VwGH Ra 2017/04/0013

VwGHRa 2017/04/001326.6.2019



Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, in der Revisionssache 1. der C B,

2. der V B, 3. des M B, 4. der M E, 5. des W E, alle in T, 6. der

B L in H, 7. der C L und 8. des K L, beide in V, alle vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Mag. Dr. Michael Pichlmair und Ing. MMag. Michael A. Gütlbauer, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 27, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 8. November 2016, Zl. LVwG-850355/65/Bm/AK-850362/2, betreffend Errichtung einer gewerblichen Betriebsanlage (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Linz-Land; mitbeteiligte Partei: R Gesellschaft m.b.H. in H, vertreten durch Rechtsanwälte Grassner, Lenz, Thewanger & Partner in 4020 Linz, Südtirolerstraße 4-6), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §13 Abs8
AVG §42
AVG §52
AVG §59 Abs1
AVG §8
GewO 1994 §74 Abs2 Z1
GewO 1994 §74 Abs2 Z2
GewO 1994 §75 Abs2
GewO 1994 §75 Abs3
GewO 1994 §77
GewO 1994 §77 Abs2
VwGVG 2014 §28
VwGVG 2014 §31

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017040013.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbenden Parteien haben der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 1.1. Mit Eingabe vom 2. April 2010 suchte die mitbeteiligte Partei um gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines LKW-, PKW- und Zugmaschinenabstellplatzes an einem näher bezeichneten Standort in H an.

2 Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (im Folgenden: belangte Behörde) führte über diesen Antrag am 15. Juni 2010 eine mündliche Verhandlung durch. Mit Eingabe vom 3. Jänner 2011 änderte die mitbeteiligte Partei ihren Antrag hinsichtlich der geplanten Betriebszeiten ab, wobei auch eine ursprünglich projektierte Lärmschutzwand entfiel. Mit Eingaben vom 27. Oktober 2011 und 11. Jänner 2012 erfolgten Einschränkungen des Antrages. 3 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. April 2014 wurde der Antrag der mitbeteiligten Partei abgewiesen.

4 1.2. Mit dem (unbekämpft gebliebenem) Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) vom 23. Juli 2014 wurde der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde Folge gegeben, der Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

5 Dies wurde damit begründet, dass das von der Behörde eingeholte medizinische Gutachten weder auf die Häufigkeit der durch das Vorhaben verursachten Pegelspitzen noch die möglichen Auswirkungen der Veränderung der Lärm-Ist-Situation eingegangen sei. Die Frage der Zumutbarkeit einer Belästigung sei eine Rechtsfrage, die anhand des maßgeblichen (auf der Grundlage von Gutachten zu ermittelnden) Sachverhaltes zu lösen sei. Die Behörde könne sich erst nach Vorliegen eines medizinischen Gutachtens, das die erforderlichen Feststellungen enthalte, mit der Frage der Zumutbarkeit der Belästigungen auseinandersetzen.

6 1.3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. Mai 2015 wurde die beantragte Genehmigung nach Maßgabe der im Spruch wiedergegebenen Betriebsbeschreibung und unter Vorschreibung diverser Auflagen erteilt.

7 2.1. Das Verwaltungsgericht gab den dagegen erhobenen Beschwerden der erst- bis sechstrevisionswerbenden Parteien mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 8. November 2016 insofern Folge, als die im Bescheidspruch wiedergegebene Betriebsbeschreibung sowie ein Auflagenpunkt modifiziert wurden. Im darüber hinausgehenden Umfang wies das Verwaltungsgericht diese Beschwerden ab (Spruchpunkt I.). Die Beschwerden der siebt- und achtrevisionswerbenden Parteien wurden als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig (Spruchpunkt III.).

