European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019010083.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
Angefochtenes Erkenntnis
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (Verwaltungsgericht) wurde der Sache nach - soweit in der vorliegenden Revisionssache relevant - der Antrag des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen Afghanistans, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 2 Z 7 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen.
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber bekleide im Verein "Afghanischer Jugend Verein" seit 2009 die Funktion des Schriftführers.
3 Zumindest in diesem Zeitraum habe es der Revisionswerber als Vorstandsmitglied mitzuverantworten, dass die Räumlichkeiten des Vereins verschiedenen Personen zur Verfügung gestellt worden seien und diese dort Vorträge abhalten konnten. Zumindest drei junge Personen, welche bei den Vorträgen im Verein dabei gewesen seien, hätten sich in weiterer Folge dem "Islamischen Staat" (IS) in Syrien angeschlossen.
4 Nach der Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz handle es sich bei dem Verein um einen muslimischen Glaubensverein salafistischer Prägung.
5 Nach den Ausführungen des Landesamtes für Verfassungsschutz habe eine näher bezeichnete Person, welche als Hauptideologe einer radikal-islamistischen Gruppe von türkischsprachigen Muslimen in Österreich anzusehen sei, im Verein jeden zweiten Freitag Vorträge gehalten. Ein Großteil der bei den Vorträgen anwesenden jugendlichen Personen sei schließlich in die salafistische Szene gelangt. Ein Teil dieser Personen sei derart indoktriniert worden, dass sie sich in der Folge radikal-islamischen Terrorgruppen im syrischen Bürgerkrieg angeschlossen hätten bzw. die Absicht verfolgten, sich anzuschließen. Diese näher bezeichnete Person sei Beschuldigter gemäß § 278b StGB ("Terroristische Vereinigung") und warte "auf seine Verhandlung".
6 Nach den Ausführungen des Landesamtes für Verfassungsschutz habe zudem der bis dato aktive Obmann und Iman des Vereins Arabisch-Unterricht für junge radikal-islamistische Männer aus einer näher bezeichneten Moschee gegeben, welche zum Teil ebenfalls Beschuldigte gemäß § 278b StGB gewesen seien, weil sie sich der Terrororganisation "Islamischer Staat" in Syrien anschließen wollten. Laut Angaben eines Beschuldigten in diesem Strafverfahren hätten diese Arabisch gelernt, da neben der körperlichen Ausbildung auch das Erlernen der arabischen Sprache für den Dschihad in den arabischsprachigen Ländern wie Syrien und Irak wichtig sei.
7 Wenn sich der Revisionswerber schon nicht aktiv mit derartigen radikalen Strömungen identifiziere, habe er es dennoch zugelassen, dass solche Kontakte stattfänden, zähle doch (unter anderem) der bis dato aktive Obmann und Iman des Vereins zu seinem engsten Freundeskreis. Auch die Bagatellisierung der Scharia als Verhaltensregelung in der öffentlich-mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht durch den genannten Obmann des Vereins "passen dementsprechend in das Bild".
8 Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht unter anderem aus, die nicht wissend dargestellte Verantwortung des Revisionswerbers erscheine dem Verwaltungsgericht als völlig unglaubwürdig, ebenso wie die Angaben, er habe keine Ahnung, wer im Verein "kommen und gehen" würde. Gerade von Vorstandsmitgliedern eines Vereines sei zu erwarten, dass diesbezüglich nähere Informationen eingeholt würden. Die Verantwortung, "zu beschäftigt gewesen zu sein", obwohl einige der Personen arbeitslos gewesen seien bzw. seien, ziehe sich im Übrigen durch sämtliche Einvernahmen (des Revisionswerbers und der einvernommenen Zeugen). Die verharmlosende, zum Teil ausweichend bzw. unwissend dargestellte Haltung des Revisionswerbers sei daher nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes schlicht unglaubwürdig. Somit erwiesen sich die Berichte des Landesamtes für Verfassungsschutz in Verbindung mit dem Eindruck in der öffentlichen mündlichen Verhandlung für das erkennende Gericht nicht nur aufschlussreich, sondern auch nachvollziehbar.
