VwGH Ro 2018/03/0031

VwGHRo 2018/03/00316.3.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über

I. die Revision 1 der revisionswerbenden Parteien 1. Agemeinschaft in W, 2. P Bürgerinitiative in W, 3. Dr. J L, 4. Ing. T H, beide in Z, 5. Bürgerinitiative L in W, 6. Dr. B B, 7. DI H B, und 8. F B, jeweils in W, alle vertreten durch die Wolfram Proksch Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Teinfaltstraße 8/5.01, und

II. die Revision 2 der revisionswerbenden Parteien 1. Bürgerinitiative F in W, 2. Bürgerinitiative Pl und 3. Bürgerinitiative Lä, alle vertreten durch Heger & Partner Rechtsanwälte in 1010 Wien, Esslinggasse 17/9,

gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 2018, Zl. W109 2000179‑1/350E, betreffend die Erteilung einer UVP‑Genehmigung im Zusammenhang mit einer Erweiterung eines Zivilflugplatzes samt Verlegung einer Landesstraße (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Niederösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: 1. Flughafen W AG und 2. Land Niederösterreich, beide vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs1
AVG §52
AVG §59 Abs1
AVG §7 Abs1 Z3
BStLärmIV 2014
B-VG Art139
B-VG Art140
EURallg
GewO 1994 §77 Abs2
LuftfahrtG 1958 §120a
LuftfahrtG 1958 §145b
LuftfahrtG 1958 §145b Abs3
LuftfahrtG 1958 §145b Abs4
LuftfahrtG 1958 §69 Abs1 litg
LuLärmIV 2012 §2
LuLärmIV 2012 §4
MRK Art6
SchIV 1993
UVPG 2000 §1
UVPG 2000 §17 Abs3
UVPG 2000 §19 Abs1 Z6
UVPG 2000 §24f Abs1
UVPG 2000 §24f Abs2
UVPG 2000 §24f Abs8
VerfGG 1953 §87 Abs2
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §6
12010E267 AEUV Art267
12010M004 EUV Art4 Abs3
31985L0337 UVP-RL Art3
32003L0087 Emissionshandel-RL
32008L0101 Nov-32003L0087
32011L0092 UVP-RL Art3
32014L0052 Nov-32011L0092
32017R2392 Nov-32003L0087
62007CJ0002 Paul Abraham VORAB
62010CJ0366 Air Transport Association of America VORAB
62011CJ0420 Leth VORAB
62016CO0589 Filippi VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018030031.J00

 

Spruch:

1. Die Revisionen 1 und 2 werden als unbegründet abgewiesen.

2. Die revisionswerbenden Parteien der Revision 1 haben den mitbeteiligten Parteien Kosten in der Höhe von € 1.106,40 und dem Land Niederösterreich Kosten in der Höhe von € 553,20 jeweils zu gleichen Teilen und binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

3. Die revisionswerbenden Parteien der Revision 2 haben den mitbeteiligten Parteien Kosten in der Höhe von € 1.106,40 und dem Land Niederösterreich Kosten in der Höhe von € 553,20 jeweils zu gleichen Teilen und binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

4. Die Revisionsbeantwortungen des W P zu den Revisionen 1 und 2 werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Das gegenständliche Genehmigungsverfahren betrifft die Errichtung und den Betrieb einer dritten Start‑ und Landepiste mit der Bezeichnung „Parallelpiste 11R/29L“ am Flughafen W. Die neue Piste soll in einem Abstand von ca. 2.400 m parallel zur bestehenden Piste 11/29 errichtet werden und eine Gesamtlänge von 3.680 m aufweisen. Das Vorhaben umfasst diverse Änderungen der bestehenden Flughafenbauten und ‑einrichtungen sowie eine Verlegung der Landesstraße B 10 auf einer Länge von 7,420 km.

2 Mit gemeinsamen Schreiben vom 1. März 2007 beantragten die Flughafen W AG (Erstmitbeteiligte) und das Land Niederösterreich (Zweitmitbeteiligte) unter Bezugnahme auf § 5 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP‑G 2000), das Vorhaben „Parallelpiste 11R/29L“ und dessen Bestandteil „Verlegung der Landesstraße B 10“ gemäß § 17 UVP‑G 2000 zu genehmigen.

3 Nach Durchführung eines konzentrierten Genehmigungsverfahrens nach § 3 Abs. 3 UVP‑G 2000 (im Folgenden: UVP‑Verfahren) erteilte die Niederösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 10. Juli 2012 die beantragten Genehmigungen unter gleichzeitiger Vorschreibung von Auflagen, Bedingungen, Befristungen und Nebenbestimmungen.

4 Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerden mehrerer Verfahrensparteien wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Anträge der mitbeteiligten Parteien im ersten Rechtsgang mit Erkenntnis vom 2. Februar 2017 ab.

5 Diese gerichtliche Entscheidung wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 29. Juni 2017, E 875/2017 u.a. (VfSlg. 20.185/2017), aufgehoben.

6 Im fortgesetzten Verfahren wies das BVwG mit Spruchteil A des nun angefochtenen Erkenntnisses zwei Beschwerden (darunter auch jene des Beschwerdeführers W P) mangels Parteistellung zurück; auch Anträge auf Löschung der Sicherheitszone im Grundbuch wurden zurückgewiesen.

Mit Spruchteil B des angefochtenen Erkenntnisses bestätigte das BVwG die von der Verwaltungsbehörde erteilten Genehmigungen, änderte jedoch die Auflagen in mehreren Punkten ab. Im Übrigen wies es die Beschwerden ab.

7 Mit Spruchteil C erklärte das BVwG die Revision in Bezug auf Spruchteil A für nicht zulässig, in Bezug auf Spruchteil B jedoch für zulässig, weil „zumindest zur Frage, ob die Bewilligung der dritten Piste ohne Vorgaben in Bezug auf die Festlegung des Fluggeschehens möglich ist sowie zur Anwendung der LuLärmIV [...] bislang keine Judikatur“ des Verwaltungsgerichtshofes bestehe.

8 Gegen Spruchpunkt B dieses Erkenntnis brachten die revisionswerbenden Parteien der Revision 1 am 9. Mai 2018 die Revision 1 ein, zu der die mitbeteiligten Parteien und die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht im Juli 2018 Revisionsbeantwortungen erstatteten. Auch W P, dessen Beschwerde vom BVwG mangels Parteistellung zurückgewiesen worden war, brachte zur Revision 1 eine Revisionsbeantwortung ein.

9 Die revisionswerbenden Parteien der Revision 2 erhoben zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluss vom 4. Oktober 2018, E 1818/2018‑18, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Zu der am 26. November 2018 eingebrachten Revision 2, die sich ebenfalls gegen Spruchpunkt B des angefochtenen Erkenntnisses richtet, erstatteten die mitbeteiligten Parteien, die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht und W P im Zeitraum Dezember 2018 bis Jänner 2019 Revisionsbeantwortungen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. Zur Zulässigkeit der Revisionen:

10 Die mitbeteiligten Parteien machen in den Revisionsbeantwortungen geltend, es lägen entgegen dem Zulässigkeitsausspruch des BVwG und den Darlegungen in den Revisionen keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vor. Die Revisionen seien deshalb unzulässig.

11 Im Einzelnen bringen die mitbeteiligten Parteien vor, das BVwG begründe die Zulässigkeit der Revision mit angeblich fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die Bewilligung der dritten Piste ohne Vorgaben in Bezug auf die Festlegung des Fluggeschehens möglich sei. Diese Frage sei jedoch im Luftfahrtgesetz (LFG) eindeutig geregelt, weil gemäß § 120a LFG die Austro Control GmbH das Fluggeschehen ‑ die An‑ und Abflugverfahren ‑ mit Verordnung festzulegen habe. Für eine Festlegung im gegenständlichen UVP‑Verfahren verbleibe somit kein Raum. Die Rechtslage sei vollkommen eindeutig. Auch der EuGH fordere keine Festlegung des Fluggeschehens in einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP).

12 Den zweiten Zulässigkeitsgrund sehe das BVwG im Fehlen von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Anwendbarkeit der Luftverkehr-Lärmimmissionsschutzverordnung (LuLärmIV). Auch diesbezüglich sei die Rechtslage aber klar und eindeutig: Gemäß § 17 Abs. 3 iVm § 24f Abs. 2 zweiter Satz UVP‑G 2000 sei die LuLärmIV im vorliegenden Fall als besondere Immissionsschutzvorschrift durch das BVwG anzuwenden gewesen. Die Gesundheitsgefährdung und die Zumutbarkeit von Belästigungen seien nach dieser Verordnung zu beurteilen. Zu vergleichbaren Immissionsvorschriften (SchIV und BStLärmIV) existiere bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Es sei nicht ersichtlich und werde von der Zulässigkeitsbegründung auch nicht dargetan, inwieweit sich die LuLärmIV hinsichtlich der Frage ihrer Anwendbarkeit von den genannten Immissionsvorschriften unterscheiden solle.

13 Auch die revisionswerbenden Parteien zeigten nach Auffassung der mitbeteiligten Parteien abseits des Zulässigkeitsausspruches des BVwG keine Rechtsfragen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG auf.

14 Diesen Einwänden der mitbeteiligten Parteien gegen die Zulässigkeit der Revisionen ist nicht zu folgen:

15 Die mitbeteiligten Parteien weisen zwar zu Recht darauf hin, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG vorliegt, wenn die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig ist (vgl. VwGH 28.5.2014, Ro 2014/07/0053, u.a.).

