VwGH Ra 2017/22/0207

VwGHRa 2017/22/02078.11.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache des F A in W, vertreten durch Mag.a Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunnerstraße 26/3, gegen das am 5. Oktober 2017 verkündete und mit 13. Oktober 2017 ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, VGW-151/065/9944/2017/E, betreffend eine Rückstufung nach § 28 Abs. 1 NAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §52 Abs5;
FrPolG 2005 §53 Abs3;
MRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §28 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017220207.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde die Beschwerde des Revisionswerbers, eines türkischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 7. Dezember 2016, mit dem festgestellt worden war, dass das unbefristete Niederlassungsrecht (Daueraufenthalt-EU) gemäß § 28 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) beendet sei, als unbegründet abgewiesen. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

3 In der Revision wird zur Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe dahingehend Feststellungen unterlassen, weshalb es zu den einzelnen Straftaten gekommen sei. So habe der Revisionswerber angegeben, dass er bis zum Tod seiner Mutter im Jahr 2011 kein gutes Verhältnis zu seiner Familie gehabt habe, allein und zum Teil auch obdachlos gewesen sei. Seither habe sich die Beziehung zum Vater und den Geschwistern verbessert; er habe jetzt die volle Unterstützung seiner Familie. Er führe weiters eine feste Beziehung, habe eine Wohnung und sei um Arbeit und ein gutes, drogenfreies Leben bemüht. Seit 2011 sei es auch zu keinen Straftaten mehr gekommen. Die Bewährungshelferin habe sehr positive Worte für den Revisionswerber gefunden. Sie habe bestätigt, dass sich der Revisionswerber intensiv mit der Deliktverarbeitung auseinandergesetzt habe, einsichtig, kooperativ und zuverlässig sei, sich stets bemüht habe, selbst Arbeit zu finden, seine Freizeit neu gestaltet habe, viel Sport betreibe und nicht mehr suchtgiftabhängig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Gemäß § 28 Abs. 1 NAG ist das Ende des unbefristeten Niederlassungsrechtes mit Bescheid festzustellen, wenn gegen einen Inhaber eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" die Voraussetzungen des § 52 Abs. 5 FPG für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorliegen, die Maßnahme aber im Hinblick auf § 9 BFA-VG nicht verhängt werden kann.

7 Nach § 52 Abs. 5 FPG hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

8 Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in bestimmten Fällen auch unbefristet, zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist (Z 1).

9 Bei der Prüfung, ob die Annahme einer solchen Gefährdung gerechtfertigt ist, ist der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung vorzunehmen (vgl. VwGH 27.4.2017, Ra 2016/22/0094, Rn. 11, mwN).

10 Die einzelfallbezogene Beurteilung der Gefährdungsprognose ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (VwGH 18.1.2017, Ra 2016/22/0117, Rn. 6, mwN).

11 Das Verwaltungsgericht stellte nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung fest, dass der Revisionswerber im Zeitraum von 2004 bis 2011 insgesamt dreimal wegen Übertretungen nach dem Suchtmittelgesetz (SMG), einmal wegen eines Vergehens nach dem StGB und einmal wegen einer Übertretung nach dem Waffengesetz bestraft wurde. Zuletzt wurde der Revisionswerber mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. Juli 2011 wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels sowie der Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten verurteilt. Aus dem im Akt erliegenden Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 20. Dezember 2011 ergibt sich, dass auch die mit Urteilen des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 9. März 2004 und vom 7. Juli 2005 (betreffend Übertretungen nach dem SMG) gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen wurde, sodass die zu verbüßende Gesamthaftzeit mehr als drei Jahre betrug. Am 11. Februar 2015 wurde der Revisionswerber gemäß den Feststellungen des Verwaltungsgerichts unter der Weisung, jeden Monat Harnbefunde zum Nachweis seiner Drogenfreiheit vorzulegen, vorzeitig aus der Strafhaft entlassen. Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 6. September 2016 wurde diese Weisung aufgehoben.

12 Entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen nahm das Verwaltungsgericht eine umfassende Prognosebeurteilung unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens des Revisionswerbers vor, wobei es den strafgerichtlichen Verurteilungen des Revisionswerbers eine entscheidende Bedeutung beimaß. Es brachte dabei im Einklang mit der hg. Rechtsprechung insbesondere das der letzten Verurteilung zugrunde liegende schwere Fehlverhalten an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalls - gewerbsmäßige Begehung innerhalb der Probezeit nach bereits teilweiser vollzogener Strafhaft und obwohl der Revisionswerber bereits mehrfach wegen Straftaten nach dem SMG verurteilt worden war - in Ansatz. Weiters berücksichtigte das Verwaltungsgericht in seiner Prognosebeurteilung die etwa fünfmonatige Beschäftigung des Revisionswerbers sowie eine Einstellungszusage als Verkäufer.

13 Zum Vorbringen betreffend die nunmehrige Drogenfreiheit des Revisionswerbers ist auszuführen, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Darlegung des Wegfalls einer von einem Fremden ausgehenden Gefährdung nicht nur der erfolgreichen Absolvierung der Therapie bedarf, sondern auch eines entsprechend langen Zeitraums des Wohlverhaltens (vgl. VwGH 22.9.2011, 2008/18/0497, mwN).

14 Vor dem Hintergrund der dargestellten massiven Straffälligkeit des Revisionswerbers im Bereich des Suchtgifthandels und der Zeit seiner Anhaltung in Strafhaft bis Februar 2015 legt der Revisionswerber mit seinem Vorbringen zu seiner familiären Situation bis zum Zeitpunkt des Todes seiner Mutter im Jahr 2011 und seiner nunmehr geänderten Beziehung zu seinem Vater und seinen Geschwistern keine relevanten Umstände dar, wonach die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, dass der Zeitraum des Wohlverhaltens von etwa zweieinhalb Jahren außerhalb des Strafvollzuges nicht ausreichend sei, unzutreffend wäre.

15 Die Revision zeigt somit nicht auf, weshalb die vom Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und unter Berücksichtigung der den angeführten Bestrafungen zugrundeliegenden Taten erstellte Gefährdungsprognose - aufgrund der wiederholten und zum Teil erheblichen Delinquenz des Revisionswerbers über einen langen Zeitraum - unvertretbar wäre.

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen. Wien, am 8. November 2018

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