VwGH Ra 2019/11/0079

VwGHRa 2019/11/007919.12.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofräte Dr. Grünstäudl und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des K F in W, vertreten durch Dr. Gottfried Kassin, Rechtsanwalt in 9300 St. Veit/Glan, Schillerplatz 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts

Kärnten vom 15. März 2019, Zl. KLVwG-2824/19/2018, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Anordnung einer Nachschulung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt-Land), den Beschluss gefasst:

Normen

VwGVG 2014 §6

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019110079.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit (Vorstellungs)Bescheid vom 19. März 2018 entzog die belangte Behörde dem Revisionswerber die Lenkberechtigung für die Klassen AM und B für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab der vorläufigen Führerscheinabnahme am 4. November 2017. Unter einem wurde als begleitende Maßnahme eine Nachschulung angeordnet. Einer allfälligen Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. 2 Mit hg. Erkenntnis vom 14. November 2018, Ra 2018/11/0187, wurde das diesen Bescheid bestätigende Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 19. Juli 2018 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil es auf einem nicht vollständig festgestellten Sachverhalt beruhte und dem Verwaltungsgericht Begründungsmängel unterlaufen waren, bei deren Unterbleiben nicht ausgeschlossen war, dass sich die Annahme eines Geschwindigkeitsexzesses, der im Zusammenwirken mit weiteren Umständen das Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 7 Abs. 3 Z 3 FSG begründet hätte, als unzutreffend erwiesen hätte.

3 Im fortgesetzten Verfahren vor dem Verwaltungsgericht erstattete ein KFZ-technischer Sachverständiger ein Gutachten zur Frage, ob die Angaben der als Zeugen einvernommenen Polizeibeamten technisch nachvollziehbar seien.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten die Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung (neuerlich) als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zusammengefasst die Feststellungen zu Grunde, der Revisionswerber habe auf der R. Straße das Dienstfahrzeug der Polizeibeamten auf Höhe des StrKm 2,0 mit merklich überhöhter Geschwindigkeit von ca. 70 km/h überholt. Bei StrKm 2,4 hätten die Polizeibeamten auf einen annähernd gleichbleibenden Abstand von ca. 50 m auf das Fahrzeug des Revisionswerbers aufgeschlossen. Bei StrKm 2,6 hätten die Polizeibeamten von dem (nicht geeichten) Tachometer des Dienstfahrzeuges eine Geschwindigkeit von 140 km/h (bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h), bei StrKm 3,6 eine Geschwindigkeit von 165 km/h (bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h) abgelesen. Bei StrKm 3,6 habe der Revisionswerber bei einem Überholvorgang eine Sperrlinie und eine Sperrfläche überfahren. Im Verlauf der Nachfahrstrecke würden mehrere untergeordnete Straßen in die R. Straße einmünden. Nach erfolgter Anhaltung des Fahrzeugs des Revisionswerbers sei bei einer Kontrolle festgestellt worden, dass die gesetzliche Mindestprofiltiefe der Vorderreifen nicht mehr vorhanden gewesen sei und dass die originalen Fahrwerksfedern durch Sportfedern ausgetauscht worden seien (Tieferlegung), wofür keine behördliche Genehmigung vorgewiesen worden sei.

6 Diese Feststellungen stützte das Verwaltungsgericht beweiswürdigend insbesondere auf das Gutachten des KFZ-technischen Sachverständigen und die von ihm als schlüssig und nachvollziehbar qualifizierten Ausführungen der Polizeibeamten.

7 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe über eine Strecke von ca. einem Kilometer die jeweils erlaubte Höchstgeschwindigkeit in einem gravierenden Ausmaß (um 80 km/h im Ortsgebiet und um 90 km/h bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h) überschritten. Er habe sich nicht alleine auf der Straße befunden, es sei bereits dunkel gewesen, auf der Strecke der Geschwindigkeitsübertretungen würden mehrere nachgeordnete Straßen einmünden und die Vorderreifen des vom Revisionswerber gelenkten Fahrzeuges hätten nicht die erforderliche Profiltiefe aufgewiesen. Die unter diesen Begleitumständen begangenen Geschwindigkeitsübertretungen seien geeignet gewesen, besonders gefährliche Verhältnisse iSd § 7 Abs. 3 Z 3 FSG herbeizuführen.

8 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gem��ß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 11 2.2.1. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, das Verwaltungsgericht habe trotz gegenteiliger Ausführungen im Gutachten des KFZ-technischen Sachverständigen seinen Feststellungen lediglich die Aussagen der Polizeibeamten zu Grunde gelegt bzw. seien die vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen im Hinblick auf dieses Gutachten nicht nachvollziehbar.

