Normen
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §53
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
32008L0115 Rückführungs-RL Art11
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140171.L00
Spruch:
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet. Die Drittrevisionswerberin und der Viertrevsionswerber sind deren minderjährige Kinder. 2 Sie stellten am 24. Dezember 2014 Anträge auf internationalen Schutz. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin gaben an, staatenlos zu sein. Sie stammten aus Syrien bzw. Aserbaidschan, lebten jedoch seit ihrer Kindheit in Russland. Dort hätten sie keine Personaldokumente besessen, weshalb sie ständig von der Polizei kontrolliert worden seien und Schmiergeld bezahlen hätten müssen.
3 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gab Sprach- und Herkunftsanalysen betreffend den Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin in Auftrag. Diesen zufolge liege der sprachliche Hintergrund der Revisionswerber mit hoher Wahrscheinlichkeit in Armenien. Mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit werde ein sprachlicher Hintergrund in Syrien bzw. Aserbaidschan und Russland angenommen. Nach ergänzender Einvernahme schenkte das BFA dem Vorbringen der Revisionswerber zu ihrer Herkunft keinen Glauben und ging davon aus, dass diese aus Armenien stammten.
4 Mit den Bescheiden vom 6. März 2018 wies das BFA die Anträge der Revisionswerber sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten ab. Die Behörde erteilte den Revisionswerbern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Armenien zulässig sei. Unter einem wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Hinsichtlich des Erstrevisionswerbers und der Zweitrevisionswerberin wurde ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
5 Mit den in Revision gezogenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobenen Beschwerden ohne Durchführung einer Verhandlung mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf zwei Jahre herabgesetzt wurde. Die Revision wurde jeweils gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Zur Zulässigkeit der Revisionen wird vorgebracht, das BVwG habe zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen. Der Sachverhalt sei nicht in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden. Die eingeholte Sprachanalyse sei nur bedingt geeignet, die Herkunft der Revisionswerber zu bestimmen und festzustellen, dass diese aus Armenien stammen würden und nicht in Russland gelebt hätten. Sie seien in einem Umfeld aufgewachsen, in dem "Jesidisch Kurmandschi" gesprochen werde. Bereits eine einfache Internetrecherche bestätige die "Adresse in Russland". Es würden Erhebungen vor Ort und Ermittlungen im Herkunftsstaat fehlen.
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Absehen von der mündlichen Verhandlung nach dem ersten Tatbestand des § 21 Abs. 7 erster Satz BFA-VG dann gerechtfertigt, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018).
11 Den Revisionswerbern gelingt es nicht darzutun, dass das BVwG von den Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, wann gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG von der Durchführung einer Verhandlung Abstand genommen werden darf. Das BFA hat unter Verweis auf die Ergebnisse der eingeholten Sprach- und Herkunftsanalysen, welche sich nicht allein auf die Sprache des Erst- und der Zweitrevisionswerberin beschränkten, sondern auch geographische, ökonomische, kulinarische, kulturelle und administrative Aspekte der behaupteten Herkunft (aufgewachsen in Syrien bzw. Aserbaidschan und als Kinder jeweils nach Russland gezogen und bis zur Flucht dort wohnhaft) sowie das Bildungsniveau miteinbezogen, den Angaben zur behaupteten Herkunft die Glaubwürdigkeit versagt und eine Herkunft aus Armenien festgestellt. Die Revisionswerber haben diese vom BFA unter Verweis auf die Ergebnisse und Ausführungen der eingeholten Sprachanalysen getroffenen Feststellungen nicht substantiiert bestritten, sondern ihr Vorbringen im Wesentlichen darauf beschränkt, dass sie in einer Region in Russland aufgewachsen seien, wo "Jesidisch Kurmandschi" gesprochen werde. 12 Soweit die Revision das Fehlen von Erhebungen und Ermittlungen geltend macht, ist darauf nicht näher einzugehen, weil schon die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers nicht aufgezeigt wird.
13 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit weiters geltend, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin liege, zu klären, ob das Einreiseverbot, wie vom BFA und dem BVwG angenommen, unmittelbar auf die Rückführungsrichtlinie gestützt werden könne. Die Rückführungsrichtlinie sei durch das FPG umgesetzt worden. Eine unmittelbare Anwendung komme hier nicht in Betracht.
Dem ist zu entgegnen, dass das Bundesverwaltungsgericht lediglich ausgeführt hat, die vom BFA im Bescheid geäußerte Ansicht stehe nicht im Widerspruch zur Rückführungsrichtlinie. Ob deren Art. 11 dazu verpflichte, ein Einreiseverbot zu erlassen, könne fallbezogen aber dahingestellt bleiben (sh. S. 78 der Ausfertigung der angefochtenen Erkenntnisse). Somit trifft schon die in den Revisionen vertretene Prämisse, in den gegenständlichen Fällen sei zur Begründung des Einreiseverbotes Art. 11 der Rückführungsrichtlinie unmittelbar angewendet worden, nicht zu. Aus der Begründung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
ergibt sich zudem, aus welchen Gründen das Bundesverwaltungsgericht davon ausgegangen ist, es sei gemäß § 53 FPG die Erlassung eines Einreiseverbotes zulässig. Diesen Erwägungen wird von den Revisionswerbern nichts Stichhaltiges entgegengesetzt.
14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und auch für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots (vgl. VwGH 27.8.2018, Ra 2018/18/0351, mwN). Eine solche Mangelhaftigkeit der vom BVwG vorgenommenen Interessenabwägung vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 7. Mai 2019
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