VwGH Ra 2020/02/0027

VwGHRa 2020/02/00279.3.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der S in W, vertreten durch Mag. Sylvia Weiländer, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 14/11, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 21. November 2019, Zl. VGW- 231/028/4167/2019/VOR-20, betreffend eine Angelegenheit nach dem Wiener Tierhaltegesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
TierhalteG Wr 1987 §4 Abs3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020020027.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 17. Juli 2018 wurde der Revisionswerberin gemäß § 4 Abs. 3 Wiener Tierhaltegesetz die Haltung und der Umgang mit Hunden in Wien verboten.

2 Die von der Revisionswerberin dagegen erhobene Beschwerde wurde (nach einer abweisenden Entscheidung des Landesrechtspflegers des Verwaltungsgerichts Wien vom 22. März 2019, gegen welche die Revisionswerberin gemäß § 54 VwGVG Vorstellung erhob) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen. Die ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

3 Das Verwaltungsgericht stellte begründend fest, die Revisionswerberin sei Besitzerin und Halterin eines hundeführscheinpflichtigen Hundes der Rasse American Staffordshire Terrier. Seit 2015 sei es zu diversen, näher ausgeführten Zwischenfällen mit dem Hund der Revisionswerberin gekommen. Im Mai 2017 sei der Revisionswerberin von der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht worden, dass im Hinblick auf die festgestellten Vorkommnisse beabsichtigt sei, der Revisionswerberin den Auftrag zu erteilen, dass der Hund an öffentlichen Orten stets mit einem Maulkorb versehen sein müsse. Trotzdem habe die Revisionswerberin den Hund am 7. Juli 2017 ohne Leine und ohne Maulkorb in einem Schwimmteich schwimmen lassen. Anschließend habe der Hund auf einem Kinderspielplatz einen Ball zerbissen. Am 27. Oktober 2017 habe die Revisionswerberin den Hund erneut ohne Maulkorb geführt, wobei ein anderer Hund gebissen worden sei. Mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 12. Dezember 2017 sei der Revisionswerberin die Auflage erteilt worden, dass der Hund stets mit einem Maulkorb versehen sein müsse und sie eine Nachschulung zu absolvieren habe. Ungeachtet dessen habe die Revisionswerberin den Hund am 6. April 2018 wiederum ohne Maulkorb geführt. Dabei sei es erneut zu einer Auseinandersetzung mit zwei anderen Hunden gekommen, wobei ein Hund durch Bisse des Hundes der Revisionswerberin verletzt worden sei. Am 7. Jänner 2019 sei der Hund zunächst angeleint und mit einem Maulkorb versehen gewesen. Nach Bemerken eines anderen Hundes habe sich der Hund der Revisionswerberin losgerissen. Zwischen den Hunden sei eine Rangelei entstanden, wobei sich der Maulkorb des Hundes der Revisionswerberin gelöst habe. Der Hund der Revisionswerberin habe den anderen Hund mehrmals im Nacken- und Rückenbereich gebissen. Am 15. April 2019 sei der Hund erneut ohne Maulkorb geführt worden, ebenso zwei Wochen zuvor. Die Revisionswerberin sei seit Dezember 2015 sechsmal wegen Übertretungen des Wiener Tierhaltegesetzes rechtskräftig bestraft worden. Aufgrund der Vorfälle sei zudem eine Begutachtung durch eine Sachverständige erfolgt, welche zum Ergebnis gekommen sei, dass beim Hund in bestimmten Reizsituationen ein erhöhtes Beute-Aggressionspotenzial vorhanden sei. In Verbindung mit der mangelnden Kontrollierbarkeit durch die Revisionswerberin stelle der Hund eine potentielle Gefahrenquelle für seine Umwelt dar.

4 Den festgestellten Sachverhalt stützte das Verwaltungsgericht beweiswürdigend insbesondere auf die im Akt erliegenden Anzeigen sowie die im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 3. Juli 2019 und am 16. September 2019 vernommenen Zeugen.

5 In rechtlicher Hinsicht kam das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass angesichts der festgestellten Vorfälle, der rechtskräftigen Bestrafungen wegen Übertretungen des Wiener Tierhaltegesetzes und der Ergebnisse der Begutachtung durch die Sachverständige die Revisionswerberin als nicht vertrauenswürdig im Sinne des § 4 Abs. 3 Wiener Tierhaltegesetz gelte. Gelindere Mittel seien nicht geeignet, das Tierhalteverbot abzuwenden, weil die Behörde solche bereits zur Anwendung gebracht habe, diese jedoch zu keinem rechtskonformen Verhalten geführt hätten. Die Maßnahme sei verhältnismäßig um das angestrebte Ziel - den Schutz von Menschen vor Gefahren, die sich aus der Tierhaltung ergäben (§ 1 Abs. 1 Wiener Tierhaltegesetz) - zu erreichen. Das Verbot sei unbefristet auszusprechen gewesen, zumal sich aus den festgestellten Umständen nicht ableiten lasse, dass eine Befristung des Verbots geeignet sei, den damit verfolgten Zweck zu erreichen. Es hätten sich auch keine Anhaltspunkte ergeben, die darauf schließen ließen, dass nach Ablauf einer bestimmten Frist sichergestellt sei, dass die Revisionswerberin ein gesetzeskonformes Verhalten an den Tag lege.