16 Die Rechtslage in Bezug auf die vom BVwG in seiner Zulassungsbegründung angesprochenen Rechtsfragen ist jedoch entgegen dem Vorbringen der mitbeteiligten Parteien nicht so klar und eindeutig, dass es höchstgerichtlicher Leitlinien zur Auslegung nicht bedarf.

17 Ohne auf die im Folgenden zu erörternden Rechtsfragen bereits an dieser Stelle näher einzugehen, ist lediglich anzumerken, dass das BVwG in seiner Zulassungsbegründung Rechtsfragen umschrieben hat, die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht behandelt wurden und von denen die Lösung des gegenständlichen Revisionsfalles abhängt. Die Revisionen, die diese Rechtsfragen auch im Einzelnen behandeln, erweisen sich daher schon deshalb als zulässig.

II. In der Sache:

1. Allgemeines

18 Beim gegenständlichen Projekt handelt es sich um ein Vorhaben nach Anhang I Z 14 Spalte 1 lit. b des UVP‑G 2000 („Neuerrichtung von Pisten mit einer Grundlänge von mindestens 2 100 m“). Es betrifft einen Flughafen im Sinne des § 64 Luftfahrtgesetz (LFG), also einen öffentlichen Flugplatz, der für den internationalen Luftverkehr bestimmt ist und über die hiefür erforderlichen Einrichtungen verfügt, sodass nach § 17 Abs. 3 UVP‑G 2000 idF BGBl. I Nr. 77/2012 bei der Entscheidung im UVP‑Verfahren an Stelle des § 17 Abs. 2 UVP‑G 2000 die Kriterien des § 24f Abs. 1 und 2 UVP‑G 2000 anzuwenden sind. Die genannten nationalen Regelungen sind vor dem Hintergrund der UVP‑Richtlinie (vgl. dazu näher Rz 71) auszulegen, deren Umsetzung das UVP‑G 2000 bezweckt.

2. Zur Bedeutung künftiger An‑ und Abflugrouten im UVP‑Verfahren

19 Ein wesentlicher Streitpunkt des Verfahrens betrifft die Frage, welche An‑ und Abflugrouten zu und von der dritten Piste im UVP‑Verfahren Berücksichtigung finden müssen, und zwar insbesondere im Hinblick auf die dadurch bewirkte Lärmbelastung von Anrainern.

20 Die revisionswerbenden Parteien der Revision 1 vertreten ‑ zusammengefasst ‑ die Rechtsansicht, dass nur die Prüfung der Umweltverträglichkeit von allen Bereichen, in denen der An‑ und Abflugverkehr weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen werden könne, den Anforderungen der UVP‑Richtlinie entspreche. Sie verweisen diesbezüglich auf die einschlägige ebenfalls unionsrechtlich determinierte deutsche Rechtslage. Da im gegenständlichen Fall von der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht nur Umweltauswirkungen auf jene Gebiete, die im Bereich der als plausibel angenommenen Flugrouten liegen, geprüft und beurteilt worden seien, und diese unzulässige Einschränkung des Beurteilungsgegenstands der UVP vom BVwG gebilligt worden sei, seien die Genehmigungsvoraussetzungen nach dem UVP‑G 2000 nicht erfüllt und es sei das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet.

21 Auch die revisionswerbenden Parteien der Revision 2 setzen sich mit dem Thema der Flugrouten auseinander und beanstanden, dass die UVP‑Bewilligung ohne Auflagen für die Flugrouten erfolgt sei. Das BVwG hätte die Lärmbelastung der Wiener Bevölkerung beim Geradeausanflug auf die dritte Piste sachverständig begutachten lassen und entsprechende Feststellungen treffen müssen, die in einer Auflage hätte münden müssen, dass der Geradeausanflug auf die dritte Piste unzulässig sei, sowie in der Bedingung, dass die Benützung der dritten Piste ausschließlich im gekurvten Anflug zulässig sei.

22 Dem halten die mitbeteiligten Parteien in der Revisionsbeantwortung entgegen, dass Flugrouten keiner UVP‑Pflicht unterlägen. Im UVP‑Verfahren habe aber eine Beurteilung des Verkehrsaufkommens stattzufinden, was im gegenständlichen Verfahren ohnedies geschehen sei. Die revisionswerbenden Parteien würden nicht aufzeigen, dass bestimmte Gebiete, die vom Vorhaben betroffen sein könnten, in der durchgeführten UVP nicht berücksichtigt worden seien. Um der jeder Prognose immanenten Unsicherheit von vornherein Rechnung zu tragen, sei für die dritte Piste ein weltweit einzigartiges und völlig neues Konzept entwickelt und mittels Auflagen vorgeschrieben worden, nämlich das sogenannte „vorausschauende Monitoring“: Die Unsicherheiten in der Prognose würden dadurch beseitigt, dass sich der Tag‑ und Nacht‑Lärmschutzbereich an der tatsächlichen Betroffenheit orientiere und künftig laufend vorausschauend zu überprüfen sei. Die Lärmschutzmaßnahmen seien sodann für diese Gebiete vorauseilend nachzuweisen. Damit sei sichergestellt, dass auch in Zukunft alle potenziell betroffenen Gebiete berücksichtigt und dort allenfalls erforderliche Lärmschutzmaßnahmen gesetzt würden. Im Übrigen sei ein Geradeausanflug auf die dritte Piste nicht Teil des Genehmigungsantrags bzw. der Vorhabensbeschreibung gewesen. Auf Grundlage der gegenständlichen Genehmigung müssten alle Luftfahrzeuge, die auf der dritten Piste landen wollen, den gekurvten Anflug („curved approach“) beherrschen. Die Befürchtungen der revisionswerbenden Parteien entbehrten somit jeder Grundlage.

23 Die belangte Behörde des Verfahrens vor dem BVwG bringt in ihren Revisionsbeantwortungen zusammengefasst vor, dass die Auswirkungen des auf den künftigen Flugrouten verursachten Lärms eingehend durch lärmtechnische und umwelthygienische Gutachten untersucht worden seien. Die Beurteilung aller denkmöglichen Flugrouten sei aufgrund der flexiblen Monitoring-Maßnahmen und nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht erforderlich.

24 Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 120a LFG obliegt die Festlegung der zur sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung des Flugverkehrs erforderlichen An‑ und Abflugverfahren für den Streckenflug der Austro Control GmbH, die dabei nach den gesetzlichen Vorgaben auf die Abwehr von den der Allgemeinheit aus dem Luftverkehr drohenden Gefahren, wie insbesondere auf eine möglichst geringe Immissionsbelastung, Bedacht nehmen muss.

25 Die Festlegung der Flugrouten durch die Austro Control GmbH ist vom gegenständlichen UVP‑Verfahren zu unterscheiden, in dem es um die Beurteilung der Umweltverträglichkeit des geplanten Vorhabens geht. Dabei sind nicht nur Umweltauswirkungen zu berücksichtigen, die unmittelbar mit der Errichtung der dritten Landebahn verbunden sind, sondern auch solche, die durch die Benutzung und den Betrieb der aus diesen Arbeiten hervorgegangenen Anlagen hervorgerufen werden können (vgl. in diesem Sinne etwa EuGH 28.2.2008, C‑2/07, Abraham, RNr. 43).

26 Die Flugrouten, über welche die neu zu errichtende Start- und Landebahn künftig genutzt werden soll, gehören zu den prognostischen Annahmen, die im UVP‑Verfahren insbesondere für die Prüfung der Belastung durch Schadstoffe und durch Lärm zugrunde zu legen sind.

27 Dass die Festlegung der Flugrouten erst zu einem späteren Zeitpunkt durch die Austro Control GmbH erfolgen wird, bringt naturgemäß Unsicherheiten für die Prognose mit sich. Die Flugroutenprognose im UVP‑Verfahren betreffend die Errichtung einer weiteren Start- und Landebahn muss ungeachtet dessen die Modalitäten des zukünftigen Flugbetriebs, der über diese Piste abgewickelt werden soll, bestmöglich abbilden. Räumlich hat sich die UVP dabei auf den gesamten Einwirkungsbereich zu erstrecken, den das Vorhaben haben kann. Nur so wird dem Zweck der UVP, unmittelbare und mittelbare Auswirkungen eines Projekts/Vorhabens auf die näher bezeichneten Schutzgüter (Art. 3 UVP‑RL bzw. § 1 UVP‑G 2000) zu erfassen, ausreichend Rechnung getragen.

28 Das erfordert, dass sich die Prognose nicht auf einzelne repräsentative Flugrouten beschränkt, sondern grundsätzlich alle Flugrouten umfasst, die ‑ tatsächlich und rechtlich ‑ für den An- und Abflug zu und von der in Rede stehenden Piste in Betracht kommen können. Insoweit ist der Revision 1, die sich in ihrer rechtlichen Argumentation insbesondere auf die einschlägige unionsrechtlich geprägte deutsche Rechtslage bezieht (vgl. § 8 Abs. 1 des deutschen Luftverkehrsgesetzes), grundsätzlich zuzustimmen. Allerdings kann es nicht als fehlerhaft erkannt werden, wenn die UVP‑Prüfung ihr besonderes Augenmerk auf jene Flugrouten legt, deren Festlegung durch die Austro Control GmbH mit größter Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, kommt es doch darauf an, das künftige Geschehen möglichst realistisch zu erfassen. Um diese Flugrouten zu identifizieren, wird es in der Regel notwendig sein, die Austro Control GmbH schon bei der Planung des Projekts entsprechend einzubinden.

29 Um den Unsicherheiten der Prognose Rechnung zu tragen, kann es darüber hinaus auch geboten sein, im UVP‑Verfahren Gebiete im Einwirkungsbereich des Flughafens zu umschreiben, die aufgrund ihrer Vorbelastung von den Auswirkungen des Flugbetriebs infolge Inbetriebnahme der neuen Piste nicht oder nur in beschränktem Maße zusätzlich belastet werden dürfen. Allfällige Vorgaben in diese Richtung hat auch die Austro Control GmbH bei der späteren Festlegung der An- und Abflugverfahren zu berücksichtigen, um sich mit der UVP‑Genehmigung nicht in Widerspruch zu setzen (vgl. in diesem Sinne ‑ wenngleich zur deutschen Rechtslage ‑ etwa das Urteil des deutschen BVerwG 31.7.2012, 4 A 7001.11).

30 Diese rechtlichen Leitlinien können aus dem einschlägigen Unionsrecht und dem darin manifestierten Zweck der UVP eindeutig abgeleitet werden. Einer Befassung des EuGH mit der von der Revision 1 angeregten Vorlagefrage, welche Flugrouten der UVP zugrunde zu legen sind, bedarf es daher nicht.

31 Werden die soeben dargestellten rechtlichen Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewandt, so ist zunächst festzuhalten, dass den Einreichunterlagen eine Abstimmung der prognostisch herangezogenen Flugrouten mit der Austro Control GmbH entnommen werden kann, die dabei nach eigenen Angaben eine „bestmögliche Einschätzung“ vorgenommen hat. Auch die gutachterliche Überprüfung der Unterlagen im UVP‑Verfahren führte zu dem Ergebnis, „dass eine wesentlich genauere Berechnung als in den Unterlagen des Flughafens dargestellt zum derzeitigen Zeitpunkt nicht möglich ist“ (Umweltverträglichkeitsgutachten, Teilgutachten Lärmschutz, S. 54).

32 Die Revisionen zeigen demgegenüber nicht konkret auf, dass die Einbeziehung anderer Flugrouten zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Es wird auch nicht dargelegt, dass es der Festlegung von Gebieten bedurft hätte, die von den Auswirkungen des künftigen Flugbetriebs ausgenommen werden müssten oder hinsichtlich derer weitere Beschränkungen in Form von Auflagen oder Bedingungen notwendig gewesen wären.

33 Soweit die Revision 2 in diesem Zusammenhang eine Beschränkung des Anfluges auf die dritte Piste über das Wiener Stadtgebiet einfordert, ist Folgendes zu erwidern:

34 Der Verfahrens‑ und Entscheidungsgegenstand des UVP‑Verfahrens wird durch den Antrag und die Vorhabensbeschreibung festgelegt. Im vorliegenden Fall wird in der Vorhabensbeschreibung (Punkt 10.01.02 der Beschreibung des Flugbetriebs vom 23. Jänner 2008) eindeutig ausgeführt, dass auf die dritte Piste im Normalbetrieb ein Geradeausanflug parallel zur bereits bestehenden Piste 11L nicht erfolgen wird, sodass es keine parallelen Anflüge über Wiener Stadtgebiet geben könne. Anflüge auf die dritte Piste würden im Normalbetrieb nur gekurvt geflogen. In dieselbe Richtung geht die Einschränkung des Vorhabens mit Schriftsatz vom 3. März 2011, wonach das Instrumentenlandesystem ILS 11R nicht mehr Gegenstand des Vorhabens sei, was in betrieblicher Hinsicht nach den Ausführungen der Erstmitbeteiligten bedeute, dass ein Geradeausanflug auf die dritte Piste mit Instrumentenlandesystemunterstützung von vornherein nicht möglich sei.

35 Wenn das BVwG auf Seite 90 des angefochtenen Erkenntnisses daher festhält, dass ein Anflug auf die dritte Piste (in Richtung Osten) nach dem Gegenstand des Antrags nur gekurvt erfolgen dürfe, um einen Überflug der Stadt Wien zu vermeiden, findet dies in den Verfahrensakten ‑ jedenfalls für den Normalbetrieb ‑ Deckung und wird von den mitbeteiligten Parteien auch in der Revisionsbeantwortung bestätigt.

36 Ist die Benützung der dritten Piste nach dem soeben beschriebenen Antragsgegenstand aber nicht für Landungen vorgesehen, die bei Normalbetrieb in Richtung Osten über das Wiener Stadtgebiet führen würden, deckt die UVP‑Genehmigung eine derartige Benützung der Piste auch nicht ab. Das wird die Austro Control GmbH bei der künftigen Festlegung der Anflugverfahren als Vorgabe zu beachten haben, um sich ‑ wie erwähnt ‑ mit der UVP‑Genehmigung nicht in Widerspruch zu setzen.

37 Gutachterlich wurde im Verfahren überdies ausgeführt, dass „planerisch alles technisch mögliche (u.a. gekurvter Anflug) vorgesehen [sei], um die Auswirkungen des Fluglärms zu minimieren. Das Ziel, eine starke Belastung der Stadt Wien aufgrund des Ausbaus zu vermeiden, [könne] durch die geplante Lenkung des Flugverkehrs erreicht werden. Von besonderer Bedeutung für die Stadt Wien [seien] Anflüge auf die [bereits bestehende] Piste 11L. Hier [stelle] die dritte Piste sogar eine Entlastung gegenüber dem „Nullfall 2020“ [also dem weiteren Betrieb des Flughafens ohne dritte Piste bezogen auf das Prognosejahr 2020] dar. Die Situation [entspanne] sich diesbezüglich noch weiter, wenn der Ausrüstungsgrad für den gekurvten Anflug [zunehme] (siehe Szenario 2025u). Dem gegenüber [stünden] zusätzliche Belastungen im Nahbereich der neuen Piste. Davon [sei] jedoch ein wesentlich weniger dicht besiedeltes Gebiet betroffen“ (Umweltverträglichkeitsgutachten, Teilgutachten Lärmschutz, S. 23).

38 Die Revision 2 vermag nicht darzulegen, dass diese Erwägungen unzutreffend wären. Sie zeigt auch nicht auf, dass die vorhabensbedingten Umweltauswirkungen für die Wiener Bevölkerung bei einem Anflug auf die dritte Piste außerhalb des Normalbetriebs (vgl. dazu etwa Abs. 1 lit. a, b und d in Anhang B Buchstabe A Z 1 der Luftverkehrsregel 2014, BGBl. II Nr. 297/2014 idF BGBl. II Nr. 357/2018, und § 3 Abs. 2 LuLärmIV) so beschaffen wären, dass sie einer UVP‑Genehmigung entgegenstehen würden bzw. weiterer Auflagen bedurft hätten. Einer einschränkenden Auflage oder Bedingung für den Anflug im Normalbetrieb bedurfte es aufgrund des ohnedies eingeschränkten Antragsgegenstands der UVP ‑ wie gezeigt ‑ jedenfalls nicht.

3. Zur (weiteren) Kritik an den Erwägungen des BVwG zum Lärmschutz und zur Heranziehung der LuLärmIV

39 Die Revision 1 macht geltend, dass das BVwG zu Unrecht keinen Schutz vor Fluglärm gewährt habe. Mit dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien bezüglich der Prognoseunsicherheiten von Lärm und Luftschadstoffimmissionen habe sich das BVwG nur unzureichend auseinandergesetzt. Indem das BVwG die Regelungen des § 145b LFG und der LuLärmIV heranziehe, die lediglich objektseitige passive Schallschutzmaßnahmen vorsähen, gewähre es keinen „Freiraumschutz“ auf den Liegenschaften der vom Fluglärm Betroffenen, weshalb die Genehmigungsvoraussetzungen des UVP‑G 2000 nicht erfüllt seien; auch habe keine einzelfallbezogene humanmedizinische Beurteilung der Lärmimmissionen stattgefunden. Beides stehe im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 14. März 2013, C‑420/11, Leth. Es sei unrichtig, sich nur auf die Werte der LuLärmIV zu beziehen, zumal diese Verordnung nicht den rezent gültigen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Gesundheitsschädlichkeit von Fluglärm entspreche, sondern grob veraltet sei.

40 Auch die Revision 2 beanstandet zu diesem Themenkomplex, dass das BVwG keine zusätzlichen Ermittlungen getätigt und keine weitergehenden Auflagen zum Lärmschutz erteilt habe, etwa im Zusammenhang mit Büroräumlichkeiten und sonstigen Arbeitsstätten oder Außenflächen von Kindergärten. Wie die Revision 1 kritisiert sie, dass sich § 145b LFG und die LuLärmIV auf objektseitige Maßnahmen zum Schallschutz beschränkten, aber keinen generellen „Freiraumschutz“ gewährten. In diesem Zusammenhang regt die Revision 2 auch ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH an.

41 Die mitbeteiligten Parteien wenden dagegen zusammengefasst ein, die Prognosen seien nach den fortschrittlichsten Methoden erstellt worden. Mit dem „vorausschauenden Monitoring“ werde überdies allfälligen Prognoseunsicherheiten Rechnung getragen und ein ausreichender Schallschutz gewährleistet. Soweit sich die revisionswerbenden Parteien gegen die Heranziehung des LuLärmIV wenden, sei ihnen zu entgegnen, dass die UVP‑Richtlinie keine materiellen Genehmigungsvoraussetzungen vorsehe und es im Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers liege, den Lärmschutz im Flugverkehr entsprechend der LuLärmIV vorzusehen. Diese Verordnung entspreche entgegen dem Revisionsvorbringen auch dem Stand der Wissenschaft und es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ein Abweichen von den Grenzwerten der LuLärmIV im Einzelfall notwendig wäre.

42 Die belangte Behörde vor dem BVwG wendet in der Revisionsbeantwortung im Wesentlichen ein, sie habe die Schwelle zwischen zumutbaren und unzumutbaren Lärmbelästigungen aus dem Gutachten des international anerkannten umwelthygienischen Sachverständigen Univ. Prof. Dr. S abgeleitet. Das BVwG habe in der angefochtenen Entscheidung nur Anpassungen der Dezibel‑Werte an die mittlerweile geltende LuLärmIV vorgenommen, wobei die jeweils für die Anrainer günstigsten Werte des verwaltungsbehördlichen Bescheides bzw. der LuLärmIV herangezogen worden seien. Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass eine einzelfallbezogene umwelthygienische Beurteilung der Lärmimmissionen für das konkrete Vorhaben erfolgt sei, welche zum Ergebnis geführt habe, dass die umwelthygienischen und lärmtechnischen Genehmigungsvoraussetzungen jedenfalls vorgelegen hätten.

43 Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 145b Abs. 1 LFG gelten für Vorhaben, die Flughäfen (§ 64) betreffen, und die einer Genehmigung nach dem UVP‑G 2000 bedürfen, ergänzend zu den Bestimmungen des UVP‑G 2000 die nachstehenden Bestimmungen. § 145b Abs. 3 LFG sieht vor, dass für die Beurteilung von durch das Vorhaben bedingtem Fluglärm der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Land‑ und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft nach Maßgabe der Erfordernisse des Lärmschutzes mit Verordnung Immissionsschwellenwerte und die Art und Weise der Berechnung dieser Lärmindizes festzulegen hat. Werden diese Immissionsschwellenwerte überschritten, sind geeignete objektseitige Maßnahmen bei jenen Wohneinheiten zu setzen, für die im Zeitpunkt der Kundmachung gemäß § 9 UVP‑G 2000 eine rechtskräftige Baubewilligung vorliegt. Geeignete objektseitige Maßnahmen im Sinne des Abs. 3 sind nach § 145b Abs. 4 LFG Schallschutzmaßnahmen für Räumlichkeiten, die zumindest überwiegend Wohn‑ und Schlafzwecken dienen.

44 Die Luftverkehrs‑Lärmimmissionsschutzverordnung ‑ LuLärmIV, BGBl. II Nr. 364/2012, regelt auf dieser Grundlage Immissionsschwellenwerte für Fluglärm (§ 2). § 4 LuLärmIV ordnet an, dass bei Überschreiten der Immissionsschwellenwerte näher umschriebene objektseitige Schallschutzmaßnahmen ergriffen werden müssen.

45 Soweit sich die Revisionen gegen dieses Regelwerk wenden, ist vorauszuschicken, dass sich der Verfassungsgerichtshof in seinem Ablehnungsbeschluss vom 4. Oktober 2018, E 1818/2018‑18, auch mit den Einwänden gegen die LuLärmIV befasst hat. Unter Bezugnahme auch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führte er unter anderem aus, dass auch hinsichtlich Überschreitungen von Immissionsschwellenwerten der LuLärmIV in Bezug auf Räumlichkeiten, in denen sich regelmäßig Personen nicht bloß kurzfristig aufhalten, durch Vorhaben nach dem LFG, die einer Genehmigung nach dem UVP‑G 2000 bedürfen, im Einzelfall zu prüfen sei, ob besondere Schutzvorkehrungen erforderlich seien. Angesichts des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers und der maßgeblichen Unterschiede im Tatsächlichen zwischen Luftverkehr einerseits sowie Schienen‑ und Straßenverkehr andererseits bestünden auch keine Bedenken gegen die in § 145b LFG und in der LuLärmIV ‑ im Unterschied zur SchIV und zur BStLärmIV ‑ vorgesehene Beschränkung auf objektseitige Maßnahmen. Die durch die Fluglärmbelastung herbeigeführte etwaige Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten privater Freiflächen und die damit einhergehende Wertminderung sowie die Obliegenheit zur Wartung und Erhaltung der in rechtskräftig baubewilligten Räumlichkeiten eingebauten Schallschutzmaßnahmen auf Kosten des Eigentümers oder sonst Berechtigten seien im gewichtigen öffentlichen Interesse an der Luftfahrt gelegen und auch verhältnismäßig; Bauwerbern sei es zumutbar, die dem Zivilflugplatzhalter bewilligten Schallemissionen in ihre Planung miteinzubeziehen.

46 Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof weder hinsichtlich des § 145b LFG noch hinsichtlich der LuLärmIV Normbedenken entwickelt hat, sondern diese Regelungen als im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetz‑ bzw. Verordnungsgebers gelegen erachtet.

47 Die LuLärmIV legt somit Immissionsschwellenwerte fest, die gemäß § 145b LFG ergänzend zu den Bestimmungen des UVP‑G 2000 Beachtung finden müssen. Bei der LuLärmIV handelt es sich außerdem um eine besondere Immissionsschutzvorschrift im Sinne des § 24f Abs. 2 UVP‑G 2000. Demnach hat die Beurteilung, ob die Immissionen das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn/Nachbarinnen gefährden oder zu einer unzumutbaren Belästigung von Nachbarn/Nachbarinnen im Sinn des § 77 Abs. 2 der Gewerbeordnung 1994 führen, nach den Vorschriften der LuLärmIV zu erfolgen.

48 Der Verfassungsgerichtshof hat in dem bereits zitierten Ablehnungsbeschluss vom 4. Oktober 2018, E 1818/2018‑18, die Rechtsprechung der Höchstgerichte des öffentlichen Rechts insbesondere zu den Grenzwerten der Schienenverkehrslärm‑Immissionsschutzverordnung (SchIV) auf die LuLärmIV übertragen.

49 Dem schließt sich der Verwaltungsgerichtshof an: Die in der LuLärmIV vorgesehenen Schwellenwerte stellen Mindeststandards dar, deren Unterschreitung im Einzelfall geboten sein kann. Eine Unterschreitung der normierten Grenzwerte ist jedenfalls dann erforderlich, wenn im Rahmen des UVP‑Verfahrens Anhaltspunkte hervorkommen, die eine derartige Unterschreitung der Grenzwerte indizieren und rechtfertigen, wobei davon insbesondere in jenen Fällen auszugehen ist, in denen die im Verwaltungsverfahren beigezogenen Sachverständigen eine derartige Unterschreitung für zwingend notwendig erachten. In einem solchen Fall kann den Ergebnissen der Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durch einen bloßen Hinweis auf die Grenzwerte der Verordnung begegnet werden, weil dadurch das vorangegangene UVP‑Verfahren seinen Zweck verfehlen würde (vgl. dazu etwa VwGH 20.12.2016, Ro 2014/03/0035, mwN).

50 Im vorliegenden Fall haben die revisionswerbenden Parteien im Verfahren Bedenken hinsichtlich der Schwellenwerte der LuLärmIV geäußert. Diese wurden vom BVwG in seiner Entscheidung aber nicht geteilt. Das Verwaltungsgericht führte aus, dass die im Gutachten zur „Bewertung und Auswirkungen von unzumutbaren Belästigungen durch Fluglärm“ vom 5. September 2011 (erstellt von Univ. Prof. Dr. M K u.a. im Auftrag des BMVIT‑II/L1) vorgeschlagenen Lärmschutzkriterien, welche der LuLärmIV zugrunde lägen, nachvollziehbar und gut begründet seien. Das Gutachten habe sich mit den einschlägigen internationalen Empfehlungen und der aktuellen fachmedizinischen Literatur hinreichend auseinander gesetzt. Die Gutachter kämen zu dem nachvollziehbaren Schluss, dass die in § 2 LuLärmIV vorgegebenen Fluglärmkriterien auch im internationalen Vergleich eine Entsprechung fänden. Vor dem Hintergrund, dass das Gutachten erst sechseinhalb Jahre alt sei, gehe das Gericht davon aus, dass es sich derzeit auch auf dem aktuellen medizinischen Wissensstand befinde.

51 Bei den modifizierten Auflagen zum Lärmschutz legte das BVwG für das gegenständliche Vorhaben einerseits die günstigsten Werte der LuLärmIV zugrunde, übernahm aber andererseits auch aus der Sicht des Lärmschutzes noch günstigere Vorgaben aus dem verwaltungsbehördlichen Bescheid, die wiederum auf einer Begutachtung durch den Sachverständigen im UVP‑Verfahren Univ. Prof. Dr. S (Teilgutachten Umwelthygiene) beruhten. Diese Werte seien ‑ wie das BVwG ausdrücklich feststellte ‑ aus umweltmedizinischer Sicht vertretbar.

52 Den revisionswerbenden Parteien, die in den Revisionen ihre Verfahrensstandpunkte wiederholen, gelingt es nicht aufzuzeigen, dass diese Beurteilung des BVwG gemessen am Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes fehlerhaft gewesen wäre. Insbesondere vermögen sie nicht hinreichend konkret und fachlich belegt darzulegen, welche Anhaltspunkte eine weitere Unterschreitung der vom BVwG gesetzten Grenzwerte indiziert oder weitere medizinische Gutachten erfordert hätten.

53 Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch nicht veranlasst, das von der Revision 1 angestrebte Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Klärung der Frage zu stellen, ob das Unionsrecht eine einzelfallbezogene Überprüfung der Lärmauswirkungen des Vorhabens erfordert. Das Erfordernis einer einzelfallbezogenen Überprüfung wäre bei entsprechenden Anhaltspunkten für die Notwendigkeit des Unterschreitens der Schwellenwerte der LuLärmIV nach der übereinstimmenden Auslegung des nationalen Rechts durch den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof ohnedies gegeben; solche Anhaltspunkte werden fallbezogen aber eben nicht aufgezeigt.

54 Soweit die Revisionen sich dagegen wenden, dass das LFG und die LuLärmIV nur objektseitige Schallschutzmaßnahmen vorsehen und keinen „Freiraumschutz“ gewähren, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Unterschied zu anderen Infrastrukturprojekten (z.B. Bauvorhaben im Eisenbahn‑ und Straßenverkehrsbereich) auf die Besonderheiten des Flugverkehrs zurückzuführen ist, der es notwendig macht, den Lärmschutz im Besonderen auf die betroffenen Objekte zu fokussieren; ein Umstand, der auch vom Verfassungsgerichtshof in dem mehrfach zitierten Ablehnungsbeschluss nicht beanstandet worden ist.

55 Entgegen der Rechtsansicht der Revision 1 lässt sich aus dem Urteil des EuGH vom 14. März 2013, C‑420/11, Leth, nicht ableiten, dass das Unionsrecht einen „Freiraumschutz“, wie er von den revisionswerbenden Parteien angestrebt wird, vorgibt. In dieser Entscheidung ging es nicht um einen „Freiraumschutz“, sondern (nur) um die Bedeutung der UVP für allfällige Schadenersatzansprüche, die sich aus der reduzierten Nutzungsmöglichkeit einer Liegenschaft ‑ infolge Fluglärms ‑ ergeben können.

56 Das Urteil des EuGH in der Rechtssache Leth stellt aber klar, dass die UVP‑Richtlinie für die dort erfassten Projekte zwar eine UVP vorschreibt, aber keine materiell‑rechtlichen Vorschriften über die Abwägung von Umweltauswirkungen mit anderen Faktoren enthält und auch keine Grundlage dafür bietet, die Durchführung von Projekten, die nachteilige Umweltauswirkungen haben können, zu untersagen (RNr. 46).

57 Aus diesem Grund sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht veranlasst, den EuGH mit der von der Revision 2 aufgeworfenen Rechtsfrage zu befassen, ob eine mitgliedstaatliche Regelung wie § 145b LFG, die es einem Mitgliedstaat gestattet, zum Schutz von Fluglärm ausschließlich objektseitige Maßnahmen zu treffen, mit dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere der UVP‑Richtlinie und der GRC vereinbar sei.

4. Zur Berücksichtigung von Treibhausgas-Emissionen im gegenständlichen UVP‑Verfahren

58 Die Revision 1 macht zusammengefasst geltend, § 17 Abs. 5 UVP‑G 2000 verlange eine Gesamtbewertung des Vorhabens und seiner Auswirkungen u.a. auf Luft und Klima, und zwar sowohl in regionaler als auch in überregionaler und globaler Hinsicht. Dementsprechend müsse auch der Flugverkehr aus dem Betrieb des Flughafens bei der gegenständlichen UVP berücksichtigt werden. Das BVwG habe § 17 Abs. 5 UVP‑G 2000 aber nicht angewandt und THG‑Emissionen aus dem Flugverkehr („Cruise‑Emissionen“) außer Betracht gelassen. Soweit es sich dabei auf das im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Juni 2017, E 875/2017 u.a., beziehe, entfalte dieses zwar grundsätzlich Bindungswirkung für das weitere Verfahren, es werde jedoch durch das Unionsrecht verdrängt, das nach Auffassung der Revision dazu verpflichte, im UVP‑Verfahren auch „Cruise‑Emissionen“ zu berücksichtigen. Die vom BVwG ebenfalls herangezogene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. August 2011, 2010/06/0002, wonach § 17 Abs. 5 UVP‑G 2000 nur Belastungen der Umwelt in dem „konkret von den Auswirkungen des Vorhabens betroffenem Gebiet“ umfassen solle, sei in der Lehre im Hinblick auf die Zielsetzung der UVP‑Richtlinie massiv kritisiert worden und könne schon deshalb nicht mehr als gesichert angesehen werden. Nach dem Urteil des EuGH vom 28. Februar 2008, C-2/07 , Abraham, sei es eindeutig geboten, die „Cruise‑Emissionen“, die gemäß internationaler Verpflichtung in Österreich zu inventarisieren seien, den „Auswirkungen des Projekts“ im Sinne des Art. 3 UVP‑Richtlinie zuzurechnen, und es sei verboten, THG‑Emissionen von der Gesamtbewertung nach § 17 Abs. 5 UVP‑G 2000 auszunehmen.

59 Die Revision 2 führt zu diesem Themenkomplex aus, das BVwG habe festgestellt, dass es durch den Bau und Betrieb der dritten Piste bei Berücksichtigung lediglich des „LTO‑Faktors“ mit 15,71% zu einer erheblichen Steigerung der THG‑Emissionen kommen werde. Diese THG‑Emissionen würden in erheblichem Ausmaß zu potenziell schwerwiegenden Umweltauswirkungen beitragen. Durch zusätzliche Auflagen ließe sich dies nur in geringem Ausmaß kompensieren. Dennoch unterlasse es das BVwG, die gebotene „Abweisung des Vorhabens“ gemäß § 17 Abs. 5 UVP‑G 2000 vorzunehmen. Dies erfolge offenbar unter dem Eindruck des VfGH‑Erkenntnisses im ersten Rechtsgang und in der irrigen Annahme, dass THG‑Emissionen generell nicht als Grundlage einer „Abweisung eines Vorhabens“ dienen könnten. Das BVwG übersehe dabei aber, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis den Klimaschutz als öffentliches Interesse (nur) im Sinne des LFG verneint, aber keine Aussage zu anderen Normen, etwa § 17 Abs. 5 UVP‑G 2000, getroffen habe. Klimaschutz möge zwar kein öffentliches Interesse nach dem LFG sein, aber sehr wohl nach dem UVP‑G 2000. Schon die zitierten Feststellungen des BVwG hätten daher zwingend zu einer „Abweisung des Vorhabens“ führen müssen.

60 Dem halten die mitbeteiligten Parteien in den Revisionsbeantwortungen ‑ auf das Wesentliche gekürzt ‑ entgegen, dass THG‑Emissionen der Luftfahrzeuge nur den Luftfahrtunternehmen, nicht aber den Flughäfen zuzurechnen seien, dass diesbezügliche Auswirkungen auf das Weltklima nicht in einem konkreten, ein einzelnes Vorhaben betreffenden Anlagengenehmigungsverfahren berücksichtigt werden könnten, und dass folgerichtig solche Auswirkungen weder von der UVP‑Richtlinie noch von § 17 Abs. 5 UVP‑G 2000 erfasst seien.

61 Die Revisionsbeantwortung der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht nimmt zu diesem Themenkomplex nicht Stellung.

62 Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Das BVwG hat den gegenständlichen Genehmigungsantrag mit Erkenntnis vom 2. Februar 2017, W109 2000179‑1/291E, im ersten Rechtsgang abgewiesen und sich dabei tragend darauf gestützt, dass nach dem im UVP‑Verfahren mitanzuwendenden § 68 Abs. 1 LFG zum Betrieb von Zivilflugplätzen eine Bewilligung erforderlich sei. Gemäß § 71 Abs. 1 LFG sei diese zu erteilen, wenn dem Vorhaben nicht „sonstige öffentliche Interessen“ entgegenstünden. Als derartige öffentliche Interessen identifizierte das BVwG im ersten Rechtsgang einerseits, dass es in Österreich zu keinem weiteren markanten Anstieg an THG‑Emissionen durch die Errichtung und Betrieb der dritten Piste kommen sollte, und andererseits, dass das Vorhaben eine erhebliche Bodeninanspruchnahme und damit den Verlust wertvollen Ackerlandes mit sich bringe.

63 Der Verfassungsgerichtshof hob diese Entscheidung mit Erkenntnis vom 29. Juni 2017, E 875/2017 u.a., auf. Er führte ‑ soweit es für das gegenständliche Verfahren von Bedeutung ist ‑ im Wesentlichen aus, das BVwG habe den „Klimaschutz“ und die „Bodeninanspruchnahme“ zu Unrecht als eigenständige öffentliche Interessen im Sinne des § 71 Abs. 1 LFG in die Interessenabwägung einbezogen. Das BVwG habe in seine Bewertung der festgestellten CO2 ‑Emissionen ‑ und damit gleichsam für die Feststellung der damit verbundenen Auswirkungen ‑ wesentlich eine Gesamtbetrachtung der Mitverantwortung der Republik Österreich für den globalen Klimaschutz einfließen lassen. Damit habe das Verwaltungsgericht aus der Nichterreichung von Klimazielen im Ergebnis (negative) Schlussfolgerungen für die Bewilligungsfähigkeit des vorliegenden Projektes gezogen, ohne dass der zuständige (Bundes‑)Gesetzgeber diesbezüglich gesetzliche Anordnungen getroffen hätte. Das BVwG habe so die Rechtslage grob verkannt und seine Entscheidung mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Vollzugsfehler belastet.

