Normen
EStG 1988 §16 Abs1;
EStG 1988 §20 Abs1 Z1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018150075.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 In den Einkommensteuererklärungen machte der 1965 geborene Revisionswerber Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung (für die Jahre 2015 und 2016) sowie für Familienheimfahrten (nur für das Jahr 2016) geltend.
2 Das Finanzamt berücksichtigte in den Einkommensteuerbescheiden die hiefür geltend gemachten Beträge nicht.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.
4 Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber sei verheiratet und habe seinen Wohnsitz in der Gemeinde S (in der Nähe von Linz). Er habe seit 2009 ein durchgehend bestehendes Dienstverhältnis als Restrukturierungsmanager in einem Unternehmen mit Sitz in der Nähe von Graz. Das Dienstverhältnis sei seit 2011 unbefristet; es bestehe eine übliche Kündigungsfrist von sechs Monaten. Die Entfernung zwischen Wohn- und Dienstort betrage ca. 230 km. Die Ehegattin des Revisionswerbers beziehe seit Dezember 2012 auf Grund ihrer Pensionierung nichtselbständige Einkünfte von der Pensionsversicherungsanstalt. Im Herbst 2015 hätten der Revisionswerber und seine Ehefrau in S ein Anlageobjekt erworben, welches in den Streitjahren errichtet worden sei; ab Oktober 2016 werde dieses vermietet. Die Finanzverwaltung habe bis zum Jahr 2014 die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten anerkannt.
5 Der Revisionswerber habe ein unbefristetes Dienstverhältnis. Die bloß abstrakte Möglichkeit einer Abberufung reiche nicht aus, um eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung zu rechtfertigen. Aus dem Umstand, dass die Tätigkeit als Restrukturierungsmanager in der Regel zeitlich begrenzt sei, lasse sich weder eine konkrete Befristung noch eine konkrete Gefahr einer Abberufung ableiten. Daraus, dass bereits vier, die gleiche Tätigkeit ausübende Kollegen gekündigt worden seien, lasse sich eine konkrete Gefahr für den Revisionswerber nicht ableiten. Es sei auch nicht abzusehen, wann die Restrukturierungsmaßnahmen abgeschlossen sein würden. Vom Revisionswerber vorgelegte Medienberichte und der Verweis auf die wirtschaftlich unsichere Lage des Unternehmens würden eine konkrete Gefahr der Abberufung nicht begründen; diese Pressemeldungen würden überdies Umstrukturierungsmaßnahmen aus dem Jahr 2017 betreffen. Die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung sei aber gesondert aus Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen.
6 Die Ehefrau des Revisionswerbers beziehe seit Dezember 2012 ortsungebundene Einkünfte (Pensionseinkünfte). Aus dem Anlageobjekt hätten in den Jahren 2015 und 2016 nur Verluste resultiert; es habe noch nicht konkret abgeschätzt werden können, ab wann tatsächlich positive Einkünfte aus der Vermietung hätten erzielt werden können. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung könnten ortsungebunden erwirtschaftet werden; die ständige Anwesenheit der Eigentümer sei nicht erforderlich.
7 Die in S lebenden Eltern des Revisionswerbers bedürften wegen ihres hohen Alters zwar der gelegentlichen Unterstützung des Revisionswerbers und seiner Ehefrau. In den Jahren 2015 und 2016 sei aber keine Pflegebedürftigkeit vorgelegen, weshalb dies auch keinen Hinderungsgrund für die Verlegung des Familienwohnsitzes dargestellt habe.
8 Einen Grund für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes erblicke der Revisionswerber auch darin, dass der Verkauf des Einfamilienhauses zu einer erheblichen Vermögenseinbuße führen würde. Eine adäquate Wohnung könne am Beschäftigungsort aus dem Erlös nicht angeschafft werden, weil der hohe Wert des Einfamilienhauses in S insbesondere durch viele individuelle Einbauten entstanden sei. Bei einer Veräußerung müsse jedenfalls ein Abstrich zwischen 25% und 30% in Kauf genommen werden; daraus resultierte ein Vermögensschaden von etwa 100.000 EUR. Ein bloß wirtschaftlicher Nachteil stelle aber für sich alleine noch keinen Grund für die Anerkennung der Aufwendungen im Zusammenhang mit einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten dar. Es sei jedenfalls zumutbar, eine ausreichende, finanziell erschwingliche und der Einkommenssituation angepasste Wohnung am Beschäftigungsort anzumieten bzw. zu erwerben.