9 Die Schlussfolgerungen des Landesamtes für Verfassungsschutz könnten damit nicht als unschlüssig angesehen werden. Wenngleich nicht unbedingt davon auszugehen sei, dass der Revisionswerber selbst einer salafistischen Strömung angehöre, sei ein Naheverhältnis dazu schon ausreichend und könne die Schlussfolgerung der Staatsbürgerschaftsbehörde nachvollzogen werden, die sich wiederum auf den nachvollziehbaren Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung beziehe.
10 Demzufolge könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Revisionswerber auf Grund der vorliegenden Umstände die Interessen der Republik Österreich schädigen werde bzw. in einem Naheverhältnis zu extremistischen/terroristischen Gruppierungen stehe, in deren Umfeld derartige Aktivitäten nicht ausgeschlossen werden könnten.
11 Somit sei das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 2 Z 7 StbG als erfüllt anzusehen.
12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende
außerordentliche Revision.
Zulässigkeit
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 Die außerordentliche Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht habe einen krassen Fehler bei der Beweiswürdigung zu verantworten.
17 So werde in den der Beweiswürdigung zugrunde gelegten Stellungnahmen des Landesamts für Verfassungsschutz lediglich "offenkundig standardisierte Generalverdächtigungen" wiedergegeben.
18 Auch gehe das Verwaltungsgericht von unrichtigen Tatsachen aus, wenn es den Revisionswerber als Vorstand des Vereines bezeichne. "Wie auch juristischen Laien durchaus bekannt", fänden sich Vorstandsvorsitzende und dergleichen in einer Vereinsstruktur nicht. Tatsächlich habe der Revisionswerber im Verein ausschließlich die Tätigkeit des Schriftführers ausgeübt.
19 Inwieweit der Revisionswerber unter Ausübung der Tätigkeit als Schriftführer es zumindest geduldet, wenn nicht sogar gefördert habe, dass Gedankengut verbreitet werde, das Nährboden für jugendliche Dschihadisten darstelle, lasse sich weder aus den Berichten des Landesamtes für Verfassungsschutz noch aus den Beweisergebnissen im Zuge der stattgefundenen Verhandlung entnehmen. Vielmehr lasse die gesamte Beweiswürdigung jegliches notwendiges Ermittlungsverfahren vermissen und sei der notwendige Sachverhalt nicht genügend erhoben worden.
20 Nach seiner Begründung gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass die zielgerichteten und adäquaten Antworten des Revisionswerbers auf konkrete Fragen einen Verdacht darstellten, von tatsächlichen Gegebenheiten abzulenken. Eine solche Beweiswürdigung sei nicht geeignet, einer Kontrolle standzuhalten.
21 Das Verwaltungsgericht habe es insbesondere verabsäumt darzulegen, worin "ein weiteres Naheverhältnis" des Revisionswerbers zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung bestünde. Weder habe sich der Revisionswerber im Verfahren als bekennender Sympathisant, Geldgeber noch "anders wie" als Unterstützer deklariert.
22 Mit diesem Vorbringen wird eine Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
23 § 10 Abs. 2 Z 7 StbG enthält (neben § 10 Abs. 1 Z 6 StbG) ein spezielles Verleihungshindernis, das dann gegeben ist, wenn der Verleihungswerber ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können (vgl. VwGH 25.9.2018, Ra 2018/01/0325, mwN).
24 Daher kommt es nicht darauf an, ob ein Naheverhältnis ausgeschlossen werden kann, sondern alleine darauf, ob der Verleihungswerber ein Naheverhältnis hat.
25 Ein derartiges Naheverhältnis hat das Verwaltungsgericht - auch wenn es im angefochtenen Erkenntnis an einer Stelle missverständlich ausspricht, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Revisionswerber in einem Naheverhältnis zu extremistischen/terroristischen Gruppierungen stehe - der sonstigen Begründung des angefochtenen Erkenntnisses zufolge angenommen.