8 2.2. Begründend führte das Verwaltungsgericht unter anderem aus, dass ein Eigentümer den seine Person betreffenden Nachbarschutz nur unter Berufung auf Sachverhaltsumstände geltend machen könne, die eine Gefährdung oder Belästigung in Hinblick auf einen, allenfalls auch nur vorübergehenden Aufenthalt möglich erscheinen ließen. Ein solcher Aufenthalt sei von den siebt- und achtrevisionswerbenden Parteien nicht vorgebracht worden. Soweit ferner der Siebtrevisionswerber erstmals vor dem Verwaltungsgericht eine Gefährdung seines Eigentums vorbringe, sei er präkludiert. Abgesehen davon werde weder die Substanz des Eigentums vernichtet noch eine Sachnutzung der Betriebswohnung gänzlich ausgeschlossen. Die Beschwerden seien daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

9 Hinsichtlich der Beschwerden der übrigen revisionswerbenden Parteien hielt das Verwaltungsgericht zunächst fest, dass sich das gegenständliche Vorhaben in der Nähe eines Flughafens befinde. Beim dadurch bedingten Fluglärm könne nicht von Lärmereignissen gesprochen werden, die als "Besonderheit" empfunden würden. So hätte es etwa im Jahr 2015 über 45.000 Flugbewegungen gegeben. Der Fluglärm trete zwar unregelmäßig auf und sei daher einer gesonderten Beurteilung zu unterziehen. Diesem Erfordernis werde aber die ÖAL-Richtlinie Nr. 3, die als aktueller Stand der Technik anzusehen sei, gerecht. Sie führe eine besondere Vorgehensweise hinsichtlich der Quellen, die durch wenige Ereignisse einen hohen Dauerschallpegel bewirkten - so etwa Überflüge -, an. Betrage die Erhöhung der örtlichen Schallsituation durch den Fluglärm mehr als 5 dB, werde die Bestandslärmsituation Lr,o aus dem Schallpegel ohne Fluglärm plus 5 dB gebildet. Dadurch werde ein ausreichender Immissionsschutz in den Ruhephasen des Flugverkehrs erreicht. Betrage der Einfluss des Fluglärms weniger als 5 dB, so werde die tatsächlich gemessene örtliche Schallsituation berücksichtigt. Für die Beurteilung des Fluglärms habe man folglich nicht die tatsächlich ungünstigste Bestandslärmsituation herangezogen. Vielmehr sei nach den dargestellten Kriterien vorgegangen worden. 10 In Bezug auf die erst- bis fünftrevisionswerbenden Parteien sei die örtliche Schallsituation auf Basis von Messergebnissen aus dem Jahr 2009 (erster Verfahrensgang) sowie dem Jahr 2015 (zweiter Verfahrensgang) als Vergleichsmesspunkt unter Einbeziehung einer rechnerischen Korrektur zur Darstellung der derzeitigen Schallsituation ausgewiesen worden. Entgegen dem Vorbringen im Verfahren sei sehr wohl konkret auf die Liegenschaften der erst- bis fünftrevisionswerbenden Parteien eingegangen worden. Die Gegenüberstellung der - jeweils im Erkenntnis wiedergegebenen - örtlichen Schallsituation und der betriebsbedingten Schallpegel zeige, dass zu jeder Zeit die örtliche Situation den betrieblichen Schallpegel um 11 dB übersteige. Die Bestandslärmsituation verändere sich daher nicht. 11 Der medizinische Amtssachverständige habe einen Ortsaugenschein mit subjektiver Hörprobe vorgenommen. Die Beurteilungswerte der Gesundheitsgefährdung würden hinsichtlich der Ist-Situation und der veränderten Gesamtsituation unterschritten. Die projektspezifischen Immissionen lägen hinsichtlich Höhe und Charakteristik im Schwankungsbereich der Ist-Situation, sodass eine Veränderung, die gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehe, nicht ableitbar sei. Es würden zwar Belästigungsreaktionen auftreten können. Die Situation lasse aber keine über ein subjektives Maß hinausgehenden somatischen Reaktionen und Gesundheitsgefährdungen für die Nachbarn erwarten. Aus der gutachterlichen Beurteilung gehe hervor, dass sich durch den Betrieb nachteilige gesundheitliche Auswirkungen im Sinn erheblicher Auswirkungen nicht ergäben.

12 Die Belästigungsreaktionen seien vom Sachverständigen anhand der konkreten Lärmsituation unter Heranziehung wirkungsbezogener Werte ermittelt worden. Die im Gutachten dargestellten Widmungskategorien und die für diese Kategorien festgesetzten Richtwerte für die zulässige Lärmbelästigung ("Widmungsmaße") habe der Sachverständige aber lediglich als "Vergleichsmaßstab" angeführt, um zu verdeutlichen, bei welchen Werten jedenfalls eine Lärmbelästigung vermieden werde. Die vorliegenden wirkungsbezogenen Werte differenzierten allerdings nur zwischen Tag und Nacht. Es sei daher auf die Widmungskategorie einer näher bezeichneten ÖNORM Bezug genommen worden, weil diese auch einen Wert für die Abendzeit angebe.