64 Nach § 87 Abs. 2 VfGG sind die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden in der betreffenden Rechtssache verpflichtet, unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes in einem aufhebenden Erkenntnis entsprechenden Rechtszustand mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln herzustellen.

65 Diese Bindung erstreckt sich auch auf solche Fragen, die der Verfassungsgerichtshof zwar nicht ausdrücklich behandelt hat, die aber eine notwendige Voraussetzung für den Inhalt seines aufhebenden Erkenntnisses darstellen. Bei Prüfung der vom Verwaltungsgericht erlassenen Ersatzentscheidung ist auch der Verwaltungsgerichtshof an die Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofes gebunden (vgl. etwa VwGH 18.2.2015, 2011/12/0180, und 6.7.2016, Ra 2016/01/0008).

66 Aufgrund dieser Bindungswirkung erachtete sich das BVwG verpflichtet, im fortgesetzten Verfahren entsprechend der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes vorzugehen. Die tragenden Gründe des aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Juni 2017, E 875/2017 u.a., entfalten grundsätzlich aber auch für das gegenständliche Revisionsverfahren Bindungswirkung. Dazu gehört die Rechtauffassung des Verfassungsgerichtshofes, dass weder der globale Klimaschutz noch die Bodeninanspruchnahme bei der Interessenabwägung im gegenständlichen UVP‑Genehmigungsverfahren Beachtung finden können, weil es dafür keine (bundes)gesetzliche Deckung gebe.

67 Wenn die Revision 1 damit argumentiert, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis auf die unionsrechtlichen Vorgaben zur UVP nicht eingegangen sei und sich aus dem einschlägigen Unionsrecht ein Anwendungsvorrang ergebe, der auch die Bindungswirkung des § 87 Abs. 2 VfGG außer Kraft setze, ist Folgendes zu erwägen:

68 Jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ des Mitgliedstaates ist verpflichtet, in Anwendung des in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die es den Einzelnen verleiht, zu schützen. Ist es nicht möglich, die volle Wirksamkeit des Unionsrechtes im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts sicherzustellen, so hat ein innerstaatliches Gericht für die volle Wirksamkeit dieser unionsrechtlichen Normen im Wege des Anwendungsvorrangs Sorge zu tragen, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt. Ausgehend davon trifft die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden insbesondere die Verpflichtung, im Anwendungsbereich des Unionsrechts die einschlägigen Rechtsvorschriften der Union zu identifizieren und deren Sinn auch anhand der Rechtsprechung der Gerichte der Europäischen Union, insbesondere des EuGH, der letztlich zur Auslegung der Rechtsvorschriften der Europäischen Union zuständig ist (vgl. Art. 267 AEUV), zu erfassen. Auf dieser Grundlage ist der Inhalt der österreichischen Rechtsvorschriften zu klären, die damit im Zusammenhang stehen. Dies betrifft insbesondere solche österreichischen Rechtsvorschriften, die unionsrechtliche Vorgaben umsetzen (vgl. etwa jüngst VwGH 10.10.2018, Ra 2017/03/0108, mwN).

69 Der EuGH hat schon ausgesprochen, dass dann, wenn die Beurteilung eines nationalen Gerichtes nicht dem Unionsrecht entspricht, ein anderes nationales Gericht, das nach dem innerstaatlichen Recht vorbehaltlos an die Auslegung des Unionsrechts durch das erstgenannte Gericht gebunden ist, nach dem Unionsrecht verpflichtet ist, aus eigener Entscheidungsbefugnis die innerstaatliche Rechtsvorschrift unangewendet zu lassen, die von ihm verlangt, sich an die vom erstgenannten Gericht herangezogene Auslegung des Unionsrechts zu halten (EuGH 7.6.2018, C‑589/16, Filippi, RNr. 35).

70 Ausgehend davon könnte es ‑ wie die Revision 1 im Ansatz zutreffend argumentiert ‑ geboten sein, die in § 87 Abs. 2 VfGG normierte Bindungswirkung wegen des Vorranges des Unionsrechts unangewendet zu lassen, wenn das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes bindende Vorgaben des Unionsrechts außer Acht gelassen hätte.

71 Den revisionswerbenden Parteien ist auch zuzugeben, dass nach Art. 3 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP‑Richtlinie) die UVP dazu dient, die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Projekts u.a. auf das Klima zu identifizieren, zu beschreiben und zu bewerten. Im Wesentlichen Gleiches sah bereits die davor bestehende Richtlinie des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85/337/EWG ) vor, die in ihrem Art. 3 u.a. das Klima als Schutzgut der UVP anführte.

72 Die Auswirkungen des Projekts auf das Klima zählen daher nach den unionsrechtlichen Vorgaben zu den relevanten Fragen der UVP, und zwar auch für das gegenständliche (bereits im März 2007 beantragte) Vorhaben. Mit der Novellierung der Richtlinie 2011/92/EU durch die Richtlinie 2014/52/EU , die aufgrund ihrer Übergangsbestimmungen für das vorliegende Verfahren noch nicht anwendbar ist, wurde die Bedeutung des Klimaschutzes noch verstärkt, indem ausdrücklich vom „Klimawandel“ gesprochen wird. Dadurch wird deutlich, dass das Schutzgut Klima umfassend zu begreifen ist und neben den Auswirkungen auf das lokale Klima (Mikroklima) auch alle Aspekte betreffend den Klimawandel (also der globalen Dimension) beinhaltet (vgl. insbesondere Erwägungsgrund 13, wonach es angezeigt sei, die Auswirkungen von Projekten auf das Klima [z.B. THG‑Emissionen] und ihre Anfälligkeit in Bezug auf den Klimawandel zu bewerten; in diesem Sinne auch EberhartingerTafill/Bösch, Handlungsbedarf im UVP‑G 2000 aufgrund der RL 2014/52/EU , RdU 2017, 50, und Merli, Ein seltsamer Fall von Willkür, WBl 2017, 685 Fn 20). Diese Klarstellung durch die Richtlinie 2014/52/EU bedeutet nicht, dass der Klimaschutz nach der UVP‑Richtlinie davor keine Bedeutung gehabt hätte bzw. nur auf den Schutz des Mikroklimas beschränkt gewesen wäre.

73 Nationales Recht, das mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben im Widerspruch steht, wäre (wie etwa das LFG) unionsrechtskonform auszulegen oder, falls das nicht möglich ist, wie erwähnt, unangewendet zu lassen.

74 Mit diesem (rechtlichen) Befund ist für das vorliegende Verfahren im Ergebnis aber nichts gewonnen:

Auch wenn im Rahmen der UVP die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens auf das Klima im soeben beschriebenen Sinne zu untersuchen sind, bleibt vorrangig die Frage zu klären, welche THG‑Emissionen einem Vorhaben zuzurechnen sind. Erst auf dieser Grundlage lässt sich beurteilen, ob und in welchem Umfang das Vorhaben aufgrund der ihm zurechenbaren Emissionen Auswirkungen auf das Klima haben wird.

75 Zweifellos zählen zu den beachtlichen THG‑Emissionen solche, die von den Anlagen des Flughafens selbst ausgehen. Sie sind im vorliegenden Fall aber nach den Ergebnissen des Verfahrens nicht so beschaffen, dass sie der Bewilligung des Vorhabens entgegenstünden, und zwar nicht zuletzt unter Bedachtnahme auf den Umstand, dass das BVwG in seinen ergänzten Auflagen ausdrücklich eine Reduktion der diesbezüglichen CO2 ‑Emissionsmengen vorgeschrieben hat (vgl. die Auflagen 7.20.20 und 7.20.21 im angefochtenen Erkenntnis). Die Revisionen behaupten auch gar nicht, dass insoweit eine Fehlbeurteilung durch das BVwG vorliegen würde.

76 Weiters ist festzuhalten, dass das BVwG Auswirkungen der THG‑Emissionen durch den Flugverkehr bei Inbetriebnahme der dritten Piste auf das Mikroklima im Einwirkungsbereich des Flughafens ausdrücklich verneint hat und sich diesbezüglich auf die eingeholten Gutachten stützen konnte (Erkenntnis S. 92: „Für die Planfälle 2020 und 2025 sind keine wesentlichen Änderungen der bodennahen metereologischen und klimatologischen Bedingungen zu erwarten“). Die Revisionen zeigen nicht auf, dass insoweit eine Fehlbeurteilung erfolgt wäre.

77 Der Fokus der Revisionen liegt auf den Auswirkungen von THG‑Emissionen des Flugverkehrs auf den Klimawandel. Dabei gehen die Revisionen von der Rechtsansicht aus, dem gegenständlichen Vorhaben seien auch THG‑Emissionen von Luftfahrzeugen während des Fluges zuzurechnen, wenn die Flugzeuge unter Benützung der dritten Piste starten und landen bzw. am Flughafen Wien inventarisiert seien.

