VwGH Ra 2019/19/0408

VwGHRa 2019/19/040825.9.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des A E, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2018, W245 2183378- 1/12E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019190408.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 10. Dezember 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er habe Angst vor den Taliban bzw. Streitigkeiten mit Nachbarn und einem Mullah gehabt. Im Laufe des Verfahrens brachte er zusätzlich vor, er sei vom Islam abgefallen.

2 Mit Bescheid vom 18. Dezember 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Der Revisionswerber habe eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen nicht glaubhaft machen können. Er könne zwar nicht in seine Heimatregion rückgeführt werden. Ihm stehe aber eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Herat und Mazar-e Sharif offen.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Die Revision bringt hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG sei von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Beurteilung eines behaupteten Glaubenswechsels abgewichen. Das BVwG hätte dazu einen Freund des Revisionswerbers einvernehmen müssen, dem dieser von seinem Abfall vom Islam erzählt habe.

8 Insoweit sich die Revision damit gegen die Beweiswürdigung in Zusammenhang mit dem - erstmals in der mündlichen Beschwerdeverhandlung behaupteten - Abfall des Revisionswerbers vom muslimischen Glauben wendet, zeigt sie mit ihrem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen nicht auf, dass diese in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre (vgl. zur bloß eingeschränkten Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Zusammenhang mit der Beweiswürdigung etwa VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0712 bis 0715, mwN). 9 Insoweit die Revision in diesem Zusammenhang rügt, dass die Einvernahme von Zeugen und im Besonderen eines Freundes des Revisionswerbers, dem dieser von seinem Glaubensabfall berichtet habe, unterlassen worden sei, ist ihr zu entgegnen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frage, ob amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darstellt, weil es sich dabei um eine einzelfallbezogene Beurteilung handelt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. in diesem Sinn VwGH 26.3.2019, Ra 2018/19/0557, mwN).

10 Derartiges legt die Revision nicht dar. Sie vermag nicht aufzuzeigen, weshalb das BVwG - ohne entsprechenden Beweisantrag unter Bekanntgabe des Beweisthemas - fallbezogen von der Erforderlichkeit der Einvernahme des besagten Freundes des Revisionswerbers ausgehen hätte sollen (vgl. VwGH 28.6.2018, Ra 2018/18/0358).

11 Hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es seinen Länderfeststellungen die UNHCR-Richtlinien aus dem Jahr 2016 und nicht die aktuellen UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 zu Grunde gelegt habe. Aus diesen ergebe sich, dass der Revisionswerber im Fall der Rückkehr wegen der Sicherheitslage, dem fehlenden sozialen Netzwerk, den überlasteten Städten und der Dürre in eine ausweglose Situation iSd Art. 3 EMRK geraten würde. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum das BVwG im Hinblick auf die Sicherheitslage zwar eine Rückkehr des Revisionswerbers in seine Heimatregion Ghazni, nicht aber eine Rückkehr nach Herat oder Mazar-e Sharif ausschließe. Der Revisionswerber habe das Gutachten der F S zur Sicherheitslage in Afghanistan in das Verfahren eingeführt. Auch fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob einem Privatgutachten, das widersprechende Beweisergebnisse enthalte, von Amts wegen auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten werden müsse.

12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Asylbehörden bei den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen. Das gilt ebenso für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Es reicht aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 15.11.2018, Ra 2018/19/0359, mwN).

13 Dies gelingt der Revision nicht. Das BVwG legte seiner Beurteilung zu Grunde, dass es sich beim Revisionswerber um einen jungen, gesunden Mann im erwerbsfähigen Alter handle, der über Schulbildung und Berufserfahrung verfüge, mit den kulturellen Gepflogenheiten und der Sprache seines Herkunftsstaates vertraut sei und Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen könne. Die Revision zeigt nicht auf, dass die Beurteilung des BVwG, dem Revisionswerber stehe vor diesem Hintergrund auch ohne soziale und familiäre Anknüpfungspunkte jedenfalls in der Stadt Mazar-e Sharif eine innerstaatliche Fluchtalternative offen, fallbezogen mit einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Rechtswidrigkeit belastet wäre (vgl. VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, Rn 140; 25.6.2019, Ra 2018/19/0644; 25.6.2019, Ra 2019/19/0121; 25.6.2019, Ra 2019/19/0144; jeweils mwN).

14 Vor diesem Hintergrund hängt die Entscheidung über die Revision von der in Bezug auf das vorgelegte Privatgutachten geltend gemachten Rechtsfrage nicht mehr ab.

15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 25. September 2019

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