VwGH Ra 2020/03/0122

VwGHRa 2020/03/012218.12.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer‑Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revisionen

I. (zu Ra 2020/03/0122) der revisionswerbenden Partei Stadtgemeinde M, vertreten durch Mag. Helmut Marschitz, Rechtsanwalt in 2130 Mistelbach, Oserstraße 19 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptfrau von Niederösterreich; mitbeteiligte Partei: Ö AG in W, vertreten durch Walch/Zehetbauer/Motter Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Biberstraße 11), und

II. (zu Ra 2020/03/0123) der revisionswerbenden Partei Ö AG in W, vertreten durch Walch/Zehetbauer/Motter Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Biberstraße 11 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptfrau von Niederösterreich; mitbeteiligte Parteien: 1. Land Niederösterreich, vertreten durch Dr. Andrew P. Scheichl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 20/8‑9, und 2. Stadtgemeinde Mistelbach, vertreten durch Mag. Helmut Marschitz, Rechtsanwalt in 2130 Mistelbach, Oserstraße 19),

gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 21. Juli 2020, Zlen. LVwG‑AV‑660/001‑2019, LVwG‑AV‑661/001‑2019, LVwG‑AV‑146/001‑2020, LVwG‑AV‑162/001‑2020, LVwG‑AV‑165/001‑2020, LVwG‑AV‑167/001‑2020, betreffend die Sicherung von Eisenbahnkreuzungen,

zu Recht erkannt:

Normen

DeregulierungsG 2001
EisbKrV 2012 §102 Abs3
EisenbahnG 1957 §48 Abs2
EisenbahnG 1957 §48 Abs3
EisenbahnG 1957 §48 Abs4
EisenbahnG 1957 §49
EisenbahnG 1957 §49 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020030122.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.346,04 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Ö AG (im Folgenden: Ö) ist ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Eigentümerin bzw. Betreiberin der Schieneninfrastruktur der Eisenbahnstrecke Wien Hauptbahnhof ‑ Südosttangente - Laa an der Thaya.

2 Diese Eisenbahnstrecke kreuzt bei km 55,800, km 56,334, km 57,381 und km 61,814 Gemeindestraßen der Stadtgemeinde M sowie bei km 75,135 und km 82,306 zwei Landesstraßen des Landes Niederösterreich (L 24 und L 23).

3 Mit Bescheiden der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 26. Februar 2015 (für die Kreuzung in km 55,800), vom 25. Februar 2016 (für die Kreuzung in km 57,381), vom 29. Februar 2016 (für die Kreuzung in km 75,135) und vom 22. März 2016 (für die Kreuzungen in km 56,334, km 61,814 und km 82,306) wurde für diese sechs Eisenbahnkreuzungen jeweils gemäß § 4 Abs. 1 Z 4 EisbKrV eine Sicherung durch Lichtzeichen mit Schranken (zum Teil samt Zusatzeinrichtung mit elektrischem Läutwerk) vorgeschrieben. An sämtlichen Eisenbahnkreuzungen bestanden schon davor Sicherungsanlagen.

4 Die mit den angeführten Bescheiden vorgeschriebenen Sicherungsanlagen wurden von der Ö im Folgenden angebracht bzw. adaptiert.

5 Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2018 stellte die Ö bei der Landeshauptfrau von Niederösterreich in Bezug auf die Kreuzungen mit den Gemeindestraßen einen „Antrag nach § 49 Abs. 2 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 Eisenbahngesetz 1957“. Darin führte sie u.a. aus, mit der Stadtgemeinde M als Trägerin der Straßenbaulast keine Einigung zur Kostenübernahme für die Herstellung, laufende Erhaltung und Inbetriebhaltung der Eisenbahnkreuzungen (über einen näher präzisierten Betrag) erzielt zu haben. Sie stellte daher den Antrag, die Landeshauptfrau von Niederösterreich möge gemäß § 49 Abs. 2 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 EisbG entscheiden, dass die Stadtgemeinde M als Trägerin der Straßenbaulast im Sinne des § 48 Abs. 2 EisbG 50 % der Kosten für die technische Anpassung und Erhaltung/Inbetriebhaltung der Eisenbahnkreuzungen in km 55,800, km 56,334, km 57,381 sowie in km 61,814 zu tragen habe, in eventu möge die Landeshauptfrau von Niederösterreich entscheiden, in welchem Ausmaß die Gesamtkosten von den Verkehrsträgern zu tragen seien, in eventu möge sie entscheiden, welche Kosten die Stadtgemeinde M als Trägerin der Straßenbaulast zu tragen habe.

