VwGH Ra 2019/09/0130

VwGHRa 2019/09/013021.4.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen in Wien, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 19. Juni 2019, LVwG 41.36- 368/2017-15, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Landespolizeidirektion Steiermark; mitbeteiligte Partei: A B in C, vertreten durch Mag. Julia Eckhart, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Hartenaugasse 6), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56
AVG §63 Abs1
AVG §68 Abs1
AVG §8
GSpG 1989 §53
GSpG 1989 §53 Abs1
GSpG 1989 §53 Abs3
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §50
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019090130.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 18. November 2016 hatte die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a Glücksspielgesetz (GSpG) gegenüber der - (zunächst) als Inhaberin der verfahrensgegenständlichen Geräte ermittelten - Mitbeteiligten die Beschlagnahme von fünf, bei einer Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz am selben Tag in einem näher bezeichneten Lokal vorgefundenen Glücksspielgeräten angeordnet.

2 Mit weiterem Bescheid vom 13. Dezember 2016 sprach die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde gegenüber der Mitbeteiligten abermals - diesmal (auch) als Veranstalterin und Eigentümerin dieser Geräte - die Beschlagnahme derselben fünf Glücksspielgeräte aus.

3 Die Mitbeteiligte erhob gegen beide Bescheide jeweils eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht.

4 Mit dem hier angefochtenen Erkenntnis vom 19. Juni 2019 gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark der gegen den Bescheid vom 18. November 2016 erhobenen Beschwerde statt und behob diesen. Das Verwaltungsgericht begründete dies damit, dass die Beschlagnahme mit Bescheid vom 13. Dezember 2016 gegenüber der Mitbeteiligten auch als Veranstalterin und Eigentümerin ausgesprochen worden sei, wogegen diese ebenfalls Beschwerde erhoben habe. Aus diesem Grund sei der gegenständliche Bescheid, der sich an die Mitbeteiligte als Inhaberin richte, zu beheben. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig. 5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Revisionsbeantwortungen wurden in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren nicht erstattet.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Die revisionswerbende Partei argumentiert die Zulässigkeit der Revision unter anderem damit, dass das Verwaltungsgericht von der (näher dargelegten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insoweit abgewichen sei, als es von den zwei in derselben (Beschlagnahme‑)Sache ergangenen Bescheiden den zeitlich späteren Beschlagnahmebescheid hätte aufheben müssen.

Damit erweist sich die Revision als zulässig und auch berechtigt:

7 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde hat mit Bescheid vom 18. November 2016 die Beschlagnahme der verfahrensgegenständlichen fünf Glücksspielgeräte gegenüber der Mitbeteiligten, die es als Inhaberin der Geräte ansprach, angeordnet.

8 Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26. Februar 2020, Ra 2019/09/0052, auf das zur näheren Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ausgeführt hat, besteht das Wesen der Beschlagnahme darin, dass die freie Verfügungsgewalt über eine Sache von dem (oder: den) Berechtigten auf die Behörde übergeht. Im Fall einer Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz wird nicht nur in die Rechtsphäre des Eigentümers eingegriffen, sondern auch in jene des Inhabers und des Veranstalters. Das Beschlagnahmeverfahren nach dem Glücksspielgesetz ist daher insoweit ein Mehrparteienverfahren, als neben dem Eigentümer auch dem Inhaber und dem Veranstalter der beschlagnahmten Gegenstände Parteistellung zukommt. 9 Mit Erlassung des Bescheides gegenüber einer der mehreren Parteien ist das behördliche Verfahren bei Vorliegen eines Mehrparteienverfahrens abgeschlossen und die Behörde damit an ihre Entscheidung gebunden. Die Berechtigung zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Beschlagnahmebescheid besteht - unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer formal als Adressat des Bescheids bezeichnet wurde oder nicht - wenn nach der anzuwendenden gesetzlichen Grundlage der Beschlagnahmebescheid (allenfalls: auch) an ihn zu richten gewesen wäre (vgl. zum Ganzen nochmals VwGH 26.2.2020, Ra 2019/09/0052, mwN).

10 Im vorliegenden Fall wurde die Beschlagnahme der gegenständlichen Geräte mit dem unstrittig am 18. November 2016 gegenüber der Mitbeteiligten, die (auch) Inhaberin dieser Geräte ist, erlassenen Bescheid verfügt. Der Beschlagnahmebescheid war damit wirksam erlassen. Die Mitbeteiligte konnte bereits Beschwerde erheben - was sie auch tat - und sich dabei auch auf ihr Eigentumsrecht oder ihre Stellung als Veranstalterin berufen. Die abermalige Erlassung eines weiteren (neuen) Bescheids gegenüber der Mitbeteiligten war nach dem Gesagten weder zulässig noch erforderlich (siehe zum Wiederholungsverbot auch VwGH 12.9.2018, Ra 2017/17/0620, u.a.). Die Erlassung eines zweiten Beschlagnahmebescheids vermag die Aufhebung des zeitlich früheren Bescheids jedenfalls nicht zu begründen.

11 Indem das Verwaltungsgericht dies verkannte und den zeitlich früheren Bescheid vom 18. November 2016 aufhob, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. 12 Das angefochtene Erkenntnis war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 21. April 2020

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte