Normen
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §24 Abs4;
EMRK Art6;
VwGVG 2014 §24 Abs1;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018110029.L00
Spruch:
Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Revisionsverfahren wird eingestellt.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1.1. Mit Bescheid vom 19. Juli 2017 forderte die belangte Behörde den Revisionswerber auf, wegen Bedenken ob seiner gesundheitlichen Eignung innerhalb von zwei Wochen ab Rechtskraft des Bescheids für die Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens eine psychiatrische Stellungnahme sowie eine Haaranalyse beizubringen.
2 Die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde, in der ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt worden war, wurde vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit Erkenntnis vom 28. November 2017 abgewiesen und der bekämpfte Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Frist zur Beibringung der Befunde mit vier Wochen ab Zustellung festgesetzt werde. Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis - und zwar nur gegen die Bestätigung der Aufforderung zur Beibringung einer Haaranalyse - richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.
4 1.2.1. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie vorbrachte, der Revisionswerber sei am 18. Jänner 2018 zur Abgabe einer Haarprobe bei der belangten Behörde erschienen. Die Haarprobe habe keinen Hinweis auf einen aktuellen Suchtgiftmissbrauch ergeben und bestätigt, dass im Untersuchungszeitraum etwa von Ende August 2017 bis Jänner 2018 keine illegalen Substanzen konsumiert worden seien. Dementsprechend laute das - unter einem vorgelegte - amtsärztliche Gutachten vom 9. Februar 2018 unter Berücksichtigung einer nach Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses vorgelegten psychiatrischen Stellungnahme auf "geeignet". Beigeschlossen waren der Revisionsbeantwortung u.a. ein Gutachten "über die Untersuchungen von Haaren auf Suchtmittel" eines Forensisch-Toxikologischen Labors vom 6. Februar 2018 und das erwähnte amtsärztliche Gutachten vom 9. Februar 2018.
5 1.2.2. Über Vorhalt der Befolgung des Aufforderungsbescheids führte der Revisionswerber in einer als "Replik" bezeichneten Stellungnahme aus, die Revisionsbeantwortung der belangten Behörde mit dem darin enthaltenen Einwand des Wegfalls der Revisionslegitimation sei der untaugliche Versuch, den Rechtsschutz des Revisionswerbers zu unterlaufen. Das Revisionsinteresse sei schon deshalb weiterhin gegeben, weil mit den getroffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes "sehr wohl und durchaus weitere Auflagen von Haaranalysen iSd § 2 Abs. 3 FSG-GV verbunden sein können". Es sei für den Revisionswerber von eminenter Bedeutung, "dass die Unzulässigkeit der Auflage einer Haaranalyse durch den VwGH festgestellt wird". Das angestrebte Rechtsschutzziel liege auch darin, die unbefristete und uneingeschränkte Lenkberechtigung beizubehalten.
6 2.1. Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist die Revision mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde.
§ 33 Abs. 1 VwGG ist nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall wegen Gegenstandslosigkeit liegt insbesondere auch dann vor, wenn der Revisionswerber kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl. etwa VwGH 21.6.2017, Ra 2016/17/0259).
7 Ein solcher Fall liegt hier vor:
8 Der Revisionswerber hat dem angefochtenen Erkenntnis, mit dem der Aufforderungsbescheid der belangten Behörde bestätigt wurde, durch Abgabe einer Haarprobe- im Hinblick auf das darauf basierende erwähnte Gutachten vom 6. Februar 2018 - Folge geleistet. Eine "Formalentziehung" seiner Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs. 4 letzter Satz FSG ist damit ausgeschlossen.
9 Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers ist eine mögliche Verbesserung seiner Rechtsstellung durch Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses nicht mehr ersichtlich (vgl. zu Aufforderungsbescheiden nach § 24 Abs. 4 FSG zB VwGH 20.3.2012, 2009/11/0229 mwN). Im Revisionsverfahren über das angefochtene Erkenntnis wäre nur zu prüfen gewesen, ob die Voraussetzungen für die Erlassung bzw. Bestätigung des Aufforderungsbescheids vorgelegen sind, nicht hingegen, ob Umstände vorlagen, die allenfalls künftig eine nachträgliche Einschränkung der Lenkberechtigung des Revisionswerbers rechtfertigten.
10 Die Revision war somit in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung für gegenstandslos geworden zu erklären und das Revisionsverfahren einzustellen.
11 2.2.1. Fällt bei einer Revision oder einem Fristsetzungsantrag das Rechtsschutzinteresse nachträglich weg, so ist dies gemäß § 58 Abs. 2 VwGG bei der Entscheidung über die Kosten nicht zu berücksichtigen; würde hiebei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden.
12 2.2.2. Die Revision wäre schon deshalb zulässig, weil das Verwaltungsgericht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Erforderlichkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung außer Acht gelassen hat.
13 2.2.3. Konkrete Feststellungen zum Ausmaß des Suchtgiftkonsums des Revisionswerbers hat das Verwaltungsgericht nicht getroffen, insbesondere nicht zum Zeitraum vor der Betretung des Revisionswerbers nach dem von ihm eingestandenen Konsum am 8. April 2017. Aus seiner Begründung geht nur hervor, dass es zwar den Suchtgiftkonsum des Revisionswerbers in einem Ausmaß, wie es dieser angegeben hat, weder als Anzeichen auf eine Suchtgiftabhängigkeit noch auf einen gehäuften Missbrauch qualifiziert, die Angaben des Revisionswerbers aber für unglaubwürdig erachtet und einen intensiveren Konsum annimmt. Angesichts dieser unzureichenden Feststellungen ist die Folgerung des Verwaltungsgerichtes, es bestünden auch noch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses begründete Bedenken dahin, dass der Revisionswerber eine uneingeschränkte gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht mehr aufweise, nicht nachvollziehbar.
14 Schon weil das Verwaltungsgericht Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Revisionswerbers hinsichtlich seiner Angaben zum Suchtmittelkonsum hatte, durfte es im Übrigen von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung nicht Abstand nehmen (vgl. VwGH 21.4.2016, Ra 2016/11/0019). Es sei weiters darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung über eine Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung im Lichte der Entscheidung des EGMR Becker gegen Österreich (Urteil vom 11. Juni 2015) eine solche über "civil rights" iSd. Art. 6 Abs. 1 EMRK darstellt (vgl. VwGH 16.11.2015, Ra 2015/11/0091).
15 Die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, wegen aktuell bestehender Bedenken ob der uneingeschränkten gesundheitlichen Eignung des Revisionswerbers sei der Aufforderungsbescheid der belangten Behörde, eine Haaranalyse beizubringen, zu bestätigen, erweist sich aus diesen Erwägungen als rechtswidrig.
16 2.2.4. Das angefochtene Erkenntnis wäre daher bei aufrechtem Rechtschutzinteresse - wegen Verkennung der Feststellungserfordernisse für einen Aufforderungsbescheid - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
17 3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 58 Abs. 2, VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 23. April 2018
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