VwGH Ra 2018/18/0351

VwGHRa 2018/18/035127.8.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des A H in Wien, vertreten durch Mag. Stefan Errath, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Untere Viaduktgasse 6/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Mai 2018, Zl. W247 2192882-1/5E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
MRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180351.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte am 29. September 2004 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Diesen Antrag wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 15. Jänner 2010 im Beschwerdeverfahren ab und wies den Revisionswerber in die Russische Föderation aus.

2 Am 19. März 2010 stellte der sich zu diesem Zeitpunkt in Schubhaft befindliche Revisionswerber einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26. April 2010 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde, wobei das Bundesasylamt zugleich die Ausweisung des Revisionswerbers in die Russische Föderation aussprach.

3 Während er sich in Strafhaft befand, stellte der Revisionswerber am 11. Dezember 2013 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend gab er zusammengefasst an, dass ihm in der Russischen Föderation eine Verfolgung durch den tschetschenischen Geheimdienst drohe.

4 Mit Bescheid vom 19. März 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag gemäß § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) und § 8 AsylG 2005 ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass eine Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 52 Abs. 9 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.), erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) ab (Spruchpunkt VI.), sprach aus, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VII.) sowie dass der Revisionswerber sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 23. November 2017 gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 verloren habe (Spruchpunkt VIII.), und erließ gegen den Revisionswerber gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 und 6 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IX.).

5 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), soweit sie sich gegen die Spruchpunkte I. bis VIII. des angefochtenen Bescheides richtete, mit Erkenntnis vom 24. Mai 2018 als unbegründet ab. Darüber hinaus gab es der Beschwerde betreffend Spruchpunkt IX. des angefochtenen Bescheides insofern statt, als die Dauer des verhängten Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 auf zehn Jahre herabgesetzt werde. Zudem wies das BVwG den mit der Beschwerde verbundenen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als unzulässig zurück. Die Revision erklärte es im Spruch des Erkenntnisses zunächst für zulässig, berichtigte dieses Versehen jedoch mit Beschluss vom 7. Juni 2018 dahingehend, dass die Revision für nicht zulässig erklärt wurde.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der im Wesentlichen vorgebracht wird, das BVwG habe entgegen den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Leitlinien, wonach der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen insbesondere auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände besondere Bedeutung zukomme, von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen. Zudem sei das BVwG insofern von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, als es keine ausreichenden Feststellungen zu dem den strafgerichtlichen Verurteilungen zugrunde liegenden Verhalten getroffen habe.

7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Revision - auch wenn formal das gesamte Erkenntnis des BVwG angefochten wird - ausschließlich gegen die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot wendet.

12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und auch für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots (vgl. VwGH 29.5.2018, Ra 2018/20/0259, mwN).

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat seine Rechtsprechung zu jenen Fällen, denen ein mehr als zehnjähriger (nicht auf einer genehmigten Niederlassung gegründeter) Aufenthalt zugrunde lag, im Erkenntnis vom 17. Oktober 2016, Ro 2016/22/0005, zusammengefasst. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz und Abs. 9 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

14 Das BVwG berücksichtigte im Rahmen der durchgeführten Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK und der erstellten Gefährdungsprognose den seit dem Jahr 2004 bestehenden Aufenthalt des Revisionswerbers. Dieser Umstand sei jedoch dadurch relativiert, dass sich der Aufenthalt lediglich auf die Stellung mehrerer, letztlich unbegründeter Anträge auf internationalen Schutz gegründet habe. Zudem sei der Revisionswerber mehrfach strafgerichtlich verurteilt worden. Hierbei sei insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der Revisionswerber mehrmals während offener Probezeiten neuerlich straffällig geworden sei und er zu zunehmend höheren - zuletzt auch unbedingten - Freiheitsstrafen verurteilt worden sei. Unter diesen Umständen komme den bestehenden Sprachkenntnissen, der ehrenamtlichen Tätigkeit in einem Kampfsportverein und der vorgelegten Einstellungszusage kein maßgebliches Gewicht zu. Darüber hinaus setzte sich das BVwG auch ausführlich mit dem bestehenden Familienleben des Revisionswerbers zu seiner in Österreich subsidiär schutzberechtigten Ehefrau und ihrem gemeinsamen Sohn auseinander. Das Familienleben sei aber dadurch gemindert, dass es zu einem Zeitpunkt entstanden sei, als gegen den Revisionswerber bereits eine rechtskräftige Ausweisung bestanden habe und zwei seiner Anträge bereits negativ erledigt worden seien. Zudem habe er aufgrund seiner zu verbüßenden Strafhaft einen Großteil der Ehezeit nicht im gemeinsamen Haushalt verbringen können und habe seinen Sohn erst Ende März 2018 persönlich kennenlernen können. Es könne daher nicht von einem tief verwurzelten Vater-Kind-Verhältnis ausgegangen werden, sodass auch das Kindeswohl einer Rückkehrentscheidung nicht entgegenstehe. Vor dem Hintergrund der oben angeführten Rechtsprechung ist nicht zu erkennen, dass die vom BVwG durchgeführte Interessenabwägung - der in der Revision auch nicht substantiiert entgegengetreten wird - unvertretbar erfolgt wäre (vgl. auch VwGH 22.3.2017, Ra 2017/19/0028; 23.2.2017; Ra 2016/21/0340; 3.9.2015, Ra 2015/21/0121; 22.1.2013, 2011/18/0036).

15 Soweit vor diesem Hintergrund pauschal vorgebracht wird, das BVwG hätte verhandeln müssen, um sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber zu verschaffen, wird nicht aufgezeigt, weshalb fallbezogen die Voraussetzungen für die Abstandnahme von der Verhandlung nicht gegeben gewesen wären (vgl. VwGH 29.5.2018, Ra 2018/20/0256-0257; 26.4.2018, Ra 2018/21/0052).

16 Schließlich wird auch mit dem Vorbringen, es würden konkrete Feststellungen zu dem den strafrechtlichen Verurteilungen zugrunde liegenden Verhalten fehlen, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt. Das BVwG beschränkte sich nicht auf die Angabe der Verurteilungen, sondern setzte sich in seinen rechtlichen Erwägungen mit dem sich daraus ableitbaren Persönlichkeitsbild des Revisionswerbers auseinander. Demgegenüber unterlässt es die Revision aufzuzeigen, welche Feststellungen vom BVwG zu treffen gewesen wären, welche die Delinquenz des Revisionswerbers in einem milderen Licht erscheinen lassen würden (vgl. etwa VwGH 1.3.2018, Ra 2018/19/0014; 14.11.2017, Ra 2017/21/0187; 3.9.2015, Ra 2015/21/0121).

17 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war somit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 27. August 2018

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