VwGH Ra 2018/14/0284

VwGHRa 2018/14/028420.12.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des A B C, in, vertreten durch Körber-Risak Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Canovagasse 7/1/7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. August 2018, W251 2160758-1/22E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018140284.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Somalias, stellte am 4. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er an, er sei von der Al Shabaab bzw. von der Familie seiner Frau bedroht worden.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das auf Grund einer Säumnisbeschwerde zuständig gewordene Bundesverwaltungsgericht den Antrag nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

3 Mit Beschluss vom 9. Oktober 2018, E 3298/2018-10, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof u.a. aus, dem Bundesverwaltungsgericht könne unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegengetreten werden, wenn es auf Grund der Umstände des vorliegenden Falles davon ausgehe, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art. 8 EMRK überwiege.

4 In der vorliegenden Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht habe zu Unrecht einen Eingriff in das Familienleben des Revisionswerbers durch die Rückkehrentscheidung verneint und das bestehende Familienleben bei der Interessenabwägung nicht entsprechend berücksichtigt. Der Revisionswerber stehe in engem, ständigen persönlichen Kontakt zu seiner Schwester, seinem Neffen und seiner Nichte, die österreichische Staatsbürger seien und in Österreich lebten. Auch habe das Bundesverwaltungsgericht in Zusammenhang mit den sozialen Kontakten des Revisionswerbers den für die Rückkehrentscheidung entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht ausreichend und mängelfrei festgestellt und dadurch gegen die tragenden Grundsätze der amtswegigen Wahrheitserforschung verstoßen. So hätte das Bundesverwaltungsgericht weitere Erhebungen anstellen und dabei vor allem den Neffen des Revisionswerbers befragen müssen, der allfällige Widersprüche zum maßgeblichen Sachverhalt aufklären hätte können und Auskünfte bezüglich der familiären Situation in Österreich und in Somalia hätte geben können.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Ob außerhalb des Bereiches des insbesondere zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK ein Familienleben vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte jeweils von den konkreten Umständen ab, wobei für die Prüfung einer hinreichend stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung gegebenenfalls auch die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung sind. Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. etwa VwGH 2.1.2017, Ra 2016/18/0235, mwN; zum Vorliegen eines Familienlebens iSd Art. 8 EMRK unter erwachsenen Geschwistern vgl. VwGH 8.9.2016, Ra 2015/20/0296, mwN).

9 Der Revision gelingt es mit ihrem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen, der Revisionswerber stehe in engem persönlichen Kontakt zu seiner - erwachsenen - Schwester und zu den anderen genannten Familienangehörigen, nicht darzulegen, dass das Bundesverwaltungsgericht fallbezogen von den Leitlinien dieser Rechtsprechung abgewichen wäre.

10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 5.11.2018, Ra 2018/14/0166, mwN). Die Revision zeigt nicht auf, dass die Interessenabwägung des Bundesverwaltungsgerichts in Bezug auf den Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privatleben des Revisionswerbers durch die Erlassung der Rückkehrentscheidung fallbezogen unvertretbar wäre.

11 Insoweit die Revision Ermittlungs- und Begründungsmängel in Zusammenhang mit der Rückkehrentscheidung rügt, macht sie Verfahrensmängel geltend. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0107, mwN). Eine solche Darlegung enthält die Zulassungsbegründung der Revision nicht.

12 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 20. Dezember 2018

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