78 Dieser Rechtsansicht vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen. Entgegen dem Rechtsstandpunkt der Revisionen gebietet das Unionsrecht eine solche Sichtweise nicht. Insbesondere lässt sich dies auch aus dem Urteil des EuGH vom 28. Februar 2008, C‑2/07, Abraham, nicht ableiten, in dem lediglich zum Ausdruck gebracht wurde, dass auch Änderungen der Infrastruktur eines vorhandenen Flughafens, die dazu bestimmt sind, die Aktivitäten des Flugplatzes und den Luftverkehr erheblich zu steigern, einer UVP zu unterziehen sind; eine rechtliche Anforderung, die im gegenständlichen Verfahren außer Frage steht.

79 Gegen die von den revisionswerbenden Parteien vertretene Rechtsauffassung spricht vor allem der Umstand, dass das Unionsrecht mit dem Emissionshandelssystem (vgl. Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Union) spezielle Regelungen zur Begrenzung von THG trifft, die auch den Luftverkehr erfassen und diesbezüglich die Luftfahrzeugbetreiber in die Pflicht nehmen.

80 In den Erwägungsgründen 14 und 15 der Richtlinie 2008/101/EG , mit der die Richtlinie 2003/87/EG geändert und der Luftverkehr in das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten einbezogen worden war, heißt es dazu wörtlich: „ (14) Ziel der Änderungen der Richtlinie 2003/87/EG durch diese Richtlinie ist es, die dem Luftverkehr zurechenbaren Klimaauswirkungen durch Einbeziehung der Emissionen aus dem Luftverkehr in das Gemeinschaftssystem zu verringern. (15) Da die Luftfahrzeugbetreiber am ehesten einen direkten Einfluss darauf haben, welche Flugzeugmuster auf welche Weise betrieben werden, sollten sie für die Einhaltung der Verpflichtungen dieser Richtlinie verantwortlich sein. ...“

81 In der Lehre wurde dagegen eingewandt, der EU‑Emissionshandel sei keineswegs exklusiv im klimapolitischen Steuerungszugriff. Es sei dadurch rechtlich und klimapolitisch nicht ausgeschlossen, dass die Auswirkungen des Baus einer Landepiste auch mit Blick auf klimapolitische Auswirkungen betrachtet würden und die durch den Bau einer Anlage induzierten zusätzlichen THG‑Emissionen im Rahmen einer Abwägung der Interessen Berücksichtigung fänden (Kirchengast/Madner/SchulevSteindl/Steininger/Hollaus/Karl, Anmerkungen zu „Flughafen Wien: Untersagung der dritten Piste durch das BVwG, RdU 2017, 129). Der EU‑Emissionshandel sei (bisher) nicht umfassend und abschließend angelegt, sondern eben nur eine Maßnahme von vielen (Kerschner, VfGH 3. Piste und juristische Methode: Verfassungskonforme Auslegung verfassungswidrig, RdU 2017, 194).

82 Dem ist zu erwidern, dass das EU‑Emissionshandelssystem eine eindeutige Zuordnung von THG‑Emissionen des Luftverkehrs zu den Luftfahrzeugbetreibern vornimmt, wobei davon ausgegangen wird, dass dadurch eine für die Bekämpfung des Klimawandels entscheidende Reduktion von THG‑Emissionen im Luftverkehr erzielbar ist.

83 Der Verwaltungsgerichtshof übersieht die Schwächen des EU‑Emissionshandelssystems in der Praxis nicht. So wurden etwa mit Verordnung (EU) 2017/2392 des Europäischen Parlaments und Rates vom 13. Dezember 2017 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zur Aufrechterhaltung der derzeitigen Einschränkung ihrer Anwendung auf Luftverkehrstätigkeiten und zur Vorbereitung der Umsetzung eines globalen marktbasierten Mechanismus ab 2021 Ausnahmen von den Verpflichtungen des EU‑Emissionshandelssystems für Flüge von und nach Drittländern bis 31. Dezember 2023 vorgesehen, wobei gleichzeitig ein globaler marktbasierter Mechanismus zwecks Ausgleich der Emissionen aus dem internationalen Luftverkehr in Aussicht genommen wurde. Dies, obwohl der EuGH die Zuständigkeit der Europäischen Union für die Erlassung solcher Regelungen für alle Flüge von oder zu Flugplätzen in der Union ‑ also auch solche von und nach Drittländern ‑ in seinem Urteil vom 21. Dezember 2011, C‑366/10, Air Transport Association of America u.a, ausdrücklich bejaht hatte.

84 Nichts desto trotz handelt es sich bei dem EU‑Emissionshandelssystem um ein bestehendes Regelwerk der Europäischen Union, das im Zusammenhang mit dem Klimawandel die THG‑Emissionen aus dem Luftverkehr grundsätzlich den Luftfahrzeugbetreibern zuordnet, nicht aber den Betreibern von Flughäfen.

85 Es greift auch zu kurz, einem Flughafen unter Hinweis auf den fortschreitenden Klimawandel die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer (zusätzlichen) Start‑ und Landebahn zu versagen, wenn die THG‑Emissionen im Flugverkehr insgesamt unverändert bleiben. Die zitierten unionsrechtlichen Regelungen zum EU‑Emissionshandel haben dies ‑ wie zuvor dargestellt ‑ aufgegriffen und setzen dementsprechend auf eine Reduzierung der THG‑Emissionen durch die Luftfahrzeugbetreiber.

86 Ausgehend davon teilt der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsansicht der Revision 1 nicht, wonach das Unionsrecht eine Untersagung des gegenständlichen Vorhabens aus Gründen des Klimaschutzes gebieten würde. Angesichts der zuvor dargestellten, aus dem Unionsrecht ohne Weiteres ableitbaren Überlegungen wird auch die Anregung der Revisionen, den EuGH mit einem diesbezüglichen Vorabentscheidungsersuchen zu befassen, nicht aufgegriffen.

87 Soweit die Revision 1 den „Bodenverbrauch“ durch Errichtung der dritten Piste als weiteres relevantes Kriterium nach der UVP‑Richtlinie anspricht, ist lediglich anzumerken, dass sie mit ihren diesbezüglichen Ausführungen nicht einmal ansatzweise aufzeigt, dass ‑ selbst bei Außerachtlassung der Bindungswirkung nach § 87 VfGG ‑ allein deshalb ein anderes Abwägungsergebnis in Bezug auf alle relevanten für und gegen das Vorhaben sprechenden Interessen zu erzielen gewesen wäre.

5. Zu den weiteren Revisionsgründen

88 Die Revision 1 wendet sich im Übrigen gegen die Beurteilung des BVwG zu den Fragen des niederfrequenten Schalls, der Bereiche Umweltmedizin/Umwelthygiene und der Feinstaubbelastung. Sie beanstandet, dass ihrer Ansicht eine Aufschlüsselung des Energiebedarfs nach Energieträgern fehle, und sie macht, wie auch die Revision 2, geltend, dass die gegenständliche UVP auf den Altbestand des Flughafens, der keiner UVP unterzogen worden sei, nicht hinreichend Bedacht genommen habe. Ferner wiederholen die Revisionen ihr Vorbringen im Verfahren, wonach kein Bedarf an der dritten Piste bestehe. Die Revision 2 zieht überdies die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens in Zweifel, behauptet, dass das BVwG das „Seveso‑Regime“ (gemeint die Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen; Seveso III‑Richtlinie) außer Acht gelassen habe, und sie rügt, dass sich das BVwG zu Unrecht nicht mit ihrem Einwand auseinander gesetzt habe, wonach der Genehmigungsantrag unvollständig sei, weil ein Finanzierungsplan fehle und ausreichende finanzielle Mittel nicht nachgewiesen worden seien. Schließlich werden Verfahrensmängel (Unzuständigkeit des BVwG aufgrund der Verletzung des Grundsatzes der festen Geschäftsverteilung, Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens zu den Themen Klima, Luftschadstoffe und Umwelthygiene/Umweltmedizin) behauptet.

89 Zu diesen Revisionsgründen ist festzuhalten, dass sich das BVwG mit den diesbezüglichen Einwänden im Verfahren umfassend auseinander gesetzt hat. Es hat den Bedarf nach der dritten Piste insbesondere unter Bezugnahme auf die gutachterlichen Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen DI W bejaht (Erkenntnis S. 69 bis 75), hat die Belastung durch niederfrequenten Schall aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. S verneint (Erkenntnis S. 89), die Zunahme an Feinstaubbelastung als im Bereich der Irrelevanzschwelle gelegen angesehen und eine Gesundheitsgefährdung durch Feinstaub ‑ folgend dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Univ. Prof. Dr. N ‑ explizit nicht angenommen (Erkenntnis S. 96 und 106f). Diesbezüglich vermögen die Revisionen nicht aufzuzeigen, dass die Beweiswürdigung des BVwG, die zu diesen Feststellungen geführt hat, unschlüssig gewesen wäre.

90 Zum Einwand der Revision 1, es habe im Verfahren eine Aufschlüsselung des Energiebedarfs nach Energieträgern gefehlt, führen die mitbeteiligten Parteien in der Revisionsbeantwortung zu Recht aus, dass die Umweltverträglichkeitserklärung eine solche Aufschlüsselung ohnedies enthielt (vgl. UVW 01.100 rev02 2008‑03‑25, Kap. 1.3.5.). Mit den Ausführungen auf Seite 167 des Erkenntnisses brachte das BVwG demgegenüber lediglich ‑ richtig ‑ zum Ausdruck, dass ein Klima- und Energiekonzept nach § 6 Abs. 1 lit. e UVP‑G (eine Vorschrift, die erst mit der Novelle BGBl. I Nr. 87/2009 in das UVP‑G 2000 eingefügt worden ist) aufgrund der Übergangsbestimmung des § 46 Abs. 20 Z 1 UVP‑G 2000 für das gegenständliche Vorhaben nicht anwendbar ist.