6 Die Stadtgemeinde M wandte gegen diesen Antrag zusammengefasst ein, die Eisenbahnbehörde habe keine neue Anordnung einer Sicherung getroffen, sondern lediglich angeordnet, dass die bestehenden Sicherungsanlagen erneuert werden müssten. Dies rechtfertige keine (neue) Kostenfestlegung im Sinne des § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG.

7 Mit Schriftsatz vom 22. Februar 2019 stellte die Ö bei der Landeshauptfrau von Niederösterreich für die Kreuzungen mit den Landesstraßen einen „Antrag nach § 49 Abs. 2 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 bis 4 Eisenbahngesetz 1957“. Auch in diesem Verfahren brachte die Ö vor, mit dem Land Niederösterreich als Träger der Straßenbaulast keine Einigung über die Kosten für die Errichtung und Erhaltung/Inbetriebhaltung der Sicherungsanlagen erzielt zu haben. Sie beantragte, die Landeshauptfrau von Niederösterreich möge gemäß § 49 Abs. 2 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG entscheiden, dass das Land Niederösterreich als Träger der Straßenbaulast im Sinne von § 48 Abs. 2 EisbG 50 % der Kosten für die technische Anpassung und Erhaltung/Inbetriebhaltung der Eisenbahnkreuzungen in km 75,135 und in km 82,306 zu tragen habe, in eventu möge die Landeshauptfrau von Niederösterreich entscheiden, in welchem Ausmaß die Gesamtkosten von den Verkehrsträgern zu tragen seien, in eventu möge sie entscheiden, welche Kosten „die NÖ Landesstraßenverwaltung, Abteilung ST4“ als Trägerin der Straßenbaulast zu tragen habe.

8 Das Land Niederösterreich brachte gegen diesen Antrag vor, es lägen die Voraussetzungen für ein behördliches Einschreiten (noch) nicht vor, weil die Verhandlungen zwischen den Parteien über die Kostentragung noch nicht abgeschlossen seien. Auch die inhaltlichen Voraussetzungen für eine Kostenübernahme durch das Land Niederösterreich seien nicht gegeben.

9 Mit Bescheiden vom 10. Mai 2019 setzte die Landeshauptfrau von Niederösterreich die Kosten für die Anpassung und Erhaltung/Inbetriebhaltung der Kreuzungen in km 55,800 und km 56,334 mit näher genannten Beträgen fest, sprach aus, dass die Ö und die Stadtgemeinde M diese Kosten jeweils zur Hälfte zu tragen hätten, und verpflichtete die Stadtgemeinde M zu entsprechenden Zahlungen an die Ö. Dagegen erhob die Stadtgemeinde M Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht).

10 Mit Bescheiden vom 18. Dezember 2019 (für die Kreuzung in km 61,814), vom 9. Jänner 2020 (für die Kreuzung in km 82,306), vom 10. Jänner 2020 (für die Kreuzung in km 57,381) und vom 15. Jänner 2020 (für die Kreuzung in km 75,135) wies die Landeshauptfrau von Niederösterreich die Anträge der Ö jeweils ab, weil die bisherige Sicherungsart beibehalten worden sei und keine neue Kostenregelung stattzufinden habe. Gegen diese Entscheidungen erhob die Ö Beschwerde an das Verwaltungsgericht.

11 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde der Gemeinde M teilweise Folge und hob sämtliche Aussprüche in den verwaltungsbehördlichen Bescheiden über die Höhe der zu tragenden Kosten sowie über Zahlungsverpflichtungen der Stadtgemeinde M wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde auf. Bestätigt wurde hingegen der Ausspruch darüber, dass die Stadtgemeinde M die Kosten für die Errichtung, Erhaltung und Inbetriebhaltung der Sicherung der Eisenbahnkreuzungen in km 55,800 und in km 56,334 zur Hälfte tragen müsse (Spruchpunkte 1. und 2.).

