VwGH Ra 2020/14/0014

VwGHRa 2020/14/001428.1.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17. Dezember 2019, G314 1301498- 5/3E, betreffend Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
AVG §68
BFA-VG 2014 §19 Abs5 Z2
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140014.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Kosovo, stellte erstmals am 12. Dezember 2005 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, dass er mit dem Umbringen bedroht worden sei, weil er sich geweigert habe, serbische Kirchen und Häuser anzuzünden, Serben zu töten und Bomben zu legen. Im Jahr 2003 sei ein Bombenattentat auf ihn verübt worden. Dieser Antrag des Revisionswerbers wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31. März 2006 abgewiesen und der Revisionswerber in den Kosovo ausgewiesen. Der dagegen eingebrachten Beschwerde gab der unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 15. März 2007 keine Folge. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 22. August 2007 ab.

2 Am 24. Juni 2011 stellte der Revisionswerber aus dem Stande der Strafhaft einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Im Zuge der Erstbefragung gab er an, dass die Fluchtgründe aus dem Erstverfahren noch immer bestünden. Im Jahr 2009 sei allerdings sein Haus im Kosovo von der AKSH (Albanische Nationalarmee) niedergebrannt worden.

3 Das Bundesasylamt wies diesen Folgeantrag mit Bescheid vom 17. Februar 2012 im zweiten Rechtsgang gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. April 2012 ab. 4 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erteilte dem Revisionswerber mit Bescheid vom 1. August 2016 keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Kosovo zulässig sei. Unter einem erließ es ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

5 Der Revisionswerber wurde in Österreich straffällig. Er wurde seit 2006 insgesamt neun Mal wegen Vermögens- und Aggressionsdelikten strafgerichtlich verurteilt und war von Dezember 2005 bis Mai 2006, von Oktober 2006 bis 2008, von Februar 2010 bis Juni 2011 und zuletzt von 17. März 2012 bis 26. November 2019 in verschiedenen österreichischen Justizanstalten angehalten. Im Jahr 2008 floh der Revisionswerber aus der Justizanstalt Z und konnte erst wieder Anfang 2010 in der Schweiz verhaftet werden. Im Jahr 2014 kehrte er zwei Mal nicht in die Justizanstalt zurück und war von 28. Februar bis 4. März 2014 und von 3. November bis 20. Dezember 2014 abwesend. Nach der Entlassung aus der Strafhaft wurde über ihn am 27. November 2019 zum Zweck der Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet. 6 Aus dem Stande der Schubhaft stellte der Revisionswerber am 3. Dezember 2019 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, dass die bisherigen Fluchtgründe aus den vorangegangen Verfahren noch aufrecht seien. Er sei von 2001 bis 2003 Kämpfer für die AKSH gewesen und "habe mitgeholfen, Zigeuner und Serben aus dem Kosovo zu vertreiben". Wegen seiner Weigerung, dem Auftrag, dabei auch Menschen zu töten, nachzukommen, sei er von AKSH-Mitgliedern geschlagen worden. Bei einer Rückkehr befürchte er, von diesen getötet zu werden. Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA am 13. Dezember 2019 gab er an, Anfang November 2019 von einem Mitglied eines Zweiges der AKHS ein Video über Facebook erhalten zu haben, in dem er beschimpft und bedroht worden sei.

7 Das BFA hob - nach Einvernahme des Revisionswerbers - mit am 13. Dezember 2019 mündlich verkündetem Bescheid gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) den faktischen Abschiebeschutz auf. Die Behörde begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Revisionswerber die Gründe für die Folgeantragstellung bereits in seinen Vorverfahren vorgebracht habe und keine entscheidungswesentliche Änderung der allgemeinen Lage und seiner persönlichen Verhältnisse eingetreten sei. Der Revisionswerber habe bereits im Zuge des Vorverfahrens angegeben, Mitglied der AKSH gewesen zu sein. Der vorgebrachten Bedrohung im Zusammenhang mit dem ins Treffen geführten Video schenkte die Behörde mit näherer Begründung keinen Glauben.

