VwGH Ra 2019/22/0214

VwGHRa 2019/22/021414.11.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache der R A C M in W, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 19. November 2018, VGW- 151/084/14082/2018/E-2, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §45 Abs3
AVG §59
AVG §59 Abs1
VwGVG 2014 §17

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019220214.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine Doppelstaatsbürgerin von Peru und Venezuela, verfügte über einen Aufenthaltstitel für den Zweck "Schüler" mit Gültigkeit zuletzt bis 22. September 2017. Am 26. September 2017 - also nach Ablauf ihres Aufenthaltstitels - stellte sie einen "Verlängerungsantrag". Auf Vorhalt der Behörde gab die Revisionswerberin zur verspäteten Antragstellung an, sie hätte nicht alle Dokumente (insbesondere die Inskriptionsbestätigung) gehabt und daher geglaubt, noch keinen Verlängerungsantrag stellen zu können.

2 Mit Bescheid vom 15. Jänner 2018 wies der Landeshauptmann von Wien (Behörde) den erkennbar als Erstantrag gewerteten Antrag der Revisionswerberin ab, weil weder ausreichende Unterhaltsmittel noch ein Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachgewiesen worden seien.

3 Das Verwaltungsgericht Wien hob aufgrund der Beschwerde der Revisionswerberin den oben genannten Bescheid auf und erteilte ihr einen Aufenthaltstitel "Schüler" mit zwölfmonatiger Gültigkeit. Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass gemäß § 11 Abs. 3 NAG (Art. 8 EMRK) ein Aufenthaltstitel zu erteilen sei, obwohl das Erteilungshindernis des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG vorliege. 4 Aufgrund der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision des Landeshauptmannes von Wien wurde dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Oktober 2018, Ra 2018/22/0126, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

5 Begründend verwies der Verwaltungsgerichtshof darauf, dass die vom Verwaltungsgericht durchgeführte Abwägung gemäß Art. 8 EMRK nicht mit den vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen in Einklang steht. 6 Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom 19. November 2018 wurde die Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet abgewiesen. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

7 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die Revisionswerberin den nunmehrigen Antrag auf (neuerliche) Erteilung des Aufenthaltstitels "Schüler" am 26. September 2017, also nach Ablauf des bisherigen Aufenthaltstitels mit 22. September 2017, gestellt habe und weiterhin in Österreich aufhältig gewesen sei. Zur Interessenabwägung führte das Verwaltungsgericht aus, seit dem im ersten Rechtsgang ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes seien lediglich knapp sieben Monate vergangen und es liege keine wesentliche Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes vor, sodass der Revisionswerberin aus Gründen des Art. 8 EMRK kein Aufenthaltstitel zu erteilen sei.

8 Die Revisionswerberin erhob zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 11. Juni 2019, E 4945/2018, ablehnte und die Beschwerde mit Beschluss vom 25. Juli 2019 gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

9 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 13 Die Revisionswerberin führt in der Zulässigkeitsbegründung aus, das Verwaltungsgericht habe den Antrag vom 26. September 2017 als Erstantrag behandelt, obwohl die zum Zeitpunkt der Antragstellung unvertreten gewesene Revisionswerberin ausdrücklich auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 NAG hingewiesen und somit einen zulässigen Verlängerungsantrag gestellt hätte. Mit diesem Vorbringen legt die Revisionswerberin nicht dar, inwiefern sie glaubhaft gemacht hätte, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert bzw. es ihr aus nicht von ihr zu vertretenden Gründen gemäß § 24 Abs. 2 NAG nicht möglich gewesen wäre, den Verlängerungsantrag rechtzeitig zu stellen.

