VwGH Ra 2017/06/0248

VwGHRa 2017/06/02481.8.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag.a Merl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, über die Revision 1. der H P und 2. des R P beide in V und vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schillerstraße 17, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 28. September 2017, LVwG- 318-26/2016-R15, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevertretung der Gemeinde Vandans; mitbeteiligte Parteien: 1. G W, 2. M W, beide in V, 3. Dr. W B in V, 4. A J, 5. B H, beide in V; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §37
AVG §45 Abs3
AVG §66 Abs4
AVG §8
BauG Vlbg 2001 §25 Abs2
BauG Vlbg 2001 §26 Abs1
BauRallg
VwGVG 2014 §17

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017060248.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg (LVwG) wurde der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen den im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde V. vom 27. Juli 2016, mit welchem den mitbeteiligten Parteien die nachträgliche Baubewilligung von Planabweichungen für ein mit näher genannten Bescheiden bewilligtes Mehrfamilienwohnhaus mit Arztpraxis auf einem näher bezeichneten Grundstück gemäß § 28 Abs. 2 und § 29 Baugesetz (BauG), LGBl. Nr. 52/2001, in der Fassung LGBl. Nr. 54/2015, erteilt worden war, keine Folge gegeben und der Bescheid mit einer Maßgabe hinsichtlich des festgestellten Sachverhaltes und der im Beschwerdeverfahren vorgelegten und einen Bestandteil der Entscheidung bildenden Panunterlagen bestätigt. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

5 Zur Begründung führte das LVwG - soweit für das vorliegende Verfahren von Relevanz - aus, die revisionswerbenden Parteien hätten, soweit sie subjektiv-öffentliche Rechte im Sinne des § 26 Abs. 1 BauG geltend gemacht hätten, diese mit Erhebung der Berufung jedenfalls rechtzeitig erstattet. Da keine mündliche Bauverhandlung stattgefunden habe, habe eine Präklusion der revisionswerbenden Parteien nicht eintreten können. Entgegen dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien sei die Baubehörde zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht verpflichtet gewesen (wird näher ausgeführt). Allfällige Verfahrensmängel im Bauverfahren seien jedenfalls durch ein mängelfreies Verfahren vor dem LVwG, das eine mündliche Verhandlung durchgeführt habe, in der die revisionswerbenden Parteien die Möglichkeit gehabt hätten, zum Bauvorhaben generell sowie zu sämtlichen Verfahrensergebnissen Stellung zu nehmen, saniert worden.

6 Zur Berechnung der Abstandflächen hinsichtlich der Dachgaube führte das LVwG nach Wiedergabe des § 5 Abs. 3 BauG und des Motivenberichts zur Regierungsvorlage zum BauG in der Stammfassung sowie von Rechtsprechung zur Frage, ob Dachgauben als untergeordnete Bauteile anzusehen seien (Hinweis auf VwGH 23.10.1991, 90/06/0166, und 16.10.1997, 96/06/0205), aus, im vorliegenden Fall habe die als Spitzgaube ausgeführte Dachgaube an ihrem Fuß eine Breite von 2,59 m, wobei sich die Breite nach oben hin bis auf 0,0 m verringere, und eine Höhe von 1,58 m. Die Breite des gesamten Gebäudes (Haupt- und Nebengebäude) betrage 21,17 m, die Breite des Hauptgebäudes 10,5 m. Prozentuell gesehen mache die Breite der Gaube an ihrer breitesten Stelle am Fuß 12,2 % der Gesamtgebäudebreite bzw. 24,66 % der Hauptgebäudebreite aus. Berücksichtige man, dass es sich um eine Spitzgaube handle, die sich nach oben hin auf 0,0 m verenge, könne - auch im Hinblick auf die zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Dachgauben -

im vorliegenden Fall von einem untergeordneten Bauteil gesprochen werden, der im Sinne des § 5 Abs. 3 BauG bei der Berechnung des Schattenpunktes nicht zu berücksichtigen sei. Bei der Ermittlung der Abstandflächen sei die Dachgaube als untergeordneter Bauteil im Sinne des § 5 Abs. 5 lit. c BauG daher nicht zu berücksichtigen. Damit kämen auch die Anstandsflächen des gegenständlichen Bauvorhabens zur Gänze auf dem Baugrundstück zu liegen.

7 Die revisionswerbenden Parteien machen für die Zulässigkeit der Revision als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zunächst geltend, dass die Abwicklung des Bauverfahrens erster Instanz ohne Beiziehung der Grundstücksnachbarn ein derart massiver Eingriff in subjektive Parteienrechte sei, dass eine Sanierung erst im Zuge des Rechtsmittelverfahrens keinesfalls hinreichend sei, um im Falle widerstreitender Parteieninteressen und -anträgen Chancengleichheit sowie ein gesetzmäßiges Verfahren zu gewährleisten.

8 Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa VwGH 29.3.2017, Ra 2017/05/0024, und VwGH 26.11.2015, Ra 2015/07/0144, jeweils mwN) sind Mängel eines erstinstanzlichen Verfahrens im Allgemeinen im Berufungsverfahren sanierbar; ebenso können allfällige Mängel des Berufungsverfahrens durch ein mängelfreies Verfahren vor dem Verwaltungsgericht saniert werden. Eine Mangelhaftigkeit des Beschwerdeverfahrens vor dem LVwG wird von der Revision in der Zulässigkeitsbegründung nicht behauptet. Anzumerken ist, dass im baubehördlichen Bewilligungsverfahren keinesfalls zwingend eine mündliche Verhandlung durchzuführen ist (vgl. § 25 Abs. 2 BauG). 9 Die revisionswerbenden Parteien machen als wesentlichen Verfahrensmangel weiters geltend, sie hätten die Überschreitung der Baunutzungszahl durch das Bauvorhaben zwar releviert, das LVwG habe sich mit diesem Vorbringen jedoch nicht auseinandergesetzt. Dem ist zu entgegnen, dass bezüglich der Einhaltung der Baunutzungszahl dem Nachbarn mangels Aufzählung im Katalog des § 26 Abs. 1 BauG kein Mitspracherecht zukommt (vgl. VwGH 15.4.2010, 2006/06/0152, mwN).

10 Letztlich machen die revisionswerbenden Parteien eine unzutreffende Beurteilung der Abstandsflächen geltend, insbesondere im Zusammenhang mit der Dachgaube, deren Abstandsfläche auf das Nachbargrundstück rage:

Nach den von den revisionswerbenden Parteien nicht in Abrede gestellten Feststellungen des LVwG verringert sich die verfahrensgegenständliche Spitzgaube von einer Breite am Fuß von 2,59 m bis zur Höhe von 1,58 m auf 0,0 m. Ihr prozentueller Anteil an der Gesamtgebäudebreite bzw. Hauptgebäudebreite beträgt, bezogen auf die breiteste Stelle am Fuß der Spitzgaube, 12,2 % bzw. 24,66 %. Angesichts dessen kann die im Einzelfall getroffene Entscheidung des LVwG nicht als unvertretbar angesehen werden. 11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 1. August 2019

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