8 Mit dem in Revision gezogenen Beschluss erklärte das Bundesverwaltungsgericht die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes für rechtmäßig und sprach unter einem aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Begründend führte das BVwG - zusammengefasst und soweit für den vorliegenden Revisionsfall von Bedeutung - aus, dass der Folgeantrag voraussichtlich gemäß § 68 AVG zurückzuweisen sein werde, weil sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht geändert habe. Es sei davon auszugehen, dass der Revisionswerber den zweiten Folgeantrag nur deshalb gestellt habe, um die unmittelbar bevorstehende Durchsetzung der im Jahr 2016 erlassenen aufenthaltsbeenden Maßnahme zu verhindern, zumal der Revisionswerber den Antrag erst nach der Entlassung aus der Strafhaft und nach der Anordnung der Schubhaft gestellt habe, ohne die behaupteten Umstände schon früher darzulegen. Darüber hinaus verwies das Verwaltungsgericht auf eine bestehende Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der kosovarischen Behörden für den Fall, dass die behauptete Bedrohung tatsächlich vorläge. Der behaupteten Verfolgung käme, selbst wenn die Behauptung des Revisionswerbers zutreffend wäre, keine Asylrelevanz zu.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 12 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen und habe den für eine Beurteilung nach § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG anzuwendenden Maßstab für eine "Grobprüfung in Form einer Prognose" verkannt. Es könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit angenommen werden, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen sei. Es liege eine beachtliche Neuerung vor. Der Revisionswerber habe ein neues Video vorgelegt und "neue Angaben gemacht, welche er aus Angst vor seinem Tod und dem Tod seiner Tochter zuvor nicht gemacht" habe. 13 Wird eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend gemacht, hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt einem der von ihm ins Treffen geführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Dabei reicht es nicht aus, bloß Rechtssätze zu verschiedenen Erkenntnissen wiederzugeben oder Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl zu nennen, ohne auf konkrete Unterschiede in dieser Rechtsprechung hinzuweisen (vgl. etwa VwGH 10.9.2019, Ra 2019/14/0258, mwN).

14 Diesen Vorgaben wird mit der vorliegenden Zulässigkeitsbegründung der gegenständlichen Revision, die pauschal ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet, nicht entsprochen. Die Revision legt nicht dar, dass das Bundesverwaltungsgericht von den Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes, unter welchen Voraussetzungen bei einem Folgeantrag der faktische Abschiebeschutz nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aberkannt werden kann, abgewichen wäre (siehe dazu etwa VwGH 18.9.2019, Ra 2019/18/0338, und 12.12.2018, Ra 2018/19/0010, jeweils mwN). 15 Insbesondere bestreitet die Revision auch nicht die vom Bundesverwaltungsgericht angenommene Schutzfähigkeit und - willigkeit der kosovarischen Behörden unter Hinweis auf die Tatsache, dass der Kosovo als sicherer Herkunftsstaat gemäß § 19 Abs. 5 Z 2 BFA-VG in Verbindung mit § 1 Z 2 Herkunftsstaaten-Verordnung gilt, und zeigt keine fallbezogen spezifischen Umstände auf, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten (zur Widerlegbarkeit der gesetzlichen Vermutung einer grundsätzlich bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden trotz Aufnahme eines Staates in die Liste sicherer Herkunftsstaaten vgl. VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0233; 30.10.2019, Ra 2019/14/0436, mwN).

16 Vor diesem Hintergrund liegt hier aber auch keine Konstellation vor, die mit jener vergleichbar wäre, die dem beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 18. Dezember 2019, Ro 2019/14/0006, vorgelegten Vorabentscheidungsersuchen (beim EuGH registriert unter C-18/20 ) zugrunde lag, weil im gegenständlichen Fall nicht davon gesprochen werden kann, dass im Sinn des Art. 40 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU neue Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden wären, die erheblich zu der Wahrscheinlichkeit hätten beitragen können, dass der Antragsteller nach Maßgabe der Richtlinie 2011/95/EU als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen wäre (vgl. in diesem Sinn auch VwGH 18.12.2019, Ro 2019/14/0006 (EU 2019/0008), Rn. 66).

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 28. Jänner 2020

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