13 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

14 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück-, in eventu Abweisung der Revision beantragt.

15 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer

außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 16 5.1. In der vorliegenden Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit in Bezug auf die erst- bis fünftrevisionswerbenden Par teien ausgeführt, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach Messungen von Lärmimmissionen - auch durch den Umgebungslärm - Vorrang vor lärmtechnischen Berechnungen hätten.

17 5.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Durchführung von Messungen - soweit diese möglich sind - grundsätzlich der Vorrang vor lärmtechnischen Berechnungen einzuräumen. "Grundsätzlich" bedeutet, dass diese Verpflichtung nicht allgemein besteht, sobald eine Messung (technisch) möglich ist, allerdings kann nur in Ausnahmefällen davon abgesehen werden. Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist auf sachverständiger Grundlage fallbezogen in schlüssiger Weise darzulegen (vgl. VwGH 18.5.2016,

Ra 2015/04/0053; 29.1.2018, Ra 2017/04/0026, mwN).

18 Als Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob eine unzumutbare Belästigung der Nachbarn vorliegt, sind die konkret gegebenen tatsächlichen örtlichen Verhältnisse maßgeblich, sodass es präziser, auf sachverständiger Grundlage zu treffender Feststellungen über die Immissionssituation vor Inbetriebnahme des zu genehmigenden Projekts bedarf, der die auf Grund des zu genehmigenden Projekts zu erwartenden Immissionen gegenüber zu stellen sind. Folglich hat die Behörde zunächst - grundsätzlich auf Basis von lärmtechnischen Messungen - jenen Immissionsstand festzustellen, der den tatsächlichen örtlichen Verhältnissen - noch ohne Einbeziehung des zu beurteilenden neuen Vorhabens - entspricht (vgl. erneut VwGH Ra 2017/04/0026, mwN). 19 Der Verwaltungsgerichtshof anerkennt in seiner Rechtsprechung, dass es nicht von vornherein erforderlich ist, an jedem möglichen Immissionspunkt eine entsprechende Messung durchzuführen. Es ist ausreichend, dass nach dem maßgeblichen Stand der Technik für die Lärmbeurteilung und den Immissionsschutz die relevanten repräsentativen Immissionspunkte identifiziert werden, dort gemessen und dann auf der Grundlage dieser Messungen mittels geeigneter Berechnungen die Lärmbeurteilung durchgeführt wird (vgl. zu einem Schienenbauvorhaben VwGH 9.9.2015, 2013/03/0120 - 0121).

20 Auch im Erkenntnis VwGH 9.9.1998, 98/04/0090, hat der Verwaltungsgerichtshof - bezogen auf den konkreten Sachverhalt - zum Ausdruck gebracht, dass es keinen Bedenken begegne, wenn in einem Gutachten lediglich vor einem Wohnhaus die Umgebungsgeräuschsituation gemessen, im Übrigen aber der Beurteilungspegel der zu erwartenden Betriebsgeräusche an den weiteren Immissionspunkten im Wege der Berechnung ermittelt wird (vgl. auch Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO3 (2011) § 77 Rz. 38). 21 5.2. Im vorliegenden Fall wurde im ersten Verfahrensgang eine Messung der örtlichen Lärmverhältnisse in unmittelbarer räumlicher Nähe zu den Liegenschaften der erst- bis f��nftrevisionswerbenden Parteien durchgeführt (Messpunkt 2). Zwar erfolgten diesbezüglich im zweiten Verfahrensgang bloß Berechnungen. Es wurden jedoch auch im zweiten Verfahrensgang (an anderer Stelle) Messungen zur Ermittlung der örtlichen Verhältnisse vorgenommen.