12 Der Beschwerde der Ö wurde ‑ im Ergebnis nur teilweise ‑ Folge gegeben und die angefochtenen Bescheide dahingehend abgeändert, dass die Stadtgemeinde M (in Bezug auf die Kreuzungen in km 57,381 und km 61,814) bzw. das Land Niederösterreich (in Bezug auf die Kreuzungen in km 75,135 und km 82,306) jeweils zur Hälfte verpflichtet wurden, die Kosten für die Errichtung, Erhaltung und Inbetriebhaltung der Sicherung der jeweiligen Eisenbahnkreuzungen zu tragen (Spruchpunkte 3. und 4.)

13 Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

14 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die fast wortgleichen Hauptanträge der Ö vom 18. Mai 2018 und vom 22. Februar 2019 seien ihrem Inhalt nach darauf gerichtet gewesen, die Träger der Straßenbaulast (Stadtgemeinde M und Land Niederösterreich) jeweils zur Hälfte der Kosten für die Errichtung und Erhaltung/Inbetriebhaltung der jeweiligen Eisenbahnkreuzungen zu verpflichten. Die Hauptanträge hätten kein Begehren auf eine Entscheidung über die Höhe der Kosten enthalten.

15 Diese Hauptanträge (auf Kostenteilung im Verhältnis 50:50) seien zulässig und inhaltlich begründet gewesen. Eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien über die Kostentragung liege nicht vor. Keine der Parteien habe auch rechtzeitig einen Antrag auf eine abweichende behördliche Entscheidung nach § 48 Abs. 3 EisbG gestellt. Somit komme § 48 Abs. 2 EisbG uneingeschränkt zur Anwendung. In den Fällen, in denen die belangte Behörde die Anträge abgewiesen habe, habe sie dies mit der fehlenden inhaltlichen Änderung der Sicherungsart begründet. Eine solche Änderung sei jedoch nur im Hinblick auf die in § 48 Abs. 3 EisbG vorgesehene Dreijahresfrist relevant, nicht jedoch nach § 48 Abs. 2 EisbG, auf den sich sämtliche verfahrenseinleitende Anträge gestützt hätten. Die Hauptanträge der Ö seien daher hinsichtlich sämtlicher Eisenbahnkreuzungen berechtigt.

16 Ausgehend davon habe die belangte Behörde auf die Eventualanträge der Ö nicht mehr einzugehen gehabt und sie habe durch die Kostenbestimmung ihre Zuständigkeit überschritten. Daran ändere die von der Ö in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vorgenommene „Präzisierung“ ihrer verfahrenseinleitenden Anträge (mit denen auch eine Feststellung der Kosten begehrt werde) nichts. Dies stelle eine nach § 13 Abs. 8 zweiter Satz AVG unzulässige wesentliche Ausdehnung der verfahrenseinleitenden Anträge dar, weshalb darauf vom Verwaltungsgericht nicht näher einzugehen sei.

17 Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision der Ö (Ra 2020/03/0123), in der zur Zulässigkeit und in der Sache zusammengefasst geltend gemacht wird, dass ihre verfahrenseinleitenden Anträge auch eine betragsmäßige Feststellung der (strittigen) Kosten umfasst hätten. Das Verwaltungsgericht habe daher zu Unrecht eine Entscheidung über die Höhe der aufzuteilenden Kosten unterlassen.

18 Die Stadtgemeinde M wendet sich mit ihrer außerordentlichen Revision (Ra 2020/03/0122) gegen ihre Verpflichtung zur Kostentragung insgesamt. Sie macht zur Zulässigkeit und in der Sache geltend, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf Ro 2014/03/0077) abgewichen, indem es vermeine, „dass eine Antragstellung nach § 48 Abs. 2 EisbG nicht an die normierte Frist von drei Jahren gebunden“ sei. Weiters sei dem Verwaltungsgericht ein wesentlicher Verfahrensfehler unterlaufen, da die Aufteilung der Kosten im Verhältnis 50:50 nicht begründet und auf die gesetzlichen Aufteilungskriterien nicht eingegangen worden sei.

