Normen
AVG §52;
GewO 1994 §74 Abs1;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
GewO 1994 §74 Abs3;
GewO 1994 §74;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §77;
StVO 1960 §1 Abs1;
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 und der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land (belangte Behörde) vom 6. Juni 2014 wurde der mitbeteiligten Partei - unter Vorschreibung mehrerer Auflagen - die gewerberechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines näher umschriebenen Lager- und Bürogebäudes (konkret: eines Kühllogistikcenters zum Umschlag und zur Lagerung von tiefgekühlten und gekühlten Lebensmittelfrischprodukten in der Nähe eines Autobahnkreuzes) erteilt.
Ausgehend vom Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen, der die eingereichte Lärmprognose als plausibel und den "Planungstechnischen Grundsatz" gemäß ÖAL-Richtlinie Nr. 3 als eingehalten erachtet habe, sei davon auszugehen, dass die Nachbarn nicht über das zumutbare Ausmaß hinaus belästigt oder in ihrer Gesundheit gefährdet würden.
2 In der dagegen erhobenen Beschwerde machte die Revisionswerberin unter anderem unzumutbare Lärmimmissionen geltend.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 14. August 2015 wurde dieser Beschwerde lediglich insofern Folge gegeben, als Auflagenpunkt 1 (betreffend die Lärmimmissionen) konkretisiert wurde; im Übrigen wurde der Beschwerde keine Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid bestätigt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.
Das Verwaltungsgericht verweist auf das Gutachten des schalltechnischen Amtssachverständigen vom 31. März 2015. Diesem lagen Erhebungen zur örtlichen Ist-Situation zugrunde, die betreffend den Dauerschallpegel folgende Werte ergeben hätten:
Werktag untertags 58-62 dB, nachts 53-58 dB; Wochenende untertags 54 dB, nachts 50 dB. Die Spitzenpegel seien werktags im Bereich 59- 63 dB und am Wochenende im Bereich 57-61 dB. Die erwartbaren Zusatzbelastungen seien mittels Prognoseberechnung ermittelt worden, wobei sowohl die Kühlaggregate als auch die Rangier- und Rückwärtsfahrbewegung berücksichtigt worden seien. Die Lärmemissionen ausgehend von der Benützung der Aufschließungsstraße seien von der Beurteilung ausgeklammert worden. Ergebnis dieser Prognoserechnung sei, dass der "Planungstechnische Grundsatz" eingehalten werde; die vorhabensbedingten Schallpegelspitzen würden mit 23-33 dB weit unter den bestehenden Spitzenpegeln liegen. Da die geplante Lärmschutzwand beidseitig hochabsorbierend ausgeführt werde, seien von ihr keine negativen Einflüsse auf die Lärmsituation zu erwarten.
Die Revisionswerberin habe - so das Verwaltungsgericht weiter - eine Schallimmissionsmessung durchführen lassen und einen Prüfbericht der Bautechnischen Versuchs- und Forschungsanstalt Salzburg vorgelegt. Nach dem Vorbringen der Revisionswerberin komme es auf Grund der Aufschließungsstraße, die der Betriebsanlage zuzurechnen sei, auf weiten Teilen ihres Geländes zu projektkausalen Immissionsbelastungen von über 65 dB.
Am 29. Juli 2015 habe der schalltechnische Amtssachverständige zwischen 10.00 Uhr und 11.00 Uhr eine messtechnische Kontrolle durchgeführt (der Messpunkt lag vor der Fassade des Gebäudes der Revisionswerberin) und diese in der mündlichen Verhandlung am 30. Juli 2015 erläutert. Die Messung habe einen Dauerschallpegel für die Gesamtimmission von ca. 57 dB ergeben, der der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei zuzurechnende Immissionsanteil sei um mindestens 10 dB geringer als die Gesamtimmission. Die Messergebnisse würden die Prognosewerte bestätigen, die bisherigen Beurteilungsergebnisse seien somit aufrechtzuerhalten. Die Messungen durch den Amtssachverständigen bzw. durch die von der Revisionswerberin beauftragte Anstalt sowie die von der mitbeteiligten Partei vorgelegte Lärmprognose würden nahezu idente Ergebnisse zeigen.
Das Verwaltungsgericht ging - wie bereits die belangte Behörde - davon aus, dass die Aufschließungsstraße im zugrunde liegenden Genehmigungsantrag nicht als Teil der Betriebsanlage eingereicht worden sei. Das Befahren dieser Straße sei daher nicht der Betriebsanlage zuzurechnen und daher bei den Lärmimmissionen zu Recht nicht berücksichtigt worden. Auf Nachbarbeschwerden, die sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr beziehen, sei nicht weiter einzugehen. Zudem sei die betreffende Parzelle bereits dem öffentlichen Gut zugeschrieben worden, Eigentümerin sei die Marktgemeinde Sattledt.