22 Es kann daher zum einen nicht davon gesprochen werden, dass keine Messungen der Bestandssituation stattgefunden hätten. Zum anderen wurde das Absehen von einer nochmaligen Lärmmessung entsprechend begründet. So habe die örtliche Schallsituation im Bereich der Liegenschaften der erst- bis fünftrevisionswerbenden Pa rteien auf Basis von Messergebnissen aus dem Jahr 2009 (erster Rechtsgang) und dem Jahr 2015 als Vergleichsmesspunkt unter Einbeziehung einer rechnerischen Korrektur ausgewiesen werden können. Die Berechnungsvarianten seien mit den vorhandenen Messergebnissen der vergangenen Jahre verglichen und es sei eine Überstimmung festgestellt worden, weshalb von einer ausreichenden Genauigkeit des Rechenmodells ausgegangen werden könne. 23 Ausgehend davon gelingt es der Revision mit ihrem nicht näher begründeten Vorbringen, es hätte im Bereich der Liegenschaften der erst- bis fünftrevisionswerbenden Parteien eine nochmalige Lärmmessung durchgeführt werden müssen, nicht, ein Abweichen von der oben darstellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufzuzeigen.

24 6.1. Hinsichtlich der siebt- und achtrevisionswerbenden Part eien wird zur Zulässigkeit der Revision vorgebracht, dass ihre Beschwerden zu Unrecht zurückgewiesen worden seien, weil sie bereits im behördlichen Verfahren Eigentumsgefährdungen geltend gemacht hätten. Das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach die von Nachbarn bei der Erhebung von Einwendungen abgegebenen Erklärungen nicht nach ihrem Wortlaut, sondern auch nach ihrem Sinn zu beurteilen seien.

Darüber hinaus lebe die Parteistellung von bereits präkludierten Nachbarn durch Projektänderungen wieder auf. Da über das mehrfach geänderte Projekt lediglich eine einzige mündliche Verhandlung vor der belangten Behörde stattgefunden habe, komme eine Präklusion der siebt- und achtrevisionswerbenden Parteien nicht in Betracht und sei deren Beschwerde daher zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen worden.

25 6.2. Die Revision legt zwar zutreffend dar, dass seit der Durchführung der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde eine nicht bloß einschränkende Projektänderung erfolgt ist. Die Parteistellung präkludierter Parteien lebt auch durch nach § 13 Abs. 8 AVG zulässige Projektänderungen ex nunc wieder auf, wenn neue subjektive Rechte der Beteiligten berührt sind oder wenn die Parteien in ihren bereits tangierten Rechten anders als nach dem ursprünglichen Antrag betroffen werden, weil sie bezüglich des geänderten Teils des Verfahrensgegenstandes noch nicht die Möglichkeit hatten, sich zu verschweigen und dadurch die Parteistellung zu verlieren (vgl. VwGH 11.10.2007, 2006/04/0250, mwN; sowie Hengstschläger/Leeb, AVG I (2014) § 13 Rz. 46). 26 Im vorliegenden Fall kommt es aber weder darauf an, ob durch entsprechende Einwendungen im verwaltungsbehördlichen Verfahren eine Präklusion der siebt- und achtrevisionswerbenden Par teien verhindert wurde, noch darauf, ob eine womöglich durch Präklusion verlorengegangene Parteistellung durch eine nach § 13 Abs. 8 AVG zulässige Projektänderung wiederauflebte. Das Verwaltungsgericht hat sich nämlich - ungeachtet der von ihm angenommenen Präklusion - mit dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien inhaltlich auseinandergesetzt und eine Eigentumsgefährdung durch Lärmimmissionen verneint, weil durch die geplante Betriebsanlage weder die Substanz des Eigentums vernichtet werde noch eine Sachnutzung der Betriebswohnung gänzlich ausgeschlossen sei. Dem wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht substantiiert entgegengetreten. Da das Verwaltungsgericht die Sache inhaltlich behandelt hat, stellt der Umstand, dass die Beschwerde zurückgewiesen statt abgewiesen wurde, lediglich ein Vergreifen im Ausdruck dar, das nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses führt (vgl. VwGH 17.2.2011, 2009/07/0109; 12.6.2013, 2011/04/0169, jeweils mwN).

