VwGH Ra 2019/22/0192

VwGHRa 2019/22/019230.3.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision des A A in W, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/15, gegen das am 17. Mai 2019 mündlich verkündete und mit Datum vom 28. Juni 2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, VGW- 151/087/4284/2019-14, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

ARB1/80 Art6 Abs1
B-VG Art133 Abs4
NAG 2005 §2 Abs2
NAG 2005 §45 Abs1
VwGG §34 Abs1
32003L0109 Drittstaatsangehörigen-RL Art3 Abs2 lite

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019220192.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (belangte Behörde) vom 13. Februar 2019 wurden der Zweckänderungsantrag des Revisionswerbers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" gemäß § 45 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), in eventu eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a NAG sowie der damit verbundene Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung "Student" gemäß § 64 NAG abgewiesen, weil der Revisionswerber die besonderen Erteilungsvoraussetzungen nicht erfülle.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen abgewiesen und der bekämpfte Bescheid mit einer (fallbezogen nicht relevanten) Maßgabe bestätigt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.

Das Verwaltungsgericht stellte - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Relevanz - fest, dass der Revisionswerber seit 2008 über eine zuletzt bis zum 24. Jänner 2018 gültige Aufenthaltsbewilligung "Student" verfügt habe. Der Revisionswerber sei nicht zum Zweck der Erwerbsausübung nach Österreich gekommen, sondern um hier zu studieren, Deutsch zu lernen und danach in sein Heimatland zurückzukehren. Seit 14. Oktober 2016 sei er in einem Hotel beschäftigt, eine Beschäftigungsbewilligung liege vor.

Zur Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" verwies das Verwaltungsgericht zunächst auf das Erfordernis einer ununterbrochenen tatsächlichen Niederlassung in den letzten fünf Jahren. Der Aufenthalt aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung (hier zum Zweck des Studiums) gelte nach § 2 Abs. 3 NAG nicht als Niederlassung. Aufenthalte, die a priori nicht den Willen des Drittstaatsangehörigen widerspiegelten, im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten langfristig ansässig zu sein, seien vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/109/EG über die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen nach deren Art. 3 Abs. 2 ausgeschlossen. Der Revisionswerber verfolge keine dauerhafte Niederlassungsabsicht im Bundesgebiet.

Zur Frage, ob das aus Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich des Beschlusses des Assoziationsrates vom 19. September 1980 (ARB 1/80) abgeleitete Aufenthaltsrecht des Revisionswerbers einer Niederlassung im Sinn des NAG entspreche, verwies das Verwaltungsgericht auf Art. 3 Abs. 2 lit. e der RL 2003/109/EG , demzufolge Drittstaatsangehörige von deren Anwendungsbereich ausgeschlossen seien, deren Aufenthaltsgenehmigung "förmlich begrenzt" sei. Das türkischen Staatsangehörigen nach Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 zukommende Aufenthaltsrecht sei an die Zugehörigkeit zum inländischen Arbeitsmarkt geknüpft und somit kein zeitlich unbeschränktes und unbedingtes Aufenthaltsrecht. Zudem sei das Aufenthaltsrecht auch inhaltlich eingeschränkt, weil es den rechtmäßigen Aufenthalt nur während der Zeit der Arbeit beim selben Arbeitgeber ermögliche. Es liege somit eine förmliche Begrenzung im Sinn des Art. 3 Abs. 2 lit. e der RL 2003/109/EG vor. Der auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" gerichtete Zweckänderungsantrag sei daher abzuweisen gewesen.

Zur Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" verwies das Verwaltungsgericht im Wesentlichen auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. August 2018, Ro 2017/22/0015. Die Abweisung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung "Student" wurde mit dem nicht erbrachten Nachweis des erforderlichen Studienerfolgs im Sinn des § 64 Abs. 2 NAG begründet.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 5 Vorauszuschicken ist zunächst, dass sich die vorliegende Revision ausdrücklich nur gegen die Abweisung der beiden Zweckänderungsanträge - und somit nicht gegen die Abweisung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung "Student" - richtet.

6 Zur Zulässigkeit bringt der Revisionswerber vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob türkische Staatsangehörige, denen ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 zukomme, niedergelassen und somit berechtigt seien, einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" zu erhalten. Zudem sei das Verwaltungsgericht mit seiner Entscheidung vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 2016, Ro 2015/22/0010, abgewichen.

7 Dem zuletzt genannten Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass ein Abweichen des Verwaltungsgerichtes von der genannten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes schon deshalb nicht vorliegt, weil die dort zugrunde liegende Aufenthaltsbewilligung "Künstler" nach § 61 NAG (in der Fassung BGBl. I Nr. 40/2014) mit dem hier gegenständlichen, aus Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 abgeleiteten Aufenthaltsrecht nicht vergleichbar ist.

8 Zur Frage, ob ein auf Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 gestütztes Aufenthaltsrecht als Niederlassung gemäß § 2 Abs. 2 NAG anzusehen ist, wird auf Folgendes hingewiesen:

9 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Einbringung der Revision -

bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. VwGH 13.12.2018, Ro 2018/22/0009, mwN).

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 23. Jänner 2020, Ro 2019/22/0009, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, zu der auch hier maßgeblichen Rechtsfrage festgehalten, dass bei einem aus Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 abgeleiteten Aufenthaltsrecht von einem förmlich begrenzten Aufenthaltsrecht nach Art. 3 Abs. 2 lit. e der RL 2003/109/EG auszugehen und der betroffene Drittstaatsangehörige nicht als niedergelassen im Sinn des § 45 Abs. 1 NAG anzusehen sei. Die vorliegend aufgeworfene Rechtsfrage wurde somit - im Sinn der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes - bereits geklärt.

11 Ein Zulässigkeitsvorbringen, das sich auf die Abweisung des Zweckänderungsantrags auf Erteilung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" bezieht, enthält die Revision nicht. 12 Aus den dargestellten Erwägungen war die vorliegende Revision somit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 30. März 2020

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte