VwGH Ra 2018/14/0356

VwGHRa 2018/14/035630.4.2019



Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Galesic, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Dr. Angelika Hellweger, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. November 2018, W123 2194147-1/12E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018140356.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 23. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er fürchte Verfolgung durch die Taliban, da sein Vater sich geweigert habe, als Lehrer Frauen nicht zu unterrichten. Deswegen seien der Vater und der Bruder des Revisionswerbers von den Taliban verletzt worden. Im Laufe des Verfahrens brachte er auch vor, er gehöre dem Risikoprofil der Volksgruppe der Hazara und der Schiiten sowie der als "verwestlicht" wahrgenommenen Rückkehrer an.

2 Mit Bescheid vom 27. März 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab, sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe und dass der Revisionswerber sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab einem bestimmten Zeitpunkt verloren habe, und erließ gegen ihn ein befristetes Einreiseverbot.

3 Mit Beschluss vom 7. Mai 2018 erkannte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde teilweise statt und hob das Einreiseverbot auf. Im Übrigen wies das BVwG die Beschwerde ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil es über weite Strecken bloß formelhaft begründet sei, auf das Vorbringen des Revisionswerbers nicht eingehe, der Minderjährigkeit des Revisionswerbers keine erkennbare Beachtung schenke und eine individuelle Verfolgung des Revisionswerbers verneine, obwohl nach den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 bei Kindern ein Schutzbedarf bestehen könne, wenn an deren Eltern regierungsfeindliche Kräfte Vergeltung üben möchten. Das BVwG weiche auch von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil es sich nicht damit auseinandersetze, dass nach den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 das Vorhandensein eines sozialen Umfelds oder Netzes eine Voraussetzung für eine Rückkehr nach Afghanistan sei. Darüber verfüge der Revisionswerber, dessen ganze Familie wegen der Bedrohung durch die Taliban im Iran lebe, nicht. Auch habe das BVwG die individuelle Situation des Revisionswerbers im Fall einer Rückkehr nicht bzw. nur oberflächlich geprüft.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des BVwG im Zusammenhang mit der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 15.1.2019, Ra 2018/14/0442, mwN).

9 Das BVwG hat sich mit dem Vorbringen des Revisionswerbers zu seinen Fluchtgründen im Einzelnen auseinandergesetzt und ist - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - im Rahmen einer nicht als unvertretbar zu wertenden Beweiswürdigung mit näherer Begründung zu dem Ergebnis gelangt, der Revisionswerber werde in Afghanistan im Fall einer Rückkehr nicht einer individuellen Verfolgung seitens der Taliban, auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder wegen einer angeblichen "Verwestlichung" ausgesetzt sein.

10 Insoweit die Revision in diesem Zusammenhang die mangelnde Berücksichtigung der Minderjährigkeit des Revisionswerbers im Zeitpunkt seiner Flucht rügt, zeigt sie nicht auf, welche konkreten Erwägungen vor dem Hintergrund der Minderjährigkeit des Revisionswerbers anders zu treffen gewesen wären (vgl. in diesem Sinn VwGH 21.3.2018, Ra 2017/18/0372).

11 Wenn die Revision schließlich vorbringt, der Revisionswerber weise wegen einer möglichen Vergeltung an seinen Eltern ein in den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 enthaltenes Risikoprofil als Kind auf, ist ihr zunächst entgegenzuhalten, dass der Revisionswerber im Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG nicht mehr minderjährig war. Im Übrigen wendet sich die Revision nicht gegen die Annahme des BVwG, der Grund für die Verfolgung des Vaters des Revisionswerbers sei wegen dessen Krankheit und Aufenthalt im Iran weggefallen. 12 Insoweit die Revision behauptet, das BVwG habe entgegen den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 das Fehlen eines sozialen Umfelds oder Netzes des Revisionswerbers im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan nicht berücksichtigt, ist ihr entgegenzuhalten, dass der UNHCR für alleinstehende, leistungsfähige Männer im erwerbsfähigen Alter ohne besondere Gefährdungsfaktoren eine Ausnahme vom Erfordernis des Zugangs zu einem Unterstützungsnetzwerk annimmt (vgl. S. 125 dieser Richtlinien). Die Revision legt nicht dar, warum der Revisionswerber nicht zu dieser Gruppe gehören sollte.

13 Das BVwG ist bei der Prüfung des Vorliegens einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative näher auf die individuelle Situation des Revisionswerbers eingegangen und hat dabei berücksichtigt, dass es sich beim Revisionswerber um einen gesunden, ledigen und arbeitsfähigen Mann mit Schulbildung und Berufserfahrung handelt, der Dari und Englisch spreche, mit den Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut sei und von seinen Verwandten unterstützt werden könne. Vor diesem Hintergrund kann die Revision mit ihrem bloß allgemeinen Vorbringen, das BVwG habe sich mit der individuellen Situation und den persönlichen Umständen des Revisionswerbers nicht oder bloß oberflächlich auseinandergesetzt, nicht aufzeigen, warum das angefochtene Erkenntnis aus diesen Gründen an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Rechtswidrigkeit leiden sollte.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 30. April 2019

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