27 Wenn die siebt- und achtrevisionswerbenden Parteien zur Zulässigkeit der Revision des Weiteren vorbringen, auch ein bloß vorübergehender Aufenthalt des Eigentümers auf seiner Liegenschaft ermögliche einen Nachbarschutz wegen persönlicher Gefährdung, übersehen sie, dass das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines derartigen Aufenthalts verneint hat. Soweit hier im Zulässigkeitsvorbringen auf die weiteren Ausführungen in der Revision verwiesen wird, ist darauf hinzuweisen, dass die Revision die Gründe für deren Zulässigkeit gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert zu enthalten hat. Ein Verweis auf sonstige Revisionsausführungen genügt nicht (vgl. etwa VwGH 26.11.2018, Ra 2018/02/0283). 28 7.1. Auf alle revisionswerbenden Parteien bezogen wird zur Zulässigkeit der Revision weiter ausgeführt, es liege ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, wonach die Beurteilung von Lärmemissionen einer Betriebsanlage auf die Nachbarn nicht vom raumordnungsrechtlichen "Widmungsmaß" eines Grundstückes abhängig sei. Der medizinische Amtssachverständige habe die zur Beurteilung herangezogenen Planungsrichtwerte einer ÖNORM entnommen, die für jede einzelne Widmungskategorie Richtwerte für das jeweils zulässige Ausmaß von Lärmbelästigungen festlege.

29 Auch sei von den Amtssachverständigen keine individuelle Beurteilung angestellt worden. Insbesondere verweise der medizinische Amtssachverständige hinsichtlich der Frage des Auftretens von Belästigungsreaktionen auf eine subjektive Erwartungshaltung, die durch die Wohnumgebung geprägt wäre. Die Nachbarn müssten demnach ihr Wohnverhalten entsprechend anpassen, um den für den menschlichen Körper benötigten Ruheanspruch erreichen zu können. Unzumutbare Belästigungen würden folglich nur deshalb nicht eintreten, weil angesichts der Umgebungssituation ein eingeschränkter Ruheanspruch erwartet werden könne. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei jedoch ein bestimmtes, dem Schutz vor Emissionen dienendes Verhalten der Nachbarn nicht geboten.

30 7.2. Die Übereinstimmung einer gewerblichen Betriebsanlage mit den im Standort geltenden raumordnungsrechtlichen Vorschriften ist im Genehmigungsverfahren nach § 77 GewO 1994 nicht zu beurteilen (vgl. VwGH 7.7.2015, Ra 2015/04/0049, mwN). So hängt die Frage, ob von einer Betriebsanlage ausgehende Immissionen eine Gefährdung oder unzumutbare Belästigung im Sinn des § 74 Abs. 2 Z 1 und 2 GewO 1994 bewirken, nicht von der Flächenwidmung der betroffenen Grundstücke ab (vgl. VwGH 14.9.2005, 2004/04/0131, mwN).

31 Dass von diesen Grundsätzen im vorliegenden Fall abgewichen worden wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Im Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen werden zwar Widmungskategorien angesprochen. Wie im angefochtenen Erkenntnis jedoch ausdrücklich festgehalten, hat der Amtssachverständige diese lediglich als Vergleichsmaßstab angeführt. Die Beurteilung, ob der von der Betriebsanlage ausgehende Lärm eine unzumutbare Belästigung im Sinn des § 74 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 bewirkt, wurde nicht abhängig von der Flächenwidmung der betroffenen Grundstücke vorgenommen.

32 Aus der - auch von der Revision ins Treffen geführten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Dispositionsfreiheit des Nachbarn ergibt sich, dass ein bestimmtes, dem Schutz vor Immissionen dienendes Verhalten des Nachbarn gesetzlich nicht normiert ist und daher insoweit dessen Dispositionsfreiheit nicht eingeschränkt werden darf (vgl. die Nachweise bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, aaO, § 77 Rz. 14 und 39 sowie Reithmayer/Ebner in: Ennöckl/Raschauer/Wessely (Hrsg.), GewO (2015) § 77 Rz. 22). Daraus folgt, dass die Genehmigungsfähigkeit der Betriebsanlage davon abhängt, ob eine Gesundheitsgefährdung einer sich nicht nur vorübergehend auf dem betreffenden Grundstück - gleichgültig wo - aufhaltenden Person ausgeschlossen werden kann und bejahendenfalls, ob zu erwarten ist, dass Belästigungen hinsichtlich einer solchen Person auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Die Dispositionsfreiheit des Nachbarn ist freilich insoweit eingeschränkt, als dem Rechtsvorschriften entgegenstehen oder auch (außer einer rechtlichen) eine bloß faktische Unmöglichkeit des Aufenthalts besteht (vgl. VwGH 28.2.2012, 2011/04/0111, mwN).