Ausgehend von den Ausführungen des Amtssachverständigen hielt das Verwaltungsgericht fest, dass eine Veränderung der Ist-Situation nicht zu erwarten sei. Die Einholung einer medizinischen Beurteilung sei nicht erforderlich. Die von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Rückfahrwarner seien in der Prognoserechnung berücksichtigt worden; in den als kritisch angesehenen Nachtstunden werde ein Ertönen der Rückfahrwarner zudem unterbunden. Abschließend begründete das Verwaltungsgericht die vorgenommene Auflagenkonkretisierung.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
Die mitbeteiligte Partei und die belangte Behörde erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Zu Zulässigkeit bringt die Revisionswerberin vor, das Verwaltungsgericht sei insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, als es keine Messung der Immissionen zur Nachtzeit für erforderlich erachtet habe, obwohl eine solche möglich gewesen wäre. Das Verwaltungsgericht habe nicht begründet, warum gegenständlich eine nur tagsüber erfolgte Messung ausreichend gewesen sei, zumal sich aus dem von der Revisionswerberin im Verfahren vorgelegten Prüfbericht ergeben habe, dass von der Betriebsanlage unzumutbare Immissionen ausgehen würden. Zudem fehle eine explizite Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, wann von einem "Sonderfall" gesprochen werden könne, der die Vornahme einer Schätzung rechtfertige.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärmbelästigungen auf den der Lärmquelle am nächsten liegenden Teil der Liegenschaft abzustellen, der dem regelmäßigen Aufenthalt des Nachbarn dienen könne. Davon sei das Verwaltungsgericht abgewichen, weil der "Freiraumschutz" - konkret der dem Projekt der mitbeteiligten Partei zugewandte Hotelparkplatz - nicht berücksichtigt worden sei.
Die Revision ist im Hinblick auf dieses Vorbringen zulässig, aus den nachstehenden Gründen aber nicht berechtigt.
6 Zur Frage der Notwendigkeit der Vornahme von Messungen und der erforderlichen Begründung des Vorliegens eines Sonderfalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2016, Ra 2015/04/0053, mwN, verwiesen.
7 Der vorliegende Fall unterscheidet sich von der dort zu beurteilenden Konstellation allerdings insoweit, als dort keine Messungen über die zu erwartenden Immissionen durchgeführt wurden, während hier - zur Tagzeit - Messungen erfolgten und sich die Frage stellt, ob diesfalls von der Vornahme von Messungen zur Nachtzeit Abstand genommen werden konnte.
8 Nach der hg. Rechtsprechung sind die Auswirkungen der zu genehmigenden Betriebsanlage unter Zugrundelegung jener Situation zu beurteilen, in der die Immissionen für die Nachbarn am ungünstigsten, d.h. am belastendsten sind (siehe das Erkenntnis vom 9. September 2015, Ra 2015/04/0030, mwN). Das betrifft auch den Zeitpunkt bzw. Zeitraum, der einer Messung zugrunde zu legen bzw. zu dem eine Messung vorzunehmen ist (siehe zu einer Konstellation, in der die Umgebungslärmsituation in zeitlicher Hinsicht starken Schwankungen unterlag, das hg. Erkenntnis vom 20. September 1994, 94/04/0054, mwN).
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebenen Aussage des lärmtechnischen Amtssachverständigen in der Verhandlung am 30. Juli 2015 zu den am 29. Juli 2015 durchgeführten Messungen, dass der der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei zuzurechnende Immissionsanteil um mindestens 10 dB geringer gewesen sei als die Gesamtimmission. Dass die aus der Betriebsanlage resultierenden Immissionen in der Nacht höher ausfallen als untertags, wird von der Revisionswerberin nicht vorgebracht und lässt sich dem angefochtenen Erkenntnis nicht entnehmen, zumal das Ertönen von Rückfahrwarnern nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes zu den als kritisch angesehenen Nachtstunden gemäß den Projektunterlagen unterbunden wird. Ausgehend davon, dass die (ebenfalls wiedergegebenen) Erhebungen der Ist-Situation (vor Inbetriebnahme der Anlage der mitbeteiligten Partei) Unterschiede zwischen Tag und Nacht im Ausmaß von höchstens 5 dB ergeben haben, vermag die Revisionswerberin mit ihrem Vorbringen nicht aufzuzeigen, weshalb der unterlassenen Vornahme von Messungen zur Nachtzeit im vorliegenden Fall Relevanz zukommen soll (zur "Nichterhöhung" des größeren Wertes bei auseinanderliegenden Schallpegeln siehe das hg. Erkenntnis vom 15. September 2004, 2003/04/0002). Soweit die Revisionswerberin auf den von ihr vorgelegten Prüfbericht und die daraus ersichtlichen unzumutbaren Immissionen verweist, ist auf die - auf die Aussage des Amtssachverständigen gestützte - Ausführung des Verwaltungsgerichtes zu verweisen, dass in diesen Bericht - abweichend vom verfahrensgegenständlichen Beurteilungsumfang - auch die von der Aufschließungsstraße ausgehenden Lärmimmissionen eingeflossen sind (siehe zu diesem Aspekt unten Rz. 11).
9 Soweit die Revisionswerberin moniert, bei der Messung sei nicht auf den der Lärmquelle am nächsten liegenden Teil ihrer Liegenschaft abgestellt worden, ist ihr Folgendes entgegenzuhalten:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Beurteilung der Lärmeinwirkung auf jenen der Lärmquelle am nächsten liegenden Teil des Nachbargrundstückes abzustellen, der bei Bedachtnahme auf die im Entscheidungszeitpunkt geltenden Vorschriften insbesondere auf dem Gebiet des Baurechts dem regelmäßigen Aufenthalt der Nachbarn, sei es in einem Gebäude, sei es außerhalb eines Gebäudes dienen kann. Allerdings fällt die Wahl der Messpunkte in den fachlichen Verantwortungsbereich des Sachverständigen; sie kann daher, soweit sie nach allgemeinem Erfahrungsgut nicht bereits als unschlüssig zu erachten ist, nur durch ein auf gleicher fachlicher Ebene stehendes Vorbringen entkräftet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. September 2005, 2004/04/0131, sowie - zur grundsätzlichen Dispositionsfreiheit des Nachbarn - das hg. Erkenntnis vom 28. August 1997, 95/04/0222, jeweils mwN).
Im vorliegenden Fall vermag die Revisionswerberin schon aus folgenden Gründen keine Unschlüssigkeit des vom Amtssachverständigen gewählten Messpunktes aufzuzeigen: Die Revisionswerberin, eine juristische Person, ist Inhaberin (unter anderem) eines Beherbergungsbetriebes und gilt somit gemäß § 75 Abs. 2 dritter Satz GewO 1994 als Nachbarin hinsichtlich des Schutzes von Personen, die sich vorübergehend in ihrem Hotel aufhalten. Dass der von der Revisionswerberin hinsichtlich der Wahl des Messpunktes ins Treffen geführte Hotelparkplatz dem regelmäßigen Aufenthalt ihrer Hotelgäste (nur hinsichtlich dieser kann die Revisionswerberin den Schutz vor Belästigungen geltend machen; siehe zur Abgrenzung von Einrichtungen im Sinn des § 75 Abs. 2 dritter Satz GewO 1994 - wie etwa Beherbergungsbetrieben - zu anderen Betrieben das hg. Erkenntnis vom 26. April 2006, 2003/04/0097, mwN) dienen kann, wird nicht nachvollziehbar dargetan.
10 Soweit die Revisionswerberin die unterbliebene Bestellung eines medizinischen Sachverständigen moniert, ist Folgendes anzumerken: Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 24. Februar 2006, 2001/04/0039, zum Ausdruck gebracht, dass die Nichtbeiziehung eines medizinischen Sachverständigen nicht zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung führt, wenn nach den Ausführungen des technischen Sachverständigen davon ausgegangen werden könne, dass die zu beurteilenden Lärmimmissionen nicht zu einer Erhöhung der örtlichen Verhältnisse führen können. Da auch im vorliegenden Fall der lärmtechnische Amtssachverständige die Ergebnisse seiner Messung dahingehend erläutert hat, dass der der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei zuzurechnende Immissionsanteil um mindestens 10 dB geringer gewesen sei als die Gesamtimmission, konnte die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen unterbleiben.
11 Schließlich vermag die Revisionswerberin auch mit ihrem Vorbringen betreffend die (unterbliebene) Berücksichtigung der Aufschließungsstraße keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufzuzeigen. Diesbezüglich ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach zwischen Betriebsanlagen im Sinn des § 74 Abs. 1 GewO 1994 und Straßen mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO grundsätzlich zu unterscheiden ist. Vorgänge außerhalb der Betriebsanlage, die von Personen herrühren, die die Anlage der Art des Betriebes gemäß in Anspruch nehmen (Kunden), sind gemäß § 74 Abs. 3 GewO 1994 in der durch die Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, geänderten Fassung nicht zu berücksichtigen (vgl. zu allem das hg. Erkenntnis vom 22. April 2015, 2012/04/0130, mwN). Die im angefochtenen Erkenntnis getroffene Feststellung, wonach laut dem von der mitbeteiligten Partei vorgelegten Grundbuchauszug die betreffende Parzelle dem öffentlichen Gut zugeschrieben wurde, wird von der Revisionswerberin nicht substantiiert bestritten. Dass das Verwaltungsgericht die Aufschließungsstraße als Straße mit öffentlichem Verkehr angesehen und die aus dem Vorbeifahren auf dieser Straße resultierenden Immissionen nicht der Betriebsanlage zugerechnet und somit nicht berücksichtigt hat, ist nicht zu beanstanden (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom 21. Dezember 2004, 2002/04/0169, und vom 9. September 1998, 98/04/0083, jeweils mwN). Ob für die Benützung der Straße allenfalls nach anderen (landes)rechtlichen Vorschriften eine Bewilligung erforderlich ist, ist für die Erteilung einer gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigung nicht relevant (siehe zum Kumulationsprinzip das hg. Erkenntnis vom 1. April 2008, 2004/06/0104).
12 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
13 Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 18. Mai 2016
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