19 Die Stadtgemeinde M und das Land Niederösterreich (zu Ra 2020/03/0123) sowie die Ö (zu Ra 2020/03/0122) haben Revisionsbeantwortungen erstattet, in denen sie jeweils die Zurückweisung, hilfsweise die Abweisung der betreffenden Revisionen beantragen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

20 Die Revisionen sind zulässig und begründet.

21 Die in den Revisionsverfahren maßgebenden Bestimmungen des Eisenbahngesetzes 1957 idF BGBl. I Nr. 25/2010 (EisbG) lauten auszugsweise wie folgt:

„Anordnung der baulichen Umgestaltung und der Auflassung

§ 48. (1) ...

(2) Sofern kein Einvernehmen über die Regelung der Kostentragung zwischen dem Eisenbahnunternehmen und dem Träger der Straßenbaulast erzielt wird, sind die Kosten für die bauliche Umgestaltung der bestehenden Kreuzung, für die im Zusammenhang mit der Auflassung schienengleicher Eisenbahnübergänge allenfalls erforderliche Umgestaltung des Wegenetzes oder allenfalls erforderliche Durchführung sonstiger Ersatzmaßnahmen, deren künftige Erhaltung und Inbetriebhaltung je zur Hälfte vom Eisenbahnunternehmen und dem Träger der Straßenbaulast zu tragen. Die Kosten für die im Zusammenhang mit der Auflassung eines schienengleichen Eisenbahnüberganges erforderlichen Abtragungen und allenfalls erforderlichen Absperrungen beiderseits der Eisenbahn sind zur Gänze vom Eisenbahnunternehmen zu tragen. Die Festlegung der Art und Weise allenfalls erforderlicher Absperrungen beiderseits der Eisenbahn hat im Einvernehmen zwischen dem Eisenbahnunternehmen und dem Träger der Straßenbaulast zu erfolgen.

(3) Falls es das Eisenbahnunternehmen oder der Träger der Straßenbaulast beantragen, hat die Behörde ohne Berücksichtigung der im Abs. 2 festgelegten Kostentragungsregelung zu entscheiden,

1. welche Kosten infolge der technischen Anpassung der baulichen Umgestaltung (Abs. 1 Z 1) im verkehrsmäßigen Ausstrahlungsbereich der Kreuzung erwachsen, oder

2. welche Kosten für eine allfällige Umgestaltung des Wegenetzes oder für die Durchführung allfälliger sonstiger Ersatzmaßnahmen im verkehrsmäßigen Ausstrahlungsbereich der verbleibenden oder baulich umzugestaltenden Kreuzungen zwischen Haupt-, Neben-, Anschluss- oder Materialbahn mit beschränkt öffentlichem Verkehr einerseits und einer Straße mit öffentlichem Verkehr andererseits infolge der Auflassung eines schienengleichen Eisenbahnüberganges erwachsen, und demgemäß in die Kostenteilungsmasse einzubeziehen sind und in welchem Ausmaß das Eisenbahnunternehmen und der Träger der Straßenbaulast die durch die bauliche Umgestaltung oder durch die Auflassung eines schienengleichen Eisenbahnüberganges und die durch die künftige Erhaltung und Inbetriebhaltung der umgestalteten Anlagen oder durchgeführten Ersatzmaßnahmen erwachsenden Kosten zu tragen haben. Diese Festsetzung ist nach Maßgabe der seit der Erteilung der Baugenehmigung für die Kreuzung eingetretenen Änderung des Verkehrs auf der Eisenbahn oder des Straßenverkehrs, der durch die bauliche Umgestaltung der Verkehrswege, der durch die nach Auflassung verbleibenden oder im Zusammenhang mit der Auflassung baulich umgestalteten Kreuzungen, des umgestalteten Wegenetzes und der durchgeführten Ersatzmaßnahmen erzielten Verbesserung der Abwicklung des Verkehrs auf der Eisenbahn oder des Straßenverkehrs, der hierdurch erzielten allfälligen Ersparnisse und der im Sonderinteresse eines Verkehrsträgers aufgewendeten Mehrkosten zu treffen. Eine derartige Antragstellung ist nur innerhalb einer Frist von drei Jahren ab Rechtskraft einer Anordnung nach Abs. 1 zulässig. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die vom Eisenbahnunternehmen und vom Träger der Straßenbaulast zu tragenden Kosten gilt die im Abs. 2 festgelegte Kostentragungsregelung.

