VwGH Ra 2019/01/0258

VwGHRa 2019/01/025822.7.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schweinzer, über die Revision des T T in W, vertreten durch Dr. Christoph Gratl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Plankengasse 7/2/27, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 29. April 2019, Zl. VGW-152/071/15770/2018-18, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

FSG 1997 §1 Abs3
StbG 1985 §10
StbG 1985 §10 Abs1 Z6

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019010258.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde in der Sache der Antrag des minderjährigen (durch seine Mutter vertretenen) Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen der Russischen Föderation, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen (I.) und eine ordentliche Revision für unzulässig erklärt (II.).

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe am 16. Juni 2017, zu einem Zeitpunkt, in dem er 14 Jahre und neun Monate alt gewesen sei, ein Fahrzeug ohne einen Führerschein gelenkt und während dieser Fahrt zweimal den Fahrstreifen gewechselt, ohne dabei den Blinker zu benützen (Bestrafung wegen Übertretung des § 37 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 3 Führerscheingesetz (FSG) und § 11 Abs. 2 Straßenverkehrsordn ung (StVO)). Beim Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung handle es sich um eine der schwerstwiegenden Übertretungen des Führerscheingesetzes. Auch der nicht angekündigte Fahrspurwechsel könne keinesfalls als "Bagatelldelikt" klassifiziert werden. Damit habe der Revisionswerber in grober Weise gegen maßgebliche, der allgemeinen Verkehrssicherheit dienende Vorschriften verstoßen. Erschwerend komme die Tatsache hinzu, dass der Revisionswerber, wenn auch unter Einfluss eines Freundes, ein fremdes Fahrzeug ohne Erlaubnis benützt habe. Daher erscheine eine Wohlverhaltensphase von einem Jahr und zehn Monaten als noch keine ausreichende Gewähr, der Revisionswerber werde auch in der Zukunft - vor allem im Hinblick auf sein jugendliches Alter - keine solchen schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen begehen.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit aus, einerseits liege "keine, den vorliegenden Sachverhalt deckende, Rechtsprechung" des Verwaltungsgerichtshofes vor und andererseits weiche das Verwaltungsgericht von (näher bezeichneten) Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes, "denen teilweise ähnliche Sachverhalte zugrunde" gelegen seien, ab.

8 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt:

9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gehört das Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Berechtigung (§ 1 Abs. 3 FSG) zu den gröbsten Verstößen gegen das Kraftfahrrecht (vgl. VwGH 27.2.2004, 2004/02/0025-0027, vgl. auch VwGH 16.11.2007, 2007/02/0234, und 24.9.1999, 97/19/1018). 10 Für die Verneinung des Verleihungshindernisses nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein längeres Wohlverhalten des Fremden seit einem nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG relevanten Fehlverhalten zu verlangen (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2019/01/0059, mwN; vgl. zur Bedeutung des längeren Wohlverhaltens seit einem nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG relevanten Fehlverhalten auch VwGH 28.1.2019, Ro 2018/01/0018, mwN).

11 Dabei ist zu beachten, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft den Abschluss einer (erfolgreichen) Integration des Fremden in Österreich darstellen soll (vgl. VwGH 28.1.2019, Ro 2018/01/0018, mwN).

12 Dem Verwaltungsgerichtshof kommt im Revisionsmodell eine Leitfunktion zu. Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes ist es, im Rahmen der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (erstmals) die Grundsätze bzw. Leitlinien für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts festzulegen, welche von diesem zu beachten sind. Die Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall kommt hingegen grundsätzlich dem Verwaltungsgericht zu, dem dabei in der Regel ein gewisser Anwendungsspielraum überlassen ist. Ein Aufgreifen des vom Verwaltungsgericht entschiedenen Einzelfalls durch den Verwaltungsgerichtshof ist nur dann unausweichlich, wenn das Verwaltungsgericht die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien bzw. Grundsätze nicht beachtet hat und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher nach dem Revisionsmodell nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern - diese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten (vgl. VwGH 14.12.2018, Ro 2018/01/0017, mwN).

13 Ausgehend von dieser Rechtsprechung kann in der vorliegenden Rechtssache keine krasse bzw. unvertretbare Beurteilung des Einzelfalles durch das Verwaltungsgericht im Rahmen der oben dargestellten Grundsätze bzw. Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes erkannt werden.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

15 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 22. Juli 2019

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