26 Ein derartiges Naheverhältnis liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Personen vor, die - neben der aktiven Mitgliedschaft bei solchen Gruppen - (wenn auch nicht öffentlich) bekennende Sympathisanten, Geldgeber oder andere Unterstützer, wie Verteiler von Propagandamaterial, sind (vgl. VwGH 25.9.2018, Ra 2018/01/0325, mwN).
27 Die Revision behauptet in ihrer Zulässigkeitsbegründung, das Verwaltungsgericht habe ein derartiges Naheverhältnis nicht festgestellt.
28 Das Verwaltungsgericht hat jedoch festgestellt, der Revisionswerber habe es zugelassen, dass (unter anderem) die Räumlichkeiten des Vereins für Vorträge zur Verfügung gestellt worden seien, durch welche ein Teil der anwesenden Personen derart indoktriniert worden sei, dass sie sich in der Folge radikalislamischen Terrorgruppen im syrischen Bürgerkrieg angeschlossen hätten bzw. die Absicht verfolgt hätten, sich diesen anzuschließen.
29 Aus welchem Grund eine derartige Feststellung die oben angeführten Kriterien eines Naheverhältnisses im Sinne des § 10 Abs. 2 Z 7 StbG nicht erfüllen sollte, legt die Revision nicht dar und ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht ersichtlich. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es für ein Naheverhältnis iSd § 10 Abs. 2 Z 7 StbG bereits ausreicht, Unterstützer einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung zu sein.
30 Die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes zur Mitverantwortung des Revisionswerbers bzw. zur Unglaubwürdigkeit seiner Verantwortung ist nicht als unvertretbar anzusehen, zumal sich das Verwaltungsgericht auch einen persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung verschafft hat. Sie ist daher vom Verwaltungsgerichtshof nicht aufzugreifen (vgl. zur Überprüfung der Beweiswürdigung durch den Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz etwa VwGH 1.2.2019, Ra 2019/01/0027, Rn. 6, mwN; vgl. zur Bedeutung des persönlichen Eindrucks in einer mündlichen Verhandlung für eine eigene Beweiswürdigung etwa VwGH 30.4.2018, Ra 2017/01/0227, mwN).
31 Zum Vorbringen, der Revisionswerber sei nicht Vorstandsmitglied, sondern nur Schriftführer des Vereins gewesen, ist Folgendes festzuhalten:
32 Jeder Verein, der unter Beachtung der Ordnungsvorschriften des Vereinsgesetzes (Vereinsgesetz 2002) gegründet wurde, ist juristische Person und besitzt Rechtspersönlichkeit; bei Vereinen bestimmen deren Statuten den Vertreter; maßgebend sind jene Personen, die nach den Statuten zur Vertretung des Vereines nach außen berufen sind (vgl. VwGH 28.11.2013, 2012/03/0150, mwN).
33 Gemäß § 5 Abs. 1 des Vereinsgesetzes 2002 haben die Statuten jedenfalls Organe zur Führung der Vereinsgeschäfte und zur Vertretung des Vereins nach außen (Leitungsorgan) vorzusehen.
34 Die Revision legt nun nicht dar, inwieweit auf Grund der Statuten des vorliegenden Vereines die Tätigkeit des Revisionswerbers als Schriftführer nicht die eines Mitgliedes des Leitungsorgans sei. Demgegenüber lassen die in den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten aufliegenden Statuten des Vereines erkennen, dass gemäß § 11 dieser Statuten der Vorstand unter anderem auch aus dem Schriftführer besteht und gemäß § 12 der Statuten dem Vorstand die Leitung des Vereines obliegt und dieser somit "Leitungsorgan" im Sinne des Vereinsgesetzes 2012 ist.
35 Somit durfte das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgehen, dass der Revisionswerber als Mitglied des Leitungsorgans des Vereines für die Führung der Vereinsgeschäfte mitverantwortlich war (vgl. nochmals § 5 Abs. 1 Vereinsgesetz 2002).
Ergebnis
36 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
37 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 4. April 2019
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