(4) ...

§ 49. (1) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie setzt durch Verordnung fest, in welcher Weise schienengleiche Eisenbahnübergänge nach dem jeweiligen Stand der Technik einerseits und nach den Bedürfnissen des Verkehrs andererseits entsprechend zu sichern sind und inwieweit bestehende Sicherungseinrichtungen an schienengleichen Eisenbahnübergängen weiterbelassen werden dürfen. Die Straßenverwaltungen sind zur kostenlosen Duldung von Sicherheitseinrichtungen und Verkehrszeichen, einschließlich von Geschwindigkeitsbeschränkungstafeln, verpflichtet.

(2) Über die im Einzelfall zur Anwendung kommende Sicherung hat die Behörde nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse und Verkehrserfordernisse zu entscheiden, wobei die Bestimmungen des § 48 Abs. 2 bis 4 mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden sind, dass die Kosten der Sicherungseinrichtungen für Materialbahnen, ausgenommen solche mit beschränkt‑öffentlichem Verkehr, vom Eisenbahnunternehmen alleine zu tragen sind, sofern nicht eine andere Vereinbarung besteht oder getroffen wird. (3) ...“

22 Die Übergangsbestimmung des § 102 Abs. 3 Eisbahnkreuzungsverordnung 2012, https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/II/2012/216  (EisbKrV), lautet auszugsweise wie folgt:

„Bestehende Schrankenanlagen gemäß § 8 Eisenbahn-Kreuzungsverordnung 1961 und bestehende Lichtzeichenanlagen gemäß § 9 Eisenbahn‑Kreuzungsverordnung 1961 gemäß Abs. 1 können unter der Voraussetzung, dass sie unter Anwendung der Bestimmungen des § 36 Eisenbahngesetz 1957 innerhalb von 14 Jahren ab Inkrafttreten dieser Verordnung an die Bestimmungen der §§ 65, 66, 67, 70 bis 73 und 75 dieser Verordnung angepasst werden können, bis zum Ablauf der technischen Nutzungsdauer der bestehenden Schrankenanlage oder Lichtzeichenanlage beibehalten werden. Bestehende Schrankenanlagen gemäß § 8 Eisenbahn‑Kreuzungsverordnung 1961 und bestehende Lichtzeichenanlagen gemäß § 9 Eisenbahn‑Kreuzungsverordnung 1961, bei denen den Straßenbenützern durch rotes blinkendes Licht Halt geboten wird oder bei denen den Straßenbenützern mit rotierenden Warnsignalen oder mit Läutewerk allein oder durch das Schließen der Schrankenbäume allein Halt geboten wird, dürfen, sofern sie an die Bestimmungen der §§ 65, 66, 67, 70 bis 73 und 75 dieser Verordnung angepasst werden können, längstens 17 Jahre ab Inkrafttreten dieser Verordnung beibehalten werden. ...“

23 In den vorliegenden Fällen ordnete die Eisenbahnbehörde Sicherungsmaßnahmen gemäß § 49 Abs. 2 EisbG an, in deren Gefolge die Ö mit den Trägern der Straßenbaulast (der Stadtgemeinde M und dem Land Niederösterreich) nach ihrem Vorbringen keine Einigung über die Kostentragung erzielen konnte.

24 Mangels Erreichung einer einvernehmlichen Lösung sieht § 48 Abs. 2 EisbG, der gemäß § 49 Abs. 2 EisbG sinngemäß zur Anwendung kommt, ex lege grundsätzlich vor, dass die Kosten je zur Hälfte vom Eisenbahnunternehmen und dem Träger der Straßenbaulast zu tragen sind, wobei davon abweichend bestimmte Auflassungskosten dem Eisenbahnunternehmen zur Gänze zugeordnet werden. Allerdings kann im Einzelfall eine behördliche Entscheidung nach § 48 Abs. 3 EisbG über eine andere Kostenteilung bzw. Kostentragung beantragt werden, wobei die Antragstellung nur innerhalb einer Frist von drei Jahren ab Rechtskraft einer behördlichen Anordnung nach § 48 Abs. 1 EisbG bzw. ‑ auf Grund der Verweisung in § 49 Abs. 2 EisbG ‑ nach § 49 Abs. 2 EisbG zulässig ist.

25 § 48 Abs. 3 EisbG sieht unter den dort vorgesehenen Voraussetzungen die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde in einem Verwaltungsverfahren über die Kostentragung vor, wobei sowohl das Ausmaß der relevanten Kosten sowie deren Aufteilung auf das Eisenbahnunternehmen und einen Träger der Straßenbaulast festzulegen sind. Für den Anwendungsbereich des § 49 EisbG bedeutet das, dass von der Behörde der Umfang der Kosten für die im Einzelfall zur Anwendung kommende Sicherung festzulegen und die Tragung dieser Kosten auf das Eisenbahnunternehmen und einen Träger der Straßenbaulast nach den in § 48 Abs. 3 EisbG normierten Kriterien aufzuteilen ist.

26 Wurde von der Behörde lediglich entschieden, dass die bisherigen Sicherungen von schienengleichen Eisenbahnübergängen beibehalten werden können, kommt die Anordnung der sinngemäßen Anwendung des § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zum Tragen (vgl. zum Ganzen grundlegend VwGH 18.2.2015, Ro 2014/03/0077). Dies gilt auch dann, wenn die Beibehaltung der bestehenden Sicherung durch Schrankenanlagen mit Lichtzeichen ‑ in Anwendung der Übergangsbestimmung des § 102 Abs. 3 EisbKrV ‑ unter Vorschreibung einzelner technischer Anpassungen erfolgt (vgl. VwGH 26.6.2019, Ra 2019/03/0012).

27 Trifft die Eisenbahnbehörde ‑ etwa infolge des Ablaufes der technischen Nutzungsdauer einer bestehenden Anlage ‑ aber eine (neue) Entscheidung über die Ausgestaltung der Art und Weise der Sicherung und damit deren inhaltlich gestaltende Festlegung im Einzelfall (und erlaubt damit nicht bloß die Beibehaltung der bestehenden Anlage), kann eine neue Kostenentscheidung nach § 48 Abs. 3 EisbG getroffen werden. Dass dabei letztlich eine Sicherungsart festgelegt wird, die mit der früher angeordneten vergleichbar ist, spielt keine Rolle (vgl. VwGH 2.4.2020, Ra 2019/03/0161).

28 Auf dieser rechtlichen Grundlage wären auch die vorliegenden Fälle zu entscheiden gewesen. Die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes, ihr lägen keine Anträge nach § 48 Abs. 3 EisbG, sondern bloß solche, die sich auf § 48 Abs. 2 EisbG gestützt hätten, vor, weshalb es weder auf die Einhaltung der dreijährigen Antragsfrist noch auf die Frage ankomme, ob die Sicherungsart geändert worden sei oder nicht, erweist sich aus folgenden Gründen als unzutreffend:

29 Nach dem bisher Gesagten unterscheidet das EisbG nicht zwischen Anträgen nach § 48 Abs. 2 und 3 EisbG. Das Gesetz sieht mangels Einigung der Parteien über die Kostentragung lediglich einen ‑ befristeten ‑ Antrag nach § 48 Abs. 3 EisbG vor, mit dem eine behördliche Entscheidung über die strittige Kostenaufteilung erwirkt werden kann. Liegen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 3 EisbG nicht vor (etwa, weil die Antragsfrist von drei Jahren versäumt wurde oder die Behörde in Anwendung des § 102 Abs. 3 EisbKrV lediglich die Beibehaltung der bestehenden Sicherung ‑ mit allfälligen einzelnen technischen Anpassungen ‑ angeordnet hat), kommt eine behördliche (bzw. verwaltungsgerichtliche) Entscheidung über die Kostenregelung nicht in Betracht. Dem Antrag wäre vielmehr nicht stattzugeben. Insofern erweist sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts selbst unter Zugrundelegung seiner Rechtsansicht, ihm lägen keine fristgerechten Anträge nach § 48 Abs. 3 EisbG vor, jedenfalls als nicht rechtmäßig.

