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG vor, und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer dieser maßgebenden Normen noch keine Rechtsprechung ergangen wäre (VwGH 30.6.2016, Ra 2016/16/0033, und 18.1.2018, Ra 2017/16/0183, mwN).

8 Ist ein Geldbetrag in anderer Weise als in einem Leistungsbegehren, etwa durch ein Feststellungs‑ oder Unterlassungsbegehren, Gegenstand einer Klage, so bildet gemäß § 15 Abs. 3a GGG ‑ ungeachtet einer Bewertung durch den Kläger nach § 56 Abs. 2 der Jurisdiktionsnorm ‑ dieser Geldbetrag die Bemessungsgrundlage.

9 Die Revision übergeht in der Darlegung ihrer Zulässigkeit zunächst einmal, dass sich das Verwaltungsgericht in seinen Entscheidungsgründen nicht nur auf das Erkenntnis vom 18. Dezember 2018, Ro 2018/16/0041, berief, sondern, wie eingangs wiedergegeben, sich an Hand der Judikate vom 26. Februar 2004, 2003/16/0125, und vom 21.9.2005, 2003/16/0488, orientierte. Soweit das Verwaltungsgericht auch auf das zitierte Erkenntnis vom 18. Dezember 2018 Bezug nahm, beschränkte sich diese Bezugnahme auf die Aussage, dass der Geldbetrag im Sinne des § 15 Abs. 3a GGG ‑ im Falle einer Klagsstattgebung ‑ normative Bedeutung für die quantitativen Pflichten aus dem Urteil entfalte.

10 Ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von dieser Aussage oder ein Widerspruch des angefochtenen Erkenntnisses zu den zitierten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 2004 oder 21. September 2005 behauptet die Revision zur Darlegung ihrer Zulässigkeit nicht.

11 Auch war im Revisionsfall kein expliziter Ausspruch des Gerichts über den Wert des Streitgegenstandes ergangen, wie dies dem Erkenntnis vom 21. September 2005, 2003/16/0488, zu Grunde lag.

12 Eine Zulässigkeit der Revision ergibt sich auch nicht daraus, dass ‑ wie die Revision behauptet ‑ Rechtsprechung dazu fehle, ob auch ohne ausdrücklichen Ausspruch über den Streitwert eine Bindungswirkung der Verwaltungsbehörden an das zivilgerichtliche Urteil gegeben sei. Abgesehen davon, dass die Revision das vom angefochtenen Erkenntnis zitierte Erkenntnis vom 21. September 2005 übergeht, stellt § 15 Abs. 3a GGG nach seinem klaren Wortlaut darauf ab, dass ein Geldbetrag in anderer Weise als in einem Leistungsbegehren den Gegenstand einer Klage bildet, womit einem in der bloßen Bezeichnung der Rechtssache des Urteils genannten, nur auf einer Bewertung durch die Partei nach § 56 Abs. 2 JN beruhenden Wert des Streitgegenstandes keine gerichtsgebührenrechtliche Bedeutung zukommt.

13 Die vorliegende Revision ist daher wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 12. November 2020

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