33 Die Revision zeigt ein Abweichen von dieser Rechtsprechung nicht auf. Der medizinische Amtssachverständige nahm die Beurteilung der gesundheitlichen konkreten Lärmsituation unter Heranziehung der im Gutachten wiedergegebenen wirkungsspezifischen Werte vor. In seinem Gutachten wird ausgeführt, dass die Umgebungssituation von Betrieben und überregionalen Verkehrsträgern geprägt sei. Das in diesem Zusammenhang erwähnte individuelle "Anpassungsverhalten", das zur Erreichung des Ruheanspruches notwendig sei, dient der Beschreibung der bestehenden Lärmsituation. Von einer Anpassung des Wohnverhaltens bedingt durch die Immissionen der Betriebsanlage und damit von einer Einschränkung der Dispositionsfreiheit der Nachbarn im oben beschriebenen Sinn ist hingegen nicht die Rede.

34 8.1. Schließlich wird zur Zulässigkeit - erneut alle revisionswerbenden Parteien betreffend - ausgeführt, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, "ob, gegebenenfalls in welcher Art und Weise, Fluglärmereignisse (...) zu berücksichtigen sind, wenn diese kurzfristig auftretende hohe Schallpegelspitzen aufweisen". Konkret wird von der Revision beanstandet, dass dem lärmtechnischen Gutachten die örtliche Schallsituation ohne Fluglärm zuzüglich eines Zuschlages von 5 dB zugrunde gelegt worden sei.

8.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, sind in Fällen, in denen die akustische Umgebungssituation während der in Betracht zu ziehenden Zeiträume starken Schwankungen unterliegt, die Auswirkungen der von der zu genehmigenden Betriebsanlage ausgehenden Immissionen unter Zugrundelegung jener Situation zu beurteilen, in der die Immissionen für den Nachbarn am ungünstigsten, das heißt am belastendsten sind (vgl. VwGH 29.5.2009, 2006/03/0156; 18.5.2016, Ra 2015/04/0093; sowie Reithmayer/Ebner, aaO, § 77 Rz. 63).

Die akustische Umgebung einer Örtlichkeit bestimmt sich nach Stärke und Art jener Geräusche, die dauernd bestehen und daher nicht als Besonderheit empfunden werden (vgl. VwGH 17.4.1968, 1706/66, VwSlg 7337 A/1968). Es kommt demnach also darauf an, ob es sich um ein Lärmgeschehen handelt, das zum regelmäßigen Bestandteil der Umgebungsgeräuschsituation zählt (vgl. VwGH 2.7.1992, 92/04/0052).

Der Verwaltungsgerichtshof hat es etwa als unzulässig angesehen, Messungen - jedenfalls ohne nähere Begründung - dann durchzuführen, wenn die Umgebungssituation temporär durch die Geräusche tropfenden Tauwassers (VwGH 20.9.1994, 94/04/0054) oder des Volllastbetriebes einer Wasserkraftanlage, die mit unterschiedlichen Intensitäten betrieben wird (VwGH 31.3.1992, 91/04/0267), geprägt ist.

35 Im angefochtenen Erkenntnis wurde mit näherer Begründung dargelegt, dass die gegenständlichen Fluglärmereignisse "keine Besonderheit" darstellten und dem Charakter dieser Lärmereignisse daher entsprechend Rechnung zu tragen sei. Dass die im vorliegenden Fall - gestützt auf das Gutachten des lärmtechnischen Amtssachverständigen und eine näher bezeichnete ÖAL-Richtlinie - vorgenommene Anhebung der örtlichen Schallsituation um 5 dB von den von der hg. Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen abweichen würde, vermag die Revision, die sich bloß pauschal gegen eine Berücksichtigung des Fluglärms wendet, nicht darzutun. 36 9. Im Ergebnis werden in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

37 10. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14. Das auf Ersatz der Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei war abzuweisen, weil in dem in der Verordnung vorgesehenen Pauschalbetrag die Umsatzsteuer bereits mitenthalten ist (vgl. VwGH 21.11.2018, Ra 2016/04/0115, mwN).

Wien, am 26. Juni 2019

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