European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200307.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind ukrainische Staatsangehörige und miteinander verheiratet. Sie stellten am 28. August 2015 Anträge auf internationalen Schutz und brachten zu den Fluchtgründen zuletzt vor, der Erstrevisionswerber sei aufgrund einer Auseinandersetzung mit einem Abgeordneten zum Wehrdienst in der ukrainischen Armee einberufen worden, obwohl er in der Vergangenheit als untauglich eingestuft worden sei. Da er sich der Einberufung entzogen habe, drohe ihm im Fall einer Rückkehr in die Ukraine eine Gefängnisstrafe.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diese Anträge mit Bescheiden vom 24. August 2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten als auch von subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen die Revisionswerber Rückkehrentscheidungen und stellte jeweils fest, dass ihre Abschiebung in die Ukraine zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde jeweils mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ohne Durchführung einer Verhandlung mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit geltend, das BVwG hätte nicht von der Durchführung der Verhandlung absehen dürfen, weil der Sachverhalt auf Basis der Aktenlage nicht geklärt gewesen sei. Die vom Erstrevisionswerber im Verfahren vorgelegten Urkunden hätten einer Erörterung bedurft. Es würden auch Erhebungen vor Ort fehlen. Der Erstrevisionswerber sei am 1. März 2004 grundsätzlich für untauglich befunden worden. Ausgehend von den Länderberichten, wonach eine Tauglichkeitsfeststellung bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres stattzufinden habe, "erhelle" sich dass die Einberufung ausschließlich der Umsetzung eines gesetzwidrigen Vorgehens gegen den Erstrevisionswerber gedient habe. 8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Absehen von der mündlichen Verhandlung nach dem ersten Tatbestand des § 21 Abs. 7 erster Satz BFA-VG dann gerechtfertigt, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018).
9 Den Revisionswerbern gelingt es nicht darzutun, dass das BVwG von den Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhandlungspflicht abgewichen wäre. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde vom BFA in einem umfassenden Ermittlungsverfahren unter Offenlegung seiner beweiswürdigenden Überlegungen festgestellt. Das BFA und im Anschluss daran auch das BVwG kamen im Rahmen einer nicht als unvertretbar zu erkennenden Beweiswürdigung, die sich insbesondere auf ein gegenüber der Erstbefragung gesteigertes Vorbringen, mehrfache Widersprüche und Ungenauigkeiten in den Angaben der Revisionswerber stützte und in der auch die von den Revisionswerbern vorgelegten Urkunden berücksichtigt wurden, zum Schluss, die Revisionswerber hätten eine asylrelevante Verfolgung aufgrund einer ungesetzmäßigen Einberufung des Erstrevisionswerbers wegen einer Auseinandersetzung mit einem Abgeordneten nicht glaubhaft machen können. Dabei stützten sich das BFA und das BVwG auch auf die behördlich veranlasste Übersetzung der vorgelegten "Einberufungsbefehle", wonach - entgegen dem Vorbringen des Erstrevisionswerbers - dieser nicht als untauglich, sondern als bedingt tauglich eingestuft worden sei. Ein Übersetzungsfehler wird von den Revisionswerbern nicht behauptet. Somit trifft schon die in der Revision vertretene Prämisse nicht zu, der Erstrevisionswerber sei für untauglich befunden worden. 10 Die Revisionswerber begründen den vorgebrachten Verstoß gegen die Verhandlungspflicht auch damit, dass sich das BVwG im Rahmen einer mündlichen Verhandlung ein Bild von ihrer Integration hätte machen müssen. Es ist den Revisionswerbern zwar insofern zuzustimmen, als der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, dass der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, insbesondere auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände, besondere Bedeutung zukommt. Auf Basis des § 21 Abs. 7 BFA-VG kann allerdings in eindeutigen Fällen, bei denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen positiven persönlichen Eindruck verschafft, eine beantragte mündliche Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422, mwN).
11 Das BVwG legte sowohl die von den Revisionswerbern ins Treffen geführten Deutschkenntnisse auf Niveau B2 und die ehrenamtlichen Tätigkeiten der Revisionswerber als auch die vorgebrachte Psoriasis der Zweitrevisionswerberin seinem Erkenntnis zugrunde. Sohin konnte insofern von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgegangen werden. Ebenso wenig gelingt es den Revisionswerbern darzulegen, dass das in der Beschwerde erwähnte Studium der Publizistik des Erstrevisionswerbers maßgeblich für den Entscheidungsausgang gewesen wäre.
12 Wenn die Revisionswerber schließlich Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungs- und Begründungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen führen, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 20.12.2018, Ra 2018/14/0284, mwN).
13 Diesen Anforderungen entspricht die Revision nicht. Soweit die Revisionswerber vorbringen, ergänzende Ermittlungen hätten ergeben, dass der Erstrevisionswerber im Jahr 2015 "in der Gefahr gestanden" sei, zum Wehrdienst "verbunden mit Menschenrechtsverletzungen" eingezogen zu werden, zeigen sie die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers nicht auf, weil es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Asylgewährung auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung ankommt (vgl. etwa VwGH 13.12.2016, Ro 2016/20/0005, mwN).
14 Wenn die Revision menschenrechtswidrige Haftbedingungen in der Ukraine geltend macht und eine Haftstrafe aufgrund der Entziehung vom Wehrdienst und der rechtswidrigen Ausreise der Revisionswerber ins Treffen führt, entfernt sie sich insofern vom festgestellten Sachverhalt, als demnach die revisionswerbenden Parteien legal aus der Ukraine ausgereist seien. Das greift die Revision nicht an, sodass schon deshalb keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird (vgl. VwGH 17.12.2018, Ra 2018/14/0135, mwN). Ausgehend von den anhand von aktuellen Länderberichten getroffenen Feststellungen zu den Folgen einer Wehrdienstverweigerung, wonach nur eine (geringe) Wahrscheinlichkeit einer Haftstrafe für den Erstrevisionswerber vorliege, und den Haftbedingungen in der Ukraine ist darüber hinaus nicht zu erkennen, dass dem Erstrevisionswerber bei Rücküberstellung in die Ukraine ein reales Risiko der Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte drohen würde (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2017/18/0330).
15 Soweit die Revision das Fehlen von Erhebungen und Ermittlungen vor Ort rügt, ist darauf hinzuweisen, dass eigenen hoheitlichen Ermittlungen der Asylbehörden im Herkunftsstaat grundsätzlich allgemeine Prinzipien des Völkerrechts entgegenstehen (vgl. VwGH 31.1.2019, Ra 2018/14/0220, mwN). 16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen. Wien, am 5. August 2019
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)