VwGH Ro 2018/22/0009

VwGHRo 2018/22/000913.12.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache des A A, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 9. November 2017, VGW- 151/085/3557/2017-2, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

ARB1/80
ARB1/80 Art6
AuslBG §17
AuslBG §4c idF 2013/I/072
EURallg
NAG 2005 §24
NAG 2005 §41a
NAG 2005 §64
NAG 2005 §8
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018220009.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, verfügte zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung "Studierender" gemäß § 64 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) mit einer Gültigkeit bis zum 28. Juni 2017. Am 14. Oktober 2016 stellte er unter Berufung auf Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a NAG.

2 Mit Bescheid vom 17. Februar 2017 wies der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde) diesen Zweckänderungsantrag ab. Begründend wurde festgehalten, dass das NAG keine Zweckänderung von einer Aufenthaltsbewilligung "Studierender" auf einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" vorsehe und dies vorliegend zur Wahrung der aus dem ARB 1/80 erfließenden Rechte auch nicht erforderlich sei, weil der Revisionswerber neben dem Studium erwerbstätig sein könne und die genannten Rechte durch die Innehabung der Aufenthaltsbewilligung "Studierender" nicht eingeschränkt seien.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 9. November 2017 wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und bestätigte den bekämpften Bescheid (mit einer vorliegend nicht relevanten Maßgabe). Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für zulässig erklärt.

Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass der Revisionswerber sein Studium im April 2016 erfolgreich abgeschlossen habe und dass er seit 18. November 2015 bei einem näher bezeichneten Unternehmen geringfügig beschäftigt sei, wobei eine Beschäftigungsbewilligung - zuletzt verlängert bis 15. November 2017 - vorliege. Ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" auf Grund von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 sei - so das Verwaltungsgericht - im NAG nicht vorgesehen. Angesichts der unmittelbaren Wirkung von Art. 6 ARB 1/80 bestehe ein (der erlaubten Beschäftigung) entsprechendes Aufenthaltsrecht unabhängig davon, ob die Behörden ein "spezielles Verwaltungsdokument wie eine Arbeitserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis ausstellen". Einer Aufenthaltsberechtigung zur Anerkennung dieses Aufenthaltsrechts käme nur deklarative Wirkung zu. Da ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt beinhalte, würde dem Revisionswerber mit der Erteilung dieses Aufenthaltstitels ein - über die nach Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 zustehenden Rechte (auf Verlängerung der Arbeitserlaubnis beim gleichen Arbeitgeber) hinausgehendes - Aufenthaltsrecht konstitutiv eingeräumt. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" erscheine somit nicht gerechtfertigt.

Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu fehle, welcher Aufenthaltstitel nach dem NAG einem türkischen Staatsangehörigen, der ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 erworben habe, zu erteilen sei bzw. wie die Dokumentation eines solchen unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts zu erfolgen habe.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.

Begründend bringt der Revisionswerber vor, dass die Rechte nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 durch eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung "Studierender" nicht gewahrt würden, weil er als Student gewisse Voraussetzungen erbringen müsse. Nur der Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" verschaffe ihm das im ARB 1/80 festgeschriebene Aufenthaltsrecht und den Zugang zum Arbeitsmarkt gemäß dessen Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich.

5 Der Bundesminister für Inneres erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er die Auffassung vertritt, das Verwaltungsgericht habe die Beschwerde zu Recht abgewiesen.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

7 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Einbringung der Revision -

bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. VwGH 8.8.2018, Ra 2017/04/0090, mwN).

8 Die vorliegend zu beurteilende Rechtsfrage gleicht jener, über die der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 9. August 2018, Ro 2017/22/0015, entschieden hat. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die eingehenden Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

9 Daraus ergibt sich zusammengefasst, dass dem Revisionswerber die aus Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80

abzuleitenden individuellen Rechte unmittelbar zustehen, er jedoch keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus", mit dem ein unbeschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt verbunden ist, hat. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers lässt sich ein derartiger Anspruch auch nicht aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 2017, Ra 2016/22/0098, ableiten, weil darin keine Aussage zur hier vorliegenden Konstellation (des Bestehens einer Berechtigung nach Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80) getroffen wurde. Auch der Auffassung des Revisionswerbers, Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 sehe bereits nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt vor, ist nicht beizutreten. Weiters ergibt sich (worauf im Hinblick auf das diesbezügliche Vorbringen in der Revisionsbeantwortung hinzuweisen ist), dass aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 für sich genommen auch kein Anspruch auf Verlängerung einer bestehenden Aufenthaltsbewilligung "Studierender" abgeleitet werden kann.

10 Da die aufgeworfene Rechtsfrage somit (im Sinn der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes) bereits geklärt wurde, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 13. Dezember 2018

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