6 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. 7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, "die Rechtsfrage, ob und unter welchen Voraussetzungen alleine von angenommenen Mängel der Haltung eines konkreten Hundes unter Beachtung des Gesetzeszweckes des Wiener Tierhaltegesetzes (...) die Erlassung eines Verbotes jeglichen 'Umgangs' mit Hunden im Allgemeinen rechtfertigen können, wurde vom Verwaltungsgerichtshof bisher soweit ersichtlich nicht entschieden." Ebenso sei "(d)ie Rechtsfrage, ob eine Vertrauensunwürdigkeit, die ausschließlich in Zusammenhang mit der Haltung eines konkreten (Listen‑)Hundes und der sich aus dessen Rasse und gesellschaftlichen Bedenken ergebenden Besonderheiten, im Rahmen einer Einzelfallbeurteilung angenommen wurde, ausreichender Grund für ein unbefristetes und nicht auf den konkreten Hund oder Listenhunde an sich beschränktes Verbot darstellt oder ob bei einer Vertrauenswürdigkeit, die ausschließlich auf Besonderheiten eines konkreten (Listen‑)Hundes zurückzuführen ist, auf Grund des Verhältnismäßigkeitsgebotes nicht vielmehr eine gesonderte Prüfung von Erfordernissen des Schutzes von Menschen vor Gefahren, die sich aus der Haltung anderer Hunde ergeben, erforderlich ist, wurde soweit erkennbar vom Verwaltungsgerichtshof noch nicht gelöst." Schließlich sei die Rechtsfrage, "ob zur Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit bloße 'Mitteilungen' von Dritten an Behörden, ohne dass es zu Verwaltungsstrafverfahren und/oder Verwaltungsstrafen gekommen ist, als 'Vorfälle' gewertet werden können, sodass der bloße Umstand, dass dritte Personen unüberprüfte Behauptungen aufgestellt haben, zur Beurteilung ausreichend ist" ebenso noch nicht gelöst.

11 Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt:

12 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung erfolgt die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung (vgl. etwa VwGH 20.12.2018, Ra 2018/02/0337, mwN).

13 Die vorliegende Revision erweist sich bereits deshalb als unzulässig, weil das Zulässigkeitsvorbringen lediglich allgemein gehaltene Rechtsfragen formuliert, ohne einen Bezug zum konkreten Sachverhalt herzustellen. Fehlt die Verknüpfung zwischen der individualisierten Rechtsfrage, dem von der Revisionswerberin dieser konkret zu Grunde gelegten Sachverhalt und der darauf basierenden rechtlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichts, die den Verwaltungsgerichtshof erst in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt, ist die Revision unzulässig (vgl. VwGH 10.8.2017, Ra 2016/02/0187; 25.2.2019, Ra 2019/02/0034, jeweils mwN).

14 Soweit sich die Revision - ebenso lediglich in pauschalen Ausführungen - gegen die Beweiswürdigung wendet, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung nur dann vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 9.12.2019, Ra 2019/02/0157, mwN). 15 Entgegen den Ausführungen in der Revision stützte das Verwaltungsgericht seine Feststellungen nicht auf bloße "Mitteilungen" von Dritten, sondern insbesondere auf die im Rahmen der mündlichen Verhandlung erstatteten Zeugenaussagen, welche das Verwaltungsgericht in schlüssiger Weise als glaubwürdig wertete. Aufgrund des auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten maßgebenden Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel war das Verwaltungsgericht auch berechtigt, die im Akt erliegenden Anzeigen in seine Würdigung miteinzubeziehen (vgl. etwa VwGH 15.6.2018, Ra 2018/11/0059; 14.6.2005, 2004/02/0393, jeweils mwN). Eine unvertretbare Beweiswürdigung zeigt die Revisionswerberin mit ihrem lediglich pauschalen Vorbringen hingegen nicht auf.

16 Ob die Vertrauenswürdigkeit im Sinne des § 4 Abs. 3 Wiener Tierhaltegesetz zu verneinen ist, ist im Übrigen - wie sich bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt - nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Angesichts der oben wiedergegebenen Sachverhaltsfeststellungen ist die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, wonach die Vertrauenswürdigkeit der Revisionswerberin zu verneinen sei, jedenfalls nicht als unvertretbar zu beurteilen. Eine solche Unvertretbarkeit zeigt auch die vorliegende Revision nicht auf. 17 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung - zutreffend - an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage ausgerichtet hat. Allfällige Änderungen des maßgeblichen Sachverhalts waren also zu berücksichtigen (vgl. VwGH 6.12.2018, Ra 2018/02/0318, mwN).

18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 9. März 2020

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