VwGH Ra 2020/14/0348

VwGHRa 2020/14/03487.10.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des A B, vertreten durch Mag. Andreas Lepschi, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 2020, L516 1319459‑3/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs2
FrPolG 2005 §53 Abs2 Z6

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140348.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Georgiens, stellte bereits am 23. November 2007 einen Antrag auf internationalen Schutz, den das (damals zuständige) Bundesasylamt mit Bescheid vom 29. April 2008 abwies. Unter einem wurde der Revisionswerber nach Georgien ausgewiesen. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde vom (damaligen) Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. März 2010 keine Folge gegeben.

2 Nach seiner Abschiebung aus Österreich im Jahr 2010 lebte der Revisionswerber wieder in Georgien. Am 14. Jänner 2020 stellte er in Österreich erneut einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen mit Übergriffen aufgrund seiner politischen Betätigung begründete.

3 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 1. Februar 2020 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I. und II), erteilte dem Revisionswerber keine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Georgien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Unter einem erkannte die Behörde einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.), gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII.), trug dem Revisionswerber auf, in einem angeführten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VIII.) und erließ gegen ihn ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IX.).

4 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Mit Teilerkenntnis vom 18. Mai 2020 behob das Bundesverwaltungsgericht die Spruchpunkte VI. und VII. ersatzlos und stellte fest, dass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zukomme.

5 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis V. sowie des Spruchpunktes VIII. des Bescheides vom 1. Februar 2020 als unbegründet ab, setzte die Frist für die freiwillige Ausreise mit sechs Wochen fest und gab der Beschwerde gegen Spruchpunkt IX. insofern statt, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf zwei Jahre herabgesetzt werde. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte das Bundesverwaltungsgericht für nicht zulässig.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision zusammengefasst vor, es liege eine Verletzung der Verhandlungspflicht vor, weil der Sachverhalt nicht als geklärt anzusehen gewesen sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich mit dem vorgelegten Beweismittel ‑ einem Urteil eines Bezirksgerichts seines Herkunftsstaates ‑ nicht auseinandergesetzt. Zudem sei das Einreiseverbot gegen den Revisionswerber zu Unrecht verhängt worden, weil der Umstand, dass der Revisionswerber Grundversorgung beziehe, gegen die Annahme von Mittellosigkeit spreche.

10 Soweit die Revision einen Verstoß des Bundesverwaltungsgerichts gegen die Verhandlungspflicht geltend macht und dazu vorbringt, der Revisionswerber habe in der Beschwerde die vom BFA herangezogenen widersprüchlichen Angaben des Revisionswerbers in Bezug auf das antragsbegründende Vorbringen substantiiert bestritten und zulässigerweise auch Neuerungen vorgebracht, ist darauf hinzuweisen, dass sich das Bundesverwaltungsgericht ‑ wie schon das BFA ‑ hilfsweise auch auf das Vorliegen der Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des Heimatstaates des Revisionswerbers gestützt hat. Die Revision zeigt nicht auf, inwiefern die Voraussetzungen für die Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung in Bezug auf die Alternativbegründung nicht vorgelegen wären (vgl. zu diesen Voraussetzungen grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018). Beruht ein angefochtenes Erkenntnis aber auf einer tragfähigen Alternativbegründung und wird im Zusammenhang damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufgezeigt, so ist die Revision unzulässig (vgl. VwGH 5.8.2020, Ra 2020/20/0234, mwN).

11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf sich das Verwaltungsgericht über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. VwGH 11.8.2020, Ra 2020/14/0278, mwN). Entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen in der Revision setzte sich das Bundesverwaltungsgericht mit dem vom Revisionswerber vorgelegten Schreiben eines Bezirksgerichts im Herkunftsstaat im Zusammenhang mit einer von ihm eingebrachten Kündigungsanfechtung auseinander. Es kam ‑ dem BFA folgend ‑ zur Auffassung, „dass diese[s] nicht geeignet sei, die Angaben bezüglich der Fluchtgründe zu bescheinigen“. Der Revisionswerber habe nicht darlegen können, welche konkreten ‑ asylrelevanten ‑ Tatsachen das Schreiben erkennen lasse und was damit bewiesen werden solle. Der Revisionswerber habe in der Beschwerde selbst eingeräumt, dass die Klage aufgrund eines Formfehlers zurückgewiesen worden sei. Dem setzt die Revision nichts Stichhaltiges entgegen.

12 Insofern sich der Revisionswerber gegen das gegen ihn gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG verhängte Einreiseverbot wendet, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen ist, dass der Umstand, dass einem Fremden Grundversorgung gewährt wird, Mittellosigkeit geradezu bestätigt (vgl. etwa VwGH 27.6.2019, Ra 2019/14/0030, mwN). Die Revision zeigt nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht, das sich auch der Ansicht des BFA angeschlossen hat, das Asylbegehren sei rechtsmissbräuchlich gestellt worden, fallbezogen von den zur Erlassung eines Einreiseverbots aufgestellten Leitlinien abgewichen wäre (vgl. dazu VwGH 20.9.2018, Ra 2018/20/0349).

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 7. Oktober 2020

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