14 Zum Vorbringen der Revisionswerberin, wonach ihr zur beabsichtigten Abweisung der Beschwerde wegen Überschreitung des zulässigen Aufenthaltes vom Verwaltungsgericht keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sei, ist auszuführen, dass das Verwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchführte und die Revisionswerberin selbst ausführte, nach Ablauf ihres Aufenthaltstitels "Schüler" in Österreich verblieben zu sein. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erstreckt sich das zum Überraschungsverbot in Beziehung gesetzte Parteiengehör nur auf die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes, nicht aber auf die von der Behörde (bzw. dem Verwaltungsgericht) vorzunehmende rechtliche Beurteilung (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0421, Rn. 16, mwN). Die Würdigung der von der Partei selbst stammenden Beweismittel und die darauf gestützte rechtliche Beurteilung muss dieser Person nicht vor der Erlassung des Erkenntnisses zur Kenntnis gebracht werden (vgl. VwGH 25.7.2019, Ra 2019/22/0067, Rn. 7, mwN). Darüber hinaus führt ein Verstoß gegen das Überraschungsverbot nur dann zu einer Aufhebung der beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erledigung, wenn diesem Verfahrensmangel Relevanz zukommt, was im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof darzulegen ist (vgl. VwGH 19.6.2019, Ra 2019/02/0098, Rn. 16, mwN). 15 Die Revisionswerberin bringt weiters vor, das Verwaltungsgericht habe die Beschwerde als unbegründet abgewiesen ohne den Spruch bezüglich der angewendeten Gesetzesbestimmungen zu ändern und damit den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt, obwohl es einen anderen Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 Z 5 NAG) herangezogen habe. Die Behörde habe den gegenständlichen Antrag jedoch gemäß § 63 Abs. 1 Z 1 iVm § 11 Abs. 2 Z 2 und 4 iVm Abs. 5 NAG abgewiesen. Dazu ist auszuführen, dass gemäß § 59 Abs. 1 AVG, der nach § 17 VwGVG im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten sinngemäß anzuwenden ist, die in Verhandlung stehende Angelegenheit in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführungen der angewendeten Gesetzesbestimmungen zu erledigen ist. Die "sinngemäß" verwiesenen Bestimmungen des AVG sind dabei nicht wörtlich, sondern mit der nach dem Kontext des VwGVG erforderlichen Anpassung anzuwenden (vgl. VwGH 29.5.2018, Ra 2018/03/0018 bis 0020, Rn. 30). Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Spruchs dürfen nicht überspannt werden, und es genügt, wenn sich aus der Einbeziehung der Begründung in die Auslegung des Spruchs der Inhalt der Entscheidung mit ausreichender Deutlichkeit ergibt (vgl. VwGH 21.9.2017, Ra 2016/22/0068 und 0069). Demnach führt auch dann, wenn - im Rahmen der sinngemäßen Anwendung des § 59 AVG durch das Verwaltungsgericht - die angewendeten Gesetzesbestimmungen im Spruch der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung anzugeben sind, ein Unterbleiben dieser Angaben nicht zur Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, wenn deren Begründung eindeutig erkennen lässt, auf welche Vorschriften sie sich stützt (vgl. VwGH 29.5.2018, Ra 2018/03/0018 bis 0020, Rn. 31). Selbst das Unterbleiben der Anführung von Gesetzesbestimmungen - sowohl im Spruch wie auch in der Begründung - führt nicht zur Aufhebung einer Entscheidung, wenn mit Rücksicht auf die Eindeutigkeit des Gegenstands kein Zweifel darüber bestehen kann, welche Vorschriften ihre Grundlage gebildet haben. Nicht zuletzt hängen die Anforderungen an das Maß der Bestimmtheit stets von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. VwGH 17.9.2019, Ra 2019/22/0094, Rn. 10).

16 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen, weil das Erteilungshindernis nach § 11 Abs. 1 Z 5 NAG vorliege und die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitel auch gemäß § 11 Abs. 3 NAG nicht geboten sei. Das Verwaltungsgericht hat die angewendeten Gesetzesbestimmungen nicht im Spruch angeführt. Allerdings hat es die Bestimmungen in der Begründung dargelegt und sich mit deren Voraussetzungen inhaltlich auseinandergesetzt, sodass sich mit ausreichender Deutlichkeit ergibt, welche Vorschriften die Grundlage seiner Entscheidung bilden. 17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 14. November 2019

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