30 Ferner scheint das Verwaltungsgericht bei seiner rechtlichen Sichtweise, wonach keine Partei rechtzeitig einen Antrag nach § 48 Abs. 3 EisbG gestellt habe und es sich mit der strittigen Frage, ob die Behörde lediglich die Beibehaltung der bestehenden Sicherung angeordnet habe, nicht beschäftigen müsse, davon ausgegangen zu sein, dass die Anträge der Ö nicht als solche gemäß § 48 Abs. 3 EisbG verstanden werden könnten. Es vertritt weiters die Rechtsauffassung, dass die Hauptanträge der Ö bloß auf die Festlegung eines Anteils von 50 % gerichtet gewesen seien, zu dem die Träger der Straßenbaulast die Kosten übernehmen sollten. Eine Festsetzung der Höhe dieser Kosten sei mit den Hauptanträgen hingegen nicht begehrt worden.

31 Dabei nahm das Verwaltungsgericht eine Auslegung der Anträge der Ö vor, die auf das erkenn- und erschließbare Ziel der Antragstellerin und den objektiven Erklärungswert ihrer Anbringen nicht hinreichend Bedacht nahm. Die (Haupt‑)Anträge der Ö zielten darauf ab, eine behördliche Festsetzung der Kostentragung von „50 % der Kosten“ zu erwirken. Im Sinne der zuvor dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung ging es also darum, sowohl das Ausmaß der relevanten Kosten als auch deren Aufteilung auf das Eisenbahnunternehmen und die Träger der Straßenbaulast (laut Hauptantrag im Verhältnis 50:50) festzulegen. Nach dem Inhalt der Anträge hatten die Parteien auch über den Umfang der relevanten Kosten keine Einigung erzielt. Von der Höhe nach unstrittigen Kosten, die nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 21.5.2019, Ro 2018/03/0050) einen eingeschränkten Antrag auf bloße Festlegung der Aufteilungsschlüssel ermöglicht hätten, konnte in den vorliegenden Fällen daher nicht ausgegangen werden. Die Anträge der Ö wären deshalb bei verständiger Würdigung des Wortlauts und ihres Zwecks ‑ ungeachtet der missverständlichen Bezeichnung des Antrags vom 18. Mai 2018 ‑ als Anträge nach § 48 Abs. 3 EisbG anzusehen und dahingehend zu lesen gewesen, dass die Ö in jedem Fall auch die Klärung des Umfangs der relevanten Kosten angestrebt hatte (vgl. in diesem Sinn bereits VwGH 21.10.2020, Ra 2020/03/0079).

32 Ausgehend davon war es weder korrekt, die Anträge der Ö nicht als solche nach § 48 Abs. 3 EisbG anzusehen, noch der Ö zu unterstellen, mit ihren Hauptanträgen auf eine behördliche Überprüfung der aufzuteilenden Kosten zu verzichten. Eine Behandlung ihrer Anträge hätte vielmehr erfordert, auf die gegen die Anträge erhobenen Einwände (insbesondere, dass mit den Sicherungsbescheiden der Eisenbahnbehörde lediglich die Beibehaltung der bestehenden Sicherung angeordnet worden sei, weshalb keine neue Kostenentscheidung zu erfolgen habe) näher einzugehen. Wären diese Einwände berechtigt gewesen, hätten den Anträgen nicht stattgegeben werden dürfen; wären sie unberechtigt gewesen, hätte sich das Verwaltungsgericht nicht bloß auf die Festlegung eines Anteils von 50 % beschränken dürfen, zu dem die Träger der Straßenbaulast die Kosten übernehmen sollten, sondern zunächst deren Umfang zu ermitteln bzw. festzustellen und darauf aufbauend eine Aufteilung der Kosten auf die Parteien vorzunehmen gehabt.

33 Das angefochtene Erkenntnis, das diesen Anforderungen nicht entspricht, war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

34 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG Abstand genommen werden.

35 Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 18. Dezember 2020

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