12 Das Verwaltungsgericht hat seine Feststellungen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf Grundlage einer ausführlichen Beweiswürdigung getroffen, in deren Rahmen es die Zeugenaussagen der Polizeibeamten, des Revisionswerbers und seiner Beifahrerin sowie das KFZ-technische Gutachten berücksichtigt hat. Vor diesem Hintergrund zeigt die Revision eine die Rechtssicherheit beeinträchtigende, in unvertretbarer Weise vorgenommene Beweiswürdigung und damit eine über den Einzelfall hinausreichende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (vgl. etwa VwGH 11.6.2018, Ra 2018/11/0103, mwN) nicht auf. 13 2.2.2. Die Revision begründet ihre Zulässigkeit auch damit, das Verwaltungsgericht habe über den (im ersten Rechtsgang) in der mündlichen Verhandlung vom 13. Juni 2018 gestellten Antrag auf Ablehnung des erkennenden Richters wegen Befangenheit nicht entschieden. Die dem angefochtenen Erkenntnis zu Grunde liegende Beweiswürdigung würde die im ersten Rechtsgang behauptete Voreingenommenheit bestätigen. Die Nichtprotokollierung einer von Zeugen getätigten wesentlichen Aussage und die Protokollierung des Gegenteils nach wiederholten suggestiven Nachfragen rechtfertige die Befürchtung der Befangenheit.

14 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes begründet der Einwand der Befangenheit der entscheidenden Richter nur dann die Zulässigkeit der Revision, wenn vor dem Hintergrund des konkret vorgelegenen Sachverhaltes die Teilnahme eines oder mehrerer Mitglieder des Verwaltungsgerichtes an der Verhandlung und Entscheidung tragende Rechtsgrundsätze des Verfahrensrechtes verletzt hätte bzw. in unvertretbarer Weise erfolgt wäre (vgl. VwGH 27.6.2017, Ra 2016/12/0001, mwN).

15 Der Vorwurf von Verfahrensfehlern bildet - ohne Hinzutreten weiterer begründeter Umstände - keinen Anlass, die Befangenheit des Richters anzunehmen (vgl. VwGH 15.11.2017, Ra 2016/08/0184). Davon ausgehend lässt sich fallbezogen aus der behaupteten unrichtigen Protokollierung von Zeugenaussagen - die sich im Übrigen nur auf die mündliche Verhandlung im ersten Rechtsgang bezieht und in der Revision auch nicht konkret dargestellt wird - eine Voreingenommenheit des Richters nicht ableiten. Der Revisionswerber bringt auch nicht vor, dass ihm die Möglichkeit genommen worden wäre, gegen die Niederschrift iSd § 14 Abs. 3 AVG Einwendungen wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit zu erheben (vgl. zu einem ähnlichen Fall VwGH 11.4.2018, Ra 2017/08/0122).

16 2.2.3. Schließlich bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht das Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 7 Abs. 3 Z 3 FSG angenommen. Sie zeigt jedoch nicht auf, dass das Verwaltungsgericht - auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts - von der Auslegung dieser Bestimmung im hg. Erkenntnis vom 14. November 2018, Ra 2018/11/0187, abgewichen wäre.

17 Wenn die Revision in diesem Zusammenhang vorbringt, durch Vornahme eines (beantragten) Ortsaugenscheins hätte festgestellt werden können, dass im Bereich der Geschwindigkeitsübertretungen lediglich eine und nicht mehrere Straßen in die R. Straße einmünden würden, führt dies schon deshalb nicht zur Zulässigkeit der Revision, weil der Revisionswerber in seiner Beschwerde einen Ortsaugenschein nur in Zusammenhang mit den Angaben der Polizeibeamten über den Hergang des Geschehens bei der Nachfahrt durch das Polizeifahrzeug beantragt hat. Die Anzahl der in die R. Straße einmündenden Straßen war hingegen nicht Thema dieses Beweisantrages. Die Revision legt nicht dar, warum das Verwaltungsgericht, das sich für seine diesbezügliche Beurteilung auf einen KAGIS-Ausdruck gestützt hat, - ohne entsprechenden formellen Beweisantrag unter Bekanntgabe des Beweisthemas - fallbezogen von der Erforderlichkeit dieser Beweisaufnahme ausgehen hätte sollen (vgl. etwa VwGH 25.9.2019, Ra 2019/19/0408, mwN).

18 2.3. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 19. Dezember 2019

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