9 Die gute Eingliederung der Eheleute in das soziale Umfeld der Gemeinde S sowie die bei einer etwaigen Verlegung des Wohnsitzes allenfalls entstehenden altersbedingten Eingewöhnungsschwierigkeiten der Ehegattin sowie ein adäquater sozialer Anschluss am neuen Wohnort seien der privaten Lebensführung zuzuordnen und nicht als beachtenswerte Gründe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in S zu werten.
10 In Würdigung des Gesamtbildes der Verhältnisse sei dem Revisionswerber in den Streitjahren die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort zuzumuten gewesen.
11 Die Rechtsfolgen im vorliegenden Fall ergäben sich unmittelbar aus dem Gesetz und der einheitlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Diese schlichte Rechtsanwendung berühre keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sodass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
12 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. 13 Zur Zulässigkeit wird in der Revision geltend gemacht, das Bundesfinanzgericht weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab. Das Bundesfinanzgericht halte die Wohnsitzverlegung für zumutbar, obwohl die Ehegattin des Revisionswerbers seit jeher ihren Lebensmittelpunkt am derzeitigen Familienhauptwohnsitz habe. Dass sich die Ehepartnerin bereits in einem fortgeschrittenen Lebensalter befinde und sohin ein Umzug ihre persönliche Befindlichkeit beeinträchtigen werde, werde vom Bundesfinanzgericht außer Acht gelassen. Weiters liege keine Rechtsprechung zur Frage vor, ob eine zukünftig zu erwartende und sohin wahrscheinlich eintreffende Pflegebedürftigkeit naher Angehöriger die Verlegung des Wohnsitzes unzumutbar mache.
14 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
17 Eine berufliche und damit zu Werbungskosten der betroffenen Aufwendungen führende Veranlassung einer doppelten Haushaltsführung liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn einem Arbeitnehmer die Verlegung des (Familien‑)Wohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei eine solche Unzumutbarkeit die unterschiedlichsten Ursachen haben kann. Die Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl. VwGH 28.4.2010, 2007/13/0073, mwN).
18 Die Unzumutbarkeit, den Familienwohnsitz aufzugeben, muss sich aus Umständen von erheblichem objektivem Gewicht ergeben (vgl. VwGH 27.2.2008, 2005/13/0037).
19 Wenn in der Revision geltend gemacht wird, die Ehefrau des Revisionswerbers habe seit jeher ihren Lebensmittelpunkt am derzeitigen Familienhauptwohnsitz in S begründet, so wird damit kein Umstand dargetan, der eine Unzumutbarkeit der Aufgabe des Familienwohnsitzes begründen könnte (vgl. VwGH 27.2.2008, 2005/13/0037). Dass ein Umzug die "persönliche Befindlichkeit" der Ehefrau des Revisionswerbers beeinträchtigen könnte, ist zu wenig konkret, um dies als Umstand von erheblichem objektivem Gewicht beurteilen zu können (vgl. etwa zu "Heimweh" VwGH 14.9.1993, 92/15/0054). Der Verlust des "sozialen Umfeldes" begründet aber keine steuerlich beachtenswerten Gründe für die Beibehaltung des Wohnsitzes (vgl. VwGH 18.12.1997, 96/15/0259).
20 Aus der Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen kann sich ein gewichtiger Grund für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes ergeben (vgl. VwGH 28.9.2011, 2006/13/0087, mwN). Der bloße Umstand, dass - wie im Vorlageantrag geltend gemacht wurde - aufgrund des Alters der Eltern wahrscheinlich mit einer Pflegebedürftigkeit der Eltern in den nächsten Jahren gerechnet werden müsse, begründet aber für die Streitjahre noch keinen Grund, aus welchem das Aufgeben des Familienwohnsitzes als unzumutbar erkannt werden könnte (vgl. VwGH 27.2.2008, 2005/13/0037; vgl. auch Doralt et al, EStG19 § 4 Tz 347).
21 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 22. November 2018
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