91 In Bezug auf den von der Revision 1 problematisierten Altbestand des Flughafens, der keiner UVP unterzogen worden sei, führte das BVwG zutreffend aus, dass der Antrag im vorliegenden Verfahren nur darauf gerichtet gewesen sei, eine UVP‑Genehmigung für das gegenständliche Vorhaben zu erreichen. Dadurch sei der Antragsgegenstand festgelegt worden. Bei der Beurteilung der Umweltauswirkungen des gegenständlichen Vorhabens sei hingegen auch die Einbeziehung des Altbestandes erforderlich gewesen, was tatsächlich auch geschehen sei (Erkenntnis S. 62). Gegenteiliges zeigt die Revision 1 nicht konkret auf. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich insofern auch nicht veranlasst, der Anregung der Revision 1 auf Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH zu folgen, ob das Unionsrecht „einer nationalen Regelung entgegen[stehe], wonach bei einer UVP über die Erweiterung eines Flugplatzes der Altbestand als Beurteilungsgrundlage herangezogen wurde, für den trotz Bestehens einer UVP‑Pflicht keine derartige Prüfung durchgeführt wurde, und dessen Umweltverträglichkeit der trotz entsprechenden Antrags im Rahmen der UVP über die Erweiterung des Flugplatzes nicht geprüft wurde“, zumal die Revision 1 zur Begründung im Wesentlichen nur ins Treffen führt, es liege „keine fallbezogene Rsp des EuGH“ vor.

92 Soweit die Revision 2 eine Vorabentscheidung des EuGH zu der Rechtsfrage anstrebt, ob zusätzlich zu dem UVP‑Verfahren auch das „Seveso‑Verfahren“ durchzuführen wäre, vermag sie nicht darzulegen, dass diese Rechtsfrage für die Behandlung und Lösung des Revisionsfalles (in dem es nur um die Entscheidung im UVP‑Verfahren geht) von Bedeutung ist. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt daher auch insoweit von einem Vorabentscheidungsersuchen Abstand.

93 Die revisionswerbenden Parteien der Revision 2 machen überdies geltend, dass sich das BVwG mit ihrem Einwand, es fehle im gegenständlichen Verfahren der nach § 69 Abs. 1 lit. g LFG gebotene Finanzierungsplan, zu Unrecht nicht auseinander gesetzt habe.

94 Das BVwG hatte zu diesem Einwand festgehalten, er sei verspätet erhoben worden, weil dieses Vorbringen im Beschwerdeverfahren erstmals mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2017 erstattet worden sei. Gemäß § 27 VwGVG habe das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aber auf Grund der Beschwerde zu überprüfen. Eine Ausweitung des Anfechtungsumfangs und auch der geltend gemachten Themenbereiche nach Ende der vierwöchigen Beschwerdefrist, wie dies mit dem vorliegenden Einwand stattgefunden habe, sei unzulässig.

95 Ohne auf das Vorbringen der mitbeteiligten Parteien in der Revisionsbeantwortung, es liege dem Vorhaben ohnedies ein Finanzierungsplan zugrunde, näher einzugehen, hält der Verwaltungsgerichtshof fest, dass die rechtlichen Erwägungen des BVwG, aufgrund derer es eine Auseinandersetzung mit dem Einwand der revisionswerbenden Bürgerlisten betreffend den Finanzierungsplan unterließ, einer Überprüfung nicht standhalten.

96 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits klargestellt, dass § 27 VwGVG den Prüfumfang durch das Verwaltungsgericht nicht ausschließlich an das Vorbringen in der Beschwerde bindet. Das Verwaltungsgericht ist im Rahmen der der jeweiligen beschwerdeführenden Partei zukommenden subjektiv‑öffentlichen Rechte befugt, nachzuprüfen, ob überhaupt die Voraussetzungen für die Erteilung einer Berechtigung vorliegen. Damit verbietet sich eine Auslegung des § 27 VwGVG dahingehend, dass bezüglich einer nicht trennbaren Sache die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichts lediglich auf einen Teil dieser Sache einschränkt wäre (vgl. etwa VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066; 9.9.2015, Ro 2015/03/0032; 28.04.2016, Ra 2015/07/0057, u.a.).

97 Allerdings ist dadurch für die revisionswerbenden Bürgerlisten im Ergebnis nichts gewonnen. Ihnen steht zwar offen, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften als subjektives Recht im Verfahren wahrzunehmen; dies vor dem Hintergrund, dass der Begriff „Umweltschutzvorschriften“ grundsätzlich weit zu verstehen und nicht auf Normbereiche einzuschränken ist, die in unmittelbarem Bezug zum Schutz der Umwelt stehen. Vielmehr umfasst der Begriff der „Umweltschutzvorschrift“ jene Rechtsvorschriften, die direkt oder indirekt dem Schutz des Menschen und der Umwelt vor schädlichen Aus‑ oder Einwirkungen dienen (vgl. etwa VwGH 17.11.2015, Ra 2015/03/0058, mwN). Bei dem geltend gemachten Einwand, es fehle der in § 69 Abs. 1 lit. g LFG für die Genehmigung eines Zivilflugplatzes erforderliche Finanzierungsplan, ist ein ausreichender Bezug zum Schutz der Umwelt aber nicht zu erkennen. Sie können sich daher aus der unterbliebenen Befassung des BVwG mit ihrem diesbezüglichen Einwand nicht als beschwert erachten.

98 Die Revision 2 macht außerdem die Befangenheit des erkennenden Senates geltend und leitet eine solche daraus ab, dass das gesamte Verfahren von massiven Werbe‑ und Pressekampagnen der Erstmitbeteiligten, von Druckausübung seitens der Regierung und Interessenvertretungen, versuchter Anlassgesetzgebung und Angriffen auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit bis hin zur Diskreditierung der Richter überschattet gewesen sei. Es sei daher zumindest wahrscheinlich, dass die Mitglieder des erkennenden Senats des BVwG im zweiten Rechtsgang befangen gewesen seien und sich ihres Amtes hätten enthalten müssen.

99 Dazu hält der Verwaltungsgerichtshof zunächst fest, dass sich Mitglieder des Verwaltungsgerichts nach den §§ 6 und 17 VwGVG iVm § 7 Abs. 1 Z 3 AVG als befangen zu erklären und ihres Amtes zu enthalten haben, wenn (sonstige) wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unabhängigkeit in Zweifel zu ziehen. Es genügt, dass eine Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss ‑ auch wenn der Entscheidungsträger tatsächlich unbefangen sein sollte ‑ oder dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte. Für die Beurteilung, ob eine Befangenheit in diesem Sinne vorliegt, ist maßgebend, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller konkreten Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Organwalters zu zweifeln (vgl. etwa VwGH 18.02.2015, Ra 2014/03/0057, mwN).

100 Fallbezogen ist der Revision 2 zwar darin Recht zu geben, dass einzelne Reaktionen auf das Erkenntnis des BVwG im ersten Rechtsgang, mit dem eine UVP‑Genehmigung versagt worden ist, die Grenzen legitimer Kritik an gerichtlichen Entscheidungen und den entscheidenden Richtern überschritten haben. Allerdings vermag dieser Umstand für sich betrachtet noch keine Befangenheit der Richter im zweiten Rechtsgang zu begründen, läge es doch sonst in der Hand der Kritiker, durch eine solcherart unsachliche Kritik Richter vom weiteren Verfahren ausschließen zu können. Auch die von der Revision 2 angesprochene Werbung der Erstmitbeteiligten für das von ihr angestrebte Vorhaben, die öffentlich bekundete Unterstützung des Projekts durch zahlreiche Politiker und Interessensvertreter oder die Änderung von Gesetzen hat nicht zur Folge, dass die erkennenden Richter im UVP‑Verfahren keine objektive Entscheidung mehr treffen könnten. Von Richtern ist nämlich auch in solchen Situationen zu erwarten, dass sie sich dem Verfahrensgegenstand sachlich, objektiv und unparteilich nähern. Um eine Befangenheit der Richter anzunehmen, bedürfte es daher weiterer Hinweise dafür, dass sie an einer Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben durch unsachliche psychologische Motive gehindert sind. Das vermag die Revision 2 aber nicht darzustellen und es sind solche Motive auch nicht zu erkennen.

101 Soweit die Revision 1 schließlich die Unzuständigkeit des BVwG infolge eines behaupteten Verstoßes gegen die Geschäftsverteilung geltend macht, bleiben ihre diesbezüglichen Ausführungen undeutlich und spekulativ. Sie finden auch in den Verfahrensakten keine Deckung.

III. Ergebnis:

102 Die Revisionen 1 und 2 waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

103 Die Revisionsbeantwortungen des W P, dessen Beschwerde vom BVwG mangels Parteistellung unangefochten zurückgewiesen worden ist (vgl. Spruchpunkt A des angefochtenen Erkenntnisses) waren (schon deshalb) zurückzuweisen, weil ihm gemäß § 21 VwGG für das gegenständliche Revisionsverfahren keine Parteistellung zukommt.

104 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 6. März 2019

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