Normen
AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §52
AVG §58 Abs2
AVG §60
VwGVG 2014 §17
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019110022.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht, den Bescheid der belangten Behörde vom 26. November 2015 bestätigend, den Antrag des Revisionswerbers auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld, auf Ersatz des Verdienstentganges und auf orthopädische Versorgung nach dem Verbrechensopfergesetz ‑ VOG, BGBl. Nr. 288/1972, ab.
2 Das Verwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber sei am 6. Februar 2012 unbekleidet und mit einer blutenden Wunde am Hinterkopf sowie einem starken Brillenhämatom im Stiegenhaus vor seiner Wohnungstür aufgefunden worden. Er habe sich schwere, näher beschriebene Kopfverletzungen zugezogen. Der genaue Verletzungshergang könne nicht festgestellt werden.
3 Beweiswürdigend setzte sich das Verwaltungsgericht mit mehreren Sachverständigengutachten auseinander, von denen eines vom Revisionswerber vorgelegt und eines vom Verwaltungsgericht in Auftrag gegeben worden war. Es gelangte zum Ergebnis, Fremdverschulden sei nicht die einzige Möglichkeit für das Entstehen der Verletzungen gewesen. Vielmehr sei es unter Berücksichtigung der Vorgeschichte des Revisionswerbers auch möglich, dass sich dieser in berauschtem Zustand selbst verletzt habe. Auch die Aussagen des Revisionswerbers und seiner Ehefrau führten zu keinem anderen Ergebnis.
4 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, da nicht wesentlich mehr für ein Fremdverschulden als dagegen spreche, sei nicht mit Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Verletzungen des Revisionswerbers durch eine mit mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung verursacht worden seien. Die Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 Abs. 1 VOG lägen daher nicht vor.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das Verwaltungsgericht habe die entscheidende Feststellung, wonach der Verletzungshergang nicht festgestellt werden könne, auf den Inhalt eines „Fremdaktes“, nämlich eines in dieser Sache geführten Strafverfahrens, gestützt, und dadurch gegen seine Begründungspflicht verstoßen und aktenwidrige Feststellungen getroffen.
10 Dem ist entgegen zu halten, dass das Verwaltungsgericht die Feststellung, wonach der Verletzungshergang nicht genau festgestellt werden könne, tragend auf eine Auseinandersetzung mit den vorliegenden Sachverständigengutachten gestützt und in seine Beurteilung nur ergänzend die sich aus dem genannten „Fremdakt“ ergebenden Aussagen des Revisionswerbers und seiner Ehefrau einbezogen hat.
11 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit auch geltend, das Verwaltungsgericht hätte seine Feststellungen zu Unrecht auf das von ihm beauftragte Sachverständigengutachten gestützt. Einzig das vom Revisionswerber vorgelegte Sachverständigengutachten beruhe auf einer persönlichen Untersuchung des Revisionswerbers und habe „die gesamte Umgebung ‑ Tatumfeld, Strafakt ‑ in die Beurteilung mit einbezogen“, sodass diesem Gutachten der Vorzug zu geben gewesen wäre.
12 Damit wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 8.2.2018, Ra 2017/11/0292, mwN).
13 Liegen einander widersprechende Gutachten vor, ist es dem Verwaltungsgericht gestattet, sich dem einen oder dem anderen Gutachten anzuschließen, es hat diesfalls jedoch ‑ im Rahmen seiner Beweiswürdigung ‑ seine Gedankengänge darzulegen, die es veranlasst haben, von den an sich gleichwertigen Beweismitteln dem einen einen höheren Beweiswert zuzubilligen als dem anderen. Im Fall des Vorliegens mehrerer Gutachten, die voneinander abweichende Schlussfolgerungen enthalten, ist das Verwaltungsgericht somit gehalten, sich mit den unterschiedlichen Ergebnissen der Gutachten der beteiligten Ärzte beweiswürdigend auseinanderzusetzen. Dabei ist die Schlüssigkeit eines Gutachtens zu prüfen und einer sorgfältigen Beweiswürdigung zu unterziehen (vgl. VwGH 17.8.2020, Ra 2019/12/0084, mwN).
14 Das Verwaltungsgericht hat mit ausführlicher Begründung dargelegt, warum es die Schlussfolgerung des vom Revisionswerber vorgelegten Gutachtens, dass mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Fremdverschulden anzunehmen sei, nicht für nachvollziehbar halte und sich vielmehr dem von ihm beauftragten Gutachten anschließe, wonach nicht erheblich mehr für ein Fremdverschulden an den Verletzungen spreche als dagegen. Die Revision legt mit ihrem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen nicht konkret dar, dass jenes Gutachten, welches das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat, unvollständig oder unschlüssig oder die diesbezügliche Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes unvertretbar wäre.
